Von Frühling war am Donnerstag wahrlich nichts zu spüren. Nieselregen und leichte Windböen statt Sonne und blühende Wiesen. Und dennoch kamen bei Oberbürgermeister Jan Zeitler Frühlingsgefühle auf. Schließlich durfte er gemeinsam mit Staatssekräterin Friedlinde Gurr-Hirsch, Regierungspräsident Klaus Tapesser, drei Landtagsabgeordneten sowie mehreren Vertretern der Stadt und der LGS GmbH zum Spaten greifen und den Startschuss zum Bau eines Pflanzenhauses zwischen Bodensee-Therme und dem ehemaligen Haus des Gastes geben. „Es entsteht hier ab heute etwas Frisches und etwas Neues, das seinesgleichen suchen wird“, sagte Zeitler und fügte hinzu. „Sie sehen: Wir sind im Frühling der LGS-Vorbereitungen angekommen.“

Schwierige Planungsphase
Der OB verschwieg aber auch nicht, dass diesem Frühling ein „langer harter Winter“ vorausgegangen sei. Damit spielte er auf die komplizierte Vorgeschichte an: Nachdem vor viereinhalb Jahren der Siegerentwurf eines Hamburger Architekturbüros gekürt worden war, stellte sich später heraus, dass dieser weder bezahlbar technisch funktional war. In der Übergangszeit von OB Becker auf OB Zeitler verkündete Bürgermeister Matthias Längin im Januar 2017, dass die Stadt sich das Pflanzenhaus komplett sparen werde und das Projekt gestoppt habe. Einen Monat später kassierte der frisch gekürte OB Zeitler die eigenmächtige Entscheidung Längins wieder.

Es musste aber mit Blick auf die Kürze der Zeit bis zur Eröffnung der Landesgartenschau im April 2020 eine einfache, funktionale Lösung her. Der Gemeinderat entschied sich schließlich im September 2018 für den Entwurf der niederländischen Architekten Jeroen Smiemans.

Und auch um den Standort gab es Diskussion. Die Fraktion von LBU/Grüne hatte alternativ den Stadtgarten ins Spiel gebracht, was der Gemeinderat aber mehrheitlich ablehnte. Mittlerweile seien aber auch die LBU/Grüne-Stadträte mit dem Standort am Seeufer einverstanden, wie Marga Lenski beim Spatenstich sagte: „Wir hatten einen guten Vorschlag, aber wir akzeptieren natürlich einen Mehrheitsbeschluss."
Das Gewächshaus wird 30 Meter lang, 20 Meter breit und bis zu zehn Meter hoch. „Es ist aus Isolierglas und als dreischiffige, höhengestaffelte Bogenanlage im Stil einer Basilika gebaut“, beschreibt die LGS GmbH den geplanten Bau. 1,3 Millionen Euro wird der Neubau nach derzeitigem Stand kosten. Die Hälfte davon schießt das Land über Fördergelder zu – schließlich wird das die Landesregierung das Gewächshaus während der Gartenschau im kommenden Jahr als „Treffpunkt Baden-Württemberg“ nutzen. Die Landesverwaltung wird sich hier mit verschiedenen Ministerien, Einrichtungen und Behörden präsentieren. Zudem wird es mehrere Kleinkunstveranstaltungen geben. "Das Pflanzenhaus ist ein bedeutender Mosaikstein für die Landesgartenschau und die Zeit darüber hinaus", sagte Staatssekräterin Friedlinde Gurr-Hirsch.

Umzug ein langsamer Prozess
Nach dem Ausstellungsjahr soll dort die bedeutenden historische Kakteensammlung (siehe unten) einen neuen Platz finden. Bislang wird diese in jedem Frühjahr im Stadtgarten gepflanzt und im Winter in einem Gewächshaus der Stadtgärtnerei vor der Kälte geschützt. Dass der häufige Transport wegfalle, bedeute eine "immense Kosteneinsparung", wie OB Zeitler betonte. Außerdem fiele für die Gärtner die Verletzungsgefahr durch die Stacheln weg. Bis alle Kakteen allerdings wirklich endgültig im Pflanzenhaus stehen werden, wird es noch ein paar Jahre dauern. "Das wird ein langsamer Prozess", erklärte Grünflächenamtsleiter Rolf Geiger auf Nachfrage. Grund ist die Auflage des Landesdenkmalamts, im Stadtgarten am gleichen Standort und nach historischem Vorbild wieder eine Kakteen-Kulisse aufzubauen. Dieser Forderung will die Stadt mit dem Aufbau einer Sammlung mit winterharten Kakteen nachkommen. Diese Aufzucht werde aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen, erklärte Geiger.

Es werden auch nicht alle Kakteen im Gebäude untergebracht. Geiger: "Im Pflanzenhaus soll später eine Sammlung präsentiert werden, die auch ästhetische Ansprüche erfüllt." Zudem ist vorgesehen, das Gewächshaus auch als Veranstaltungsstätte zu nutzen. Denkbar seien etwa Lesungen oder Hochzeiten, sagte OB Zeitler. "Hier entsteht eine weitere Attraktion für Überlingen."
Fertigstellung bis Ende des Jahres
Im Gegensatz zur Umsiedlung sollen die Bauarbeiten schnell vorwärtsgehen. Die einzelnen Elemente werden größtenteils vorgefertig angeliefert und vor Ort nur noch montiert, erklärte Architekt Jeroen Smiemans. Sein Büro plant Projekte auf der ganzen Welt, unter anderem zählten der Emir von Kuweit und das englische Königshaus zu seinen Kunden, wie Smiemans stolz erzählte. Seit einem halben Jahr sei sein Büro nun an den Planungen für das Überlinger Pflanzenhaus.

Der Zeitplan sei knapp bemessen, "aber es wird ein tolles Projekt.“ Geplant ist die Übergabe des schlüsselfertigen Pflanzenhauses für den 20. Dezember, vier Tage vor Weihnachten. Und da denkt der OB dann doch wieder freudig an den Winter: „Dieses Weihnachtsgeschenk werden wir uns gerne abholen.“
Kakteensammlung
Die historische Kakteensammlung der Stadt Überlingen ist von besonderer Bedeutung. Herrmann Hoch, der erste Stadtgärtner, hat 1905 den Grundstein für die Überlinger Sehenswürdigkeit gelegt. Mittlerweile zählt die Sammlung rund 5000 Exemplare, die von von den kleinsten, den winzigen lebenden Steinen, über Opuntien mit ihren charakteristischen fleischen Scheiben, dem auch Schwiegermuttersitz bekannten Goldkugelkaktus bis hin zu den langen, schlanken Säulenkakteen reichen. Die prachtvollsten Pflanzen sind bis zu 100 Jahre alt, sechs bis sieben Meter hoch und bis zu 300 Kilogramm schwer.