Überlingen (hpw) Eine "Weltpremiere" nennt Friedrich Gföllner aus Vorarlberg, was sich gestern in Überlingen im Rahmen der Aktionswochen "Mittendrin" für Menschen mit Behinderungen abspielte. Im Vorfeld des Fests der Begegnung, das am Samstag hier stattfinden wird, waren ein Dutzend sogenannte Selbstvertreter aus drei Ländern im Gemeindepsychiatrischen Zentrum (GpZ) zusammengekommen und haben eine gemeinsame Deklaration erarbeitet. Sie soll am 25. Juni dem neuen baden-württembergischen Sozialminister Manfred Lucha übergeben werden. Die Forderung nach besserer Integration und mehr Barrierefreiheit sollten bei dem Mann an der richtigen Adresse sein, der selbst viele Jahre bei Pauline 13 tätig gewesen war.
Einen ganzen Tag lang waren die Vertreter aus Vorarlberg, der Schweiz und der deutschen Bodenseeregion zusammengesessen, um gesellschaftliche Defizite zu benennen und gemeinsam ihre Interessen zu formulieren. "Eine Frage ist, wie wir uns in die Gesellschaft einbringen können", sagt Sebastian Dierig: "Aber auch was die Gesellschaft für uns tun kann." Ein zentrales Anliegen ist dabei zunächst, bei wichtigen Entscheidungen auch mitbestimmen zu können. "Nicht ohne uns über uns" lautet hier der Grundsatz, den die Menschen mit Handicap berücksichtigt wissen wollen. Nur so können sie ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft finden, wie dies in der UN-Konvention eingefordert wird.
Für eine echte Teilhabe bedarf es jedoch einer Barrierefreiheit auf verschiedenen Ebenen. Nicht nur bei der Mobilität für Rollstuhlfahrer wie Klaus Brunner aus Götzis, der Selbstvertreter der Lebenshilfe in Vorarlberg ist. Auch bei der Sprache gibt es viele Barrieren. "Wenn bei uns eine Volksabstimmung ist, verstehe ich oft den Text dazu nicht", sagt der Vertreter aus St. Gallen: "Da macht es ja gar keinen Sinn, dass ich an der Abstimmung teilnehme." Wobei sich alle einig sind, dass das Prinzip "leichte Sprache" auch anderen Menschen das Leben erleichtern könnte.
"In den Medien ist Integration und Inklusion viel zu selten Thema", sagt Klaus Brunner. Vor allem werde dann das Bild von "den armen Menschen" gezeichnet. "Wir sind keine armen Menschen", betont er: "Wir sind Menschen mit einer Behinderung." Auf der anderen Seite könnten auch Menschen mit Handicap der Gesellschaft etwas geben. Wie Michaela Bommer aus Wittenhofen, die stolz darauf ist, dass sie zweimal pro Woche in einem Pflegeheim arbeitet. Handlungsbedarf gibt es auf allen Seiten. "Wir müssen uns auch an die eigene Nase fassen", sagt Klaus Brunner, "und einfach mehr rausgehen und aktiv werden."