Ein aktuelles Bauvorhaben, das zwei kleinere Häuser in der Hafenstraße durch ein großes Gebäude mit 17 Wohneinheiten und 18 Tiefgaragenplätzen ersetzen soll, ist nur der Anstoß für Stadtplanung und Bauausschuss, einen Bebauungsplan für die vier Areale zwischen "Ochsen" und Seeschulen im Osten und der Hofstatt beziehungsweise dem Landungsplatz im Westen aufzustellen. „Auch wir haben davon Kenntnis, dass es in diesen vier Quadranten in naher Zukunft vermutlich zu mehreren Veränderungen kommen wird, was die Eigentümerstruktur anbelangt“, formulierte Baubürgermeister Matthias Längin in der Sitzung noch etwas geheimnisvoll. Konkreter wurde Längin nicht. Doch ist bekannt, dass der mittlerweile zweite Eigentümer des ehemaligen Bürohauses Feyel in der Münsterstraße an einer Nutzung der Immobilie tüftelt.
Stadtplaner will Altstadtsatzung durch Bebauungsplan ergänzt sehen
Den Bauantrag, der „in vielen Köpfen schon umhergeistert“, wie Stadtplaner Thomas Kölschbach erklärte, sei „noch nicht in seiner Vollständigkeit beschieden“ – zumindest sei die Verwaltung noch nicht „in der Zeit, in der man zu einer Entscheidung kommen muss“. Daher würde die Verwaltung für dieses „historisch gewachsene Strukturgebilde“ gerne einen Bebauungsplan aufstellen, auch um künftig „ordnend eingreifen“ zu können. Die Altstadtsatzung berücksichtige ja nur gestalterische Aspekte, doch bei der Bauleitplanung gehe es insbesondere um das Maß der baulichen Nutzung.
Bauausschuss empfiehlt Gemeinderat einen Bebauungsplan
Die von Kölschbach dargestellte Planung für die Flurstücke Hafenstraße 16 und 18 wirkte in der Tat recht wuchtig, obwohl die Firsthöhe des Gebäudes niedriger bliebe als das Gasthaus Gundele gegenüber. Die Aufstellung des Bebauungsplans empfahl der Bauausschuss einstimmig, kommende Woche soll der Gemeinderat den entsprechenden Beschluss fassen. Als ob er die Bedenken besorgter Stadträte und Nachbarn besänftigen wollte, betonte Baubürgermeister Längin dezidiert, dass der Antrag „noch ganz weit entfernt“ von der Bereitstellung vollständiger Unterlagen sei.
Anwohnern in Sorge vor einem vorzeitigen Abbruch
Als weiteres Argument für die Bauleitplanung nannte Längin die sogenannte „Neue Mitte“, die große Bebauung an der Hägerstraße. Sie habe inzwischen ein Stadium erreicht, „wo es sehr schwierig ist, weitere Bauvorhaben so zu beurteilen, dass es eine sinnvolle städtebauliche Struktur gibt“. Das wolle die Stadt in dem sensiblen Innenstadtbereich anders machen. Genau dies sei der Anlass, hier diesen Bebauungsplan aufzustellen. „Unstrittig“ war die Notwendigkeit eines sorgfältigen Bebauungsplans für Stadtrat Günter Hornstein (CDU) und Michael Wilkendorf (SPD) plädierte für eine Veränderungssperre.
Spätestens seit Mitarbeiter eines Überlinger Bauunternehmens die Objekte schon ausführlich in Augenschein genommen hatten, grassierte bei Anwohnern die Sorge vor einem vorzeitigen Abbruch der Gebäude und einer möglichen Bauruine, bis eine rechtskräftige Genehmigung vorliege. Aus dem Gremium nach dieser Gefahr gefragt, verwies Baubürgermeister Längin auf den geplanten Beschluss einer Veränderungssperre. Sie beziehe sich auch auf den Abbruch, bekräftigte Längin.
Architekt Bernd Moll: Auftrag für Abbruch schon vergeben
Ganz anders klingt dies aus dem Mund des Stockacher Architekten Bernd Moll, der das Vorhaben für die Firma Eure Invest mit Sitz in Wien plant, hinter der in der Tat eine saudi-arabische Familie stehe, wie der Planer sagt – allerdings nicht der Eigentümer des Cafés Brasilia. Datiert am 30. Oktober habe das Baurechtsamt ihm schriftlich mitgeteilt, dass die Unterlagen für die beantragte Abbruchgenehmigung vollständig seien, widerspricht Moll den Aussagen von Baubürgermeister Längin: „Damit hätte ich vier Wochen später mit den Bauarbeiten – also dem Abriss – beginnen können.“ Der Auftrag sei schon vergeben, sagte Moll gestern Abend: „Vielleicht rollen schon morgen die Bagger an.“

Nach Paragraph 14 des Baugesetzbuches wirke sich eine Veränderungssperre, die der Gemeinderat in der kommenden Woche beschließen soll, entgegen den Aussagen Längins hier nicht aus, wenn der Abbruch zuvor schon genehmigt gewesen sei. “
Altstadtsatzung reicht nicht aus
Der fehlende Gesamt-Ensembleschutz für den historischen Stadtkern führe dazu, dass die denkmalpflegerischen Belange nicht in Gänze auf die Überbaubarkeit der einzelnen, teilweise sehr langen innenliegenden Flurstücke der historischen Altstadt übertragbar sei, gab Stadtplaner Kölschbach in der Sitzungsvorlage zu bedenken. „Denkbare zukünftige Abgänge von Einzelgebäuden ermöglichen Neubauten, die mit den Kriterien nach Paragraf 34 Baugesetzbuch nur schwer zu beurteilen und zu genehmigen sind“, erklärt er. Zur Klärung und Steuerung bedürfe es daher einer Bauleitplanung als wichtiges Planungswerkzeug. Die aktualisierte Altstadtsatzung, die seit April 2018 Gültigkeit hat, regelt nur gestalterische Aspekte, nicht jedoch das Ausmaß von neuen Bebauungen. Schon Kölschbachs Vorvorgänger Thomas Nöken hatte aus diesem Grund vorgeschlagen, den erwähnten denkmalpflegerischen Ensembleschutz für die historische Altstadt zu beantragen. Der Gemeinderat hatte dies allerdings bislang abgelehnt, aus der Sorge sich selbst damit wichtiger Freiheiten und der Flexibilität zu berauben.
Hanspeter Walter