Nun also kam es doch noch zum Gespräch: Die Vertreter der Bürgergemeinschaft für Überlinger Bäume (BÜB) auf der einen, die der Stadtverwaltung auf der anderen Seite – und dazwischen Mitglieder des Petitionsausschusses des Landtags in Stuttgart sowie mehrere Ministeriumsarbeiter und Vertreter des Landratsamts. Das Ziel: Ein sachliches Abwegen der verschiedenen Positionen im Streit um die Platanenallee und die Trockenmauer, die für die Landesgartenschau weichen sollen. "Das ist kein Tribunal, hier werden Argumente ausgetauscht", stellte Jürgen Keck, FDP-Landtagsabgeordneter und Berichterstatter des Petitionsausschusses, gleich zu Beginn der Diskussion im Rathaussaal fest. Die Anhörung war nötig geworden, da die BÜB sich im September mit einer Petition an den Landtag gewandt hatte, in dem sie sich über die geplante Fällung der Platanenallee und die Entfernung der Trockensteinmauer beschwerte.
Tatsächlich entwickelte sich eine in weiten Teilen sachliche Diskussion, wenn auch immer wieder mit Spitzen gegen die Gegenseite und teilweise falschen Tatsachenbehauptungen. Die BÜB, vertreten durch Kristin Müller-Hausser, Dirk Diestel und Rolf Briddigkeit, betonte erneut die historische Bedeutung der Allee für die Entwicklung Überlingens zur Kur- und Tourismusstadt. Zudem wurde bemängelt, dass seit der Vergabe der Arbeiten an das Büro Relais Landschaftsarchitekten um Marianne Mommsen nie offen kommuniziert worden sei, dass Platanen und Mauer weichen müssten. Daher habe der Bürgerentscheid 2013 unter falschen Voraussetzungen stattgefunden.
Dem widersprach Oberbürgermeisterin Sabine Becker vehement. Nach der Kür des Siegerentwurfs sei dieser monatelang von LGS-Geschäftsführer Roland Leitner und seinem Team erläutert worden. Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Platanen nicht stehen bleiben können, wenn man ein abgeflachtes Ufer wolle. "Es gab seitdem keine Veränderungen, die jetzt überraschen", sagte Becker.
Auch dem Vorwurf der BÜB, die angekündigte Renaturierung des Ufers bringe keine große ökologische Verbesserung, wurde widersprochen. Die Vertreter des Umweltministeriums und des Landratsamts, betonten, dass sich mittelfristig die Situation für die Tier- und Pflanzenwelt verbessere. Da den Fledermäusen in der Bauzeit die Bäume als Orientierungshilfe fehlten, werde mit Linden in mobilen Pflanzenkübeln für Abhilfe gesorgt.
Wie sehr sich die Ansichten der beiden Streitparteien unterscheiden, zeigte sich auch bei der anschließenden Ortsbegehung. Auch wenn der Petitionsausschuss im Jahr mehr als 1000 Fälle behandle, sei der Überlinger Fall ein besonders heftiger. "Die Fronten sind extrem verhärtet", sagte Keck. Er betonte, dass im Idealfall durch die Petition eine Entscheidung zum Wohle der Stadt herbeigeführt werde, mit der alle mit Abstrichen leben könnten.
Zumindest hat die gestrige Diskussion schon einmal dafür gesorgt, dass sich die Parteien direkt austauschen. "Ich fand das eine beeindruckende Veranstaltung und einen spannenden demokratischen Prozess", sagte etwa Planerin Marianne Mommsen nach der Begehung. Es sei interessant gewesen, einmal beide Seiten anzuhören. Da stimmte auch Dirk Diestel zu: "Wir sind allein schon deshalb sehr zufrieden, weil wir endlich mal die Chance bekommen haben, unsere Position darzulegen."
Einig in ihren Ansichten sind die Landschaftsarchitektin und ihr Kritiker deshalb bei weitem nicht. Beide hoffen nun, dass der Petitionsausschuss und letztlich der Landtag ihren Argumenten mehr Gewicht geben werden, als denen der Gegenseite. Ob die Entscheidung letztlich Einfluss auf die Umsetzung haben wird, ist fraglich – schließlich ist sie nur eine Empfehlung.
Petitionrecht und Verlauf
Es ist ein Recht, das allen zusteht: das Petitionsrecht. Jeder, der sich durch Entscheidungen von Ämtern und Behörden benachteiligt fühlt, kann sich mit seinem Anliegen an den Landtag wenden kann. Als Anwalt der Bittsteller bemüht sich der Petitionsausschuss darum, den jeweiligen Sachverhalt aufzuklären und Lösungsvorschläge zu unterbreiten, die den Interessen der Beteiligten gerecht werden. Die BÜB wandte sich im September mit einer Petition zum Erhalt der Platanenallee und der historische Trockenmauer an den baden-württembergischen Landtag.
Bis Ende nächster Woche haben beide Seiten noch die Möglichkeit, weitere Argumente an den Petitionsauschuss zu liefern, die den Ausschussmitgliedern bei einer Entscheidungsfindung helfen könnten. Vermutlich im Januar wird der Petitionsausschuss zum Überlinger Streit tagen, anschließend fällt im Landtag eine Entscheidung. Diese ist für die Stadt jedoch nicht rechtlich bindend, sondern hat lediglich die Funktion einer Empfehlung. (mde)