Was der Feinstaubhauptstadt Stuttgart recht ist, könnte der kommenden Gartenschaustadt Überlingen nicht billig sein. Wirklich billig sind die Mooswände zwar nicht, die Abteilungsleiter Rolf Geiger nach einer Anregung der Freunde der Landesgartenschau jetzt erstmals in der Theorie vorstellte, doch in der verkehrsreichen Innenstadt könnte sie gerade im grünen Jahr 2020 ein spannendes Pilotprojekt abgeben. Da das Thema Feinstaub und Luftqualität in Überlingen schon häufiger in der Diskussion gewesen sei, habe man sich die natürlichen Filter mal angeschaut, sagte Bürgermeister Matthias Längin im Ausschuss für Technik und Verkehr. Tatsächlich hatte die Stadt im November 2014 zum letzten Mal Alarm geschlagen, nachdem der Deutsche Wetterdienst an verschiedenen Standorten ein Jahr lang Luftmessungen vorgenommen hatte und zu dem Fazit gekommen war, dass das Prädikat Kneippheilbad ernsthaft gefährdet sei.
Als Möglichkeit, Feinstaub und andere Schadstoffe herauszufiltern, haben verschiedene Firmen den Einsatz von Moosen entdeckt. Die Universität Stuttgart hatte seit längerem an der Wirksamkeit geforscht, das Berliner Start-Up-Unternehmen "Green City Solutions" hat nun erste praktikable Lösungen entwickelt, wie sie in Städten eingesetzt werden könnten. In Oslo und Paris, Berlin und Dresden stehen die ersten Mooswände. Im November wurde auch am Stuttgarter Neckartor eine Testwand aufgebaut. Die "City Trees" sehen zwar nicht aus wie Bäume, eher wie grüne Wände. Doch deren Herzstück, ein dichter Kern aus Moospflanzen, soll nach Angaben der Firma 275 veritable Bäume zumindest in der Luftfilterwirkung ersetzen können.
"Die Firma hat herausgefunden, dass man mit Moosen die beste Filterwirkung erzielen kann", berichtete Rolf Geiger, "und hat so lange herumgebastelt, bis sie eine technische Möglichkeit zum Einsatz gefunden hatte." Durch die filigranen Strukturen der Moospflanzen hätten die Wände eine große Oberfläche zur Aufnahme der Schadstoffe. Über dem Moos sorgen Deckpflanzen für Beschattung. Eine Standardwand ist etwa vier Meter hoch, drei Meter lang und 65 Zentimeter tief. Auf beiden Seiten sind Sitzmöglichkeiten möglich. "Das technische Gebilde muss künstlich bewässert werden", sagt Geiger, "auch eine fortlaufende Düngung ist erforderlich." Die Energieversorgung erfolgt über Solarzellen. Über das Internet kann der Zustand der Anlage abgerufen und von der Firma beobachtet werden. Geiger: "Es ist quasi eine biotechnische Möglichkeit, im städtischen Raum die Luft zu säubern." Gleichzeitig werde sie befeuchtet und abgekühlt.
Die Kosten für eine Wand betragen zwischen 25 000 und 30 000 Euro, die jährlichen Wartungskosten weitere 2000 Euro. "Es gibt verschiedene Modelle, so eine Wand zu kaufen, zu mieten oder leasen", erklärte Geiger. Der Verein der Freunde der Landesgartenschau sei an die Stadt herangetreten, ob dies nicht ein geeignetes Projekt sei. "Bei den bisherigen Einsatzorten handelt es sich allerdings um größere Städte mit anderen Dimensionen", gab Geiger zu bedenken. Gerade in der Überlinger Altstadt mit ihren engen Häuserfluchten sei so eine Installation gar nicht möglich. Der einzige im Moment denkbare Einsatzort sei aus aktueller Sicht der zentrale Omnibusbahnhof an der Zimmerwiese, wo der Verkehr von Bahn, Bussen und Autos gebündelt auftrete. Geiger: "Dort wäre am ehesten auch noch der erforderliche Raum vorhanden."
Wand vorstellbarals Pilotprojekt
- "Gibt es denn schon belastbare Zahlen über die Wirksamkeit", fragte Stadträtin Marga Lenski (LBU/Grüne) nicht ohne gewisse Skepsis. Angesichts der beträchtlichen Kosten müsse die Stadt ja nicht das "Versuchskaninchen" geben.
- "Wenn so ein Projekt Sinn machen würde, dann im Rahmen der Landesgartenschau", sagte Günter Hornstein (CDU). Als Pilotprojekt am zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) könne er sich damit gut anfreunden. Im Hinblick auf die Schadstoffmessungen und die notwendige Luftqualität für das Prädikat Kneippheilbad sei die Stadt gegebenenfalls so kreativ und finde einen geeigneten Standort.
- Während Reinhard Weigelt (FDP) auf die Gefahr des Vandalismus hinwies, sollte dieses Argument aus Sicht von Ralph Mittelmeier (FWV/ÜfA) kein Grund sein, "etwas nicht zu tun". Allerdings könne man der jungen, aufstrebenden Firma anbieten, sich im Rahmen der Landesgartenschau mit einem Objekt präsentieren zu können. "Wir können im Anschluss dann entscheiden, wir behalten und bezahlen es. Oder sie müssen es wieder abbauen."
- Bürgermeister Matthias Längin sicherte zu, das Vorhaben noch einmal vertiefend zu betrachten und vor dem Hintergrund der Aussagen Gespräche mit der LGS Überlingen zu führen. Dies unter der "Maßgabe, dass der Haushalt nicht belastet werden soll".