Wieder schlechte Noten für Überlingen im Fahrradklimatest. Wieder letzter Platz im Bodenseekreis. Wieder nichts passiert. Bernhard Glatthaar, Kreisvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) ärgert sich.

Jährlich legt der ADFC seine Bewertung für die Sicherheit und den Komfort der Fahrradfahrer in den Städten und Kommunen vor. Die Bewertung für Überlingen hat sich innerhalb eines Jahres nur unwesentlich verändert, mit Platz 266 von 311 Teilnehmern in Deutschland liegt die Stadt wiederum auf einem der hinteren Plätze.
Beim Thema Familienfreundlichkeit bildet sie sogar das Schlusslicht im Bodenseekreis und landet mit der Punktzahl 4,4 noch unter dem Bundesdurchschnitt. 75 Personen haben in Überlingen beim Fahrrad-Klimatest 2018 teilgenommen, den der ADFC im April dieses Jahres vorgelegt hat.

"Wir sehen keine Veränderungen in der Stadt, nichts wurde bisher konkret umgesetzt, die Radverkehrs-Konzepte liegen auch weiterhin, wie seit vielen Jahren, in der Schublade der Stadtverwaltung", kritisiert Bernhard Glatthaar. Die Radfahrer würden sich, wie bisher auch, durch die Stadt "durchkämpfen", so der ADFC-Vorsitzende.
Kein Verständnis könne er dafür aufbringen und es fehle an Priorisierung innerhalb der Verwaltungsspitze. "Hier muss doch endlich was geschehen und zwar von ganz oben, vom OB aus. Es braucht endlich einen Kümmerer", beklagt Glatthaar.
Radfahren wäre in Überlingen unbequem, aber was noch viel schlimmer wäre, auch äußerst gefährlich. In diese Aussage wollte der ADFC auch ausdrücklich die Teilorte mit einbeziehen, denn hier fehle es an Verbindungswegen. "Denken sie an die Schulkinder", empört sich der ADFC-Vorsitzende.

Die Stadtverwaltung reagiert auf diese Vorwürfe mit der Zusendung sehr umfangreichen Materials. Nicht weniger als 46 sogenannte Maßnahmeblätter beschreiben die Situationen an den Brennpunkten vor Ort. In den Kommentarleisten jeweils Priorisierung und die Erklärung, warum bisher nichts geschah.
Münster- Christoph- Kloster- und Jakob-Kessenring-Straße sind gefährliche Straßenzüge, da zu eng. Da sie aber innerhalb des Bodenseeradwegs liegen, wären Absprachen auf übergeordneter Ebene erforderlich.
Gleiches gilt für die Gefahrenstelle von Brünnensbach bis zum Abzweig Goldbach. Hier sei außerdem eine Verbreiterung des zu schmalen Zweirichtungsgeh- und Radwegs nicht möglich.
Die Bahnübergänge West- und Ost sind in den Maßnahmen nicht priorisiert, das heißt im Klartext, hier wird Seitens der Stadtverwaltung keine Wichtigkeit gesehen, gleiches gilt für die Bahnhofstraße.

Stadtauswärts auf der Owinger Straße in Richtung Kogenbach gelange man auf dem Rad nur unter Lebensgefahr auf die schöne neue Fahrradbrücke über die neue Schnellstraße, erklärt Angela Reisch, Geschäftsfrau aus Überlingen.
Die komplett bebilderten Maßnahmeblätter der Stadtverwaltung sprechen hier von einer hohen Verkehrsstärke, eher noch zunehmend durch die neue Anbindung an die B 31-alt. Im Feld "Aufwand" steht ein "Gering". "Wann passiert hier endlich etwas?", fragt sich Angela Reisch.

Zur auf den Blättern der Stadt geschilderten Problematik bei Wiestorstraße und Lippertsreuterstraße, Höhe Burgberg, bleiben die Felder "Aufwand und Bemerkungen" leer. Allerdings erkennt die Stadt darauf ein hohes Gefährdungspotenzial an. Man prüfe aber Seitens der Stadt die Realisierung von Schließfächern und Ladestationen für E-Biker im Bereich des Haupteingangs im Zusammenhang mit der geplanten Landesgartenschau.
Oliver Weißflog, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, weißt im Zusammenhang mit dem ADFC-Klimatest auf eine ständig steigende Zahl der Radfahrer im Bodenseekreis hin. Die Unfallzahlen gingen in der Gesamtbetrachtung ebenfalls nach oben.
Der Polizeisprecher äußerte sein Unverständnis darüber, entsprechende Maßnahmen zur Sicherheit der Radfahrer seitens der Stadtverwaltung Überlingens einzuleiten. Schließlich bewerbe man das Radfahren im Zusammenhang mit dem Umweltbewusstsein doch auch und gebe sich gerne einen grünen Anstrich beim Thema Landesgartenschau.
ADFC-Fahrradklima-Test
- Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Befragung zum Radfahrklima weltweit und lief im Herbst 2018 zum achten Mal. Mehr als 166 000 Menschen stimmten ab, für Überlingen waren es 75 Teilnehmer. Der Test bestand aus 27 Fragen wie „Macht das Radfahren Ihrer Stadt Spaß oder Stress?“ oder „Sind die Wege für Radfahrende angenehm breit oder zu schmal zum Überholen?“ Bewertet wurde nach dem Schulnoten-Prinzip mit Werten zwischen eins und sechs.
- Überlingen kam 2016 zum ersten Mal in die Auswertung des Tests und landete mit einem Durchschnitt von 4,5 im Vergleich ähnlicher Städte in Baden-Württemberg (bis 50 000 Einwohner) auf dem letzten Platz. Bei der aktuellen Erhebung 2018 belegte Überlingen mit einer Durchschnittsnote von 4,3 Platz 44 von 50 vergleichbaren Städten im Land.