Sie fühlen sich im Stich gelassen. Nicht wahrgenommen. Stiefmütterlich behandelt: Unterm Strich ist es das, was sich aus dem Gespräch zwischen dem Landtagsabgeordneten Martin Hahn (Bündnis 90/Die Grünen) und dem Schulleiter der Wiestorschule, Jürgen Mattmann, sowie Elternvertretern und Lehrern im Rahmen der Woche der Gemeinschaftsschulen mitnehmen lässt. Kritik üben Kollegium und Eltern am Land – aber auch deutlich an der Stadt, wo hinsichtlich der Gemeinschaftsschule nichts vorangehe.
Es fehlt an personeller, materieller und räumlicher Ausstattung
Für beide Kritikpunkte bringt Hahn Verständnis auf und lobt die Lehrer: „Die Menschen wissen ja gar nicht, unter welchen Bedingungen Sie da täglich arbeiten.“ Das Hauptproblem: Die Wiestorschule bekomme weder die personelle, noch die materielle oder räumliche Ausstattung, die für all das nötig wäre, was sich die Gemeinschaftsschule auf die Fahnen geschrieben hat.
Schulleiter: Bildung in Überlingen eher klein als groß geschrieben
Jürgen Mattman sagt, grundsätzlich werde Bildung in der Stadt Überlingen eher klein als groß geschrieben. Das bekräftigt Lehrer Eberhard Götz: Er findet, dass die Gemeinschaftsschule im Vergleich zu Gymnasium und Realschule an dritter Stelle komme.
Elternbeiratsvorsitzende: Mitarbeiter der Stadt an der Obergrenze
Auch Elternbeiratsvorsitzende Manuela Schlesies empfindet das so. Die Kontakte mit den Mitarbeitern der Stadt seien alle toll, aber alle seien an der Obergrenze. „Die Stadt hat Ressourcenprobleme und das sind immer die Gründe, die wir zu hören bekommen, wenn wieder einmal etwas lange dauert.“ Auch sie habe das Gefühl, dass die Schule bei der Stadt keinen hohen Stellenwert hat, und das habe sie Oberbürgermeister Jan Zeitler auch schon gesagt.
Die aktuelle Entscheidung im Gemeinderat
Schon seit Gründung der Schule klar, wie viele Räume fehlen
Jürgen Mattmann erklärt: „Wir waren vor etwa sechs Wochen bei ihm, haben die Dringlichkeit der Situation auf den Tisch gelegt, und er wollte das in den Gemeinderat bringen.“ So sei das aber immer: „Und wenn sich etwas konkretisieren soll, kommt nur heiße Luft. Alle sagen, Bildung ist die Zukunft, aber wie lange müssen die Kinder noch warten? Bis sie selber Kinder haben?“ Seit dem Tag der Gründung der Gemeinschaftsschule sei klar, welche und wie viele Räume fehlen. Es gebe einen Plan, wie die Schule aussehen muss, aber es gehe einfach nicht weiter.
Bunte Villa sollte bereits abgerissen sein und Neubau stehen
Eberhard Götz und seine Kollegin Nadine Raquet nennen als konkretes Beispiel die Bunte Villa. „Die sollte schon abgerissen sein und der Neubau bereits stehen“, macht Raquet deutlich. Passiert sei jedoch nichts. „Wir befinden uns immer noch in Phase Null.“ Nach wie vor fehlten 900 Quadratmeter an Fläche. „Wir adaptieren unsere Pädagogik an die räumlichen Gegebenheiten“, bedauert Mattmann.
Landtagsabgeordneter: „Schule ist stabil zweizügig und wird weiterhin gebraucht“
Martin Hahn sagt: „Ich kann mir schon vorstellen, dass es da seitens der Stadt die Haltung gab, erst einmal abzuwarten, wie die Wiestorschule sich entwickelt. Aber der Prozess ist durch, die Schule ist stabil zweizügig und wird weiterhin gebraucht werden.“ Vom Land wünschen sich die Pädagogen eine bessere Ausstattung, personell und materiell, um den Anforderungen des Gemeinschaftsschulkonzepts Rechnung tragen zu können.
Auch hier fühle man sich vom Kultusministerium im Stich gelassen. Erste Schritte seien gemacht, sagt Hahn, zum Beispiel, dass die bisherigen Hauptschullehrer finanziell gleichgestellt werden sollen mit den Realschullehrern, die mehr verdienen. „Da ist einiges gelungen, wobei die Bedarfe im Bildungsbereich unglaublich groß sind. Aber das Bewusstsein dafür, dass das unsere Zukunft ist und wir viel Geld investieren müssen, ist nicht so einfach herzustellen.“
Lehrerin: Gehälter der Lehrer müssen einander angepasst werden
Lehrerin Stefanie Frick wünscht sich, dass auch die Gehälter der Grundschulpädagogen angepasst werden. „Wir haben mehr Stunden, verdienen weniger. Wir müssen immer schauen, wo wie etwas abknapsen. Und ohne die Basis, die wir legen, geht es nicht weiter.“ Martin Hahn stimmt zu: „Theoretisch müssten wir das sofort umsetzen, das würde 2,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten, aber es wäre nötig. Aber wenn ich sehe, wie langsam Anpassungsschritte passieren, bin ich schon froh, dass wir wenigstens mit Hauptschule und Realschule einen Schritt weiter sind.“ Dann dauere es eben noch eine Weile, sagt Stefanie Frick: „Aber wenigstens die Räume könnte man uns doch zur Verfügung stellen.“
Zu wenig Zeit für Unterstützung von Kindern mit Migrationshintergrund
Jürgen Mattmann sagt: „Wir würden uns so gerne noch mehr um die Kinder kümmern, aber wir haben so viele Baustellen.“ Hahn unterstreicht, dass die Lehrer trotz der hohen Anforderungen Großartiges leisteten. Mattmann stimmt zu: „Meine Kollegen und ich kommen jeden Tag gern in die Schule, einfach weil die Arbeit Spaß macht.“ Aber gerade zum Beispiel die Schüler mit Migrationshintergrund würde man gern mehr unterstützen. „Wir kommen jedoch an die Grenzen der Kapazitäten. Da ist schon gewaltig Sand im Getriebe.“
Junge Pädagogen können Gelerntes hier nicht umsetzen
Nadine Raquet ergänzt: „Was die jungen Kollegen an der Pädagogischen Hochschule lernen, das können sie hier gar nicht umsetzen, mangels Raum und Kapazitäten.“