Vielleicht gibt es schlauere Suchmaschinen als Google. Wer dort die Stichwörter "München" und "Abschöpfungssatzung" eingibt, findet praktisch nichts, lediglich zwei Einträge. Die Frage ist deshalb berechtigt, ob Google doof ist oder ob es in München vielleicht gar keine Abschöpfungssatzung gibt? Die Antwort: In München gibt es keine Abschöpfungssatzung.
Biniossek liegt nicht komplett falsch
Wie aber kommt dann Linken-Gemeinderat Roland Biniossek zu der Aussage im Überlinger Gemeinderat, in der bayerischen Landeshauptstadt gebe es eine solche Satzung? Der Hintergrund ist interessant, und letztlich lag Biniossek nicht komplett daneben.
Thema im Überlinger Gemeinderat
Was hat das mit Überlingen zu tun? Biniossek forderte in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats für Überlingen eine Abschöpfungssatzung, die es ermögliche, Planungsgewinne von Investoren im Baugewerbe abzuschöpfen, also Gewinne, die durch die Schaffung von Baurecht erzielt wurden und von der Stadt in soziale Einrichtungen oder Sozialwohnungen investiert werden könnten. OB Jan Zeitler (SPD) ist skeptisch, was die Rechtslage betrifft: "Nennen Sie mir eine Stadt in Deutschland, die eine gültige Abschöpfungssatzung hat!" Antwort Biniossek: "München!"
Google-Check
Ein Check auf Google lässt Zweifel aufkommen. Es gibt lediglich zwei Treffer, und sie führen nach Überlingen, zur Internetseite der politischen Gruppierung BÜB+, in der sich Biniossek engagiert, und auf der behauptet wird, München schöpfe 70 Prozent ab. Hat er also nur sich selbst zitiert, eine Art Mini-Datenblase produziert?
Faktencheck bei der Stadt München
Besser, wir fragen dort nach, wo man's sicher weiß, in München: Ingo Trömer, Pressesprecher im Stadtplanungsamt der Stadt München, antwortete auf die SÜDKURIER-Frage, dass München seit 1994 die "Planungsbegünstigten an den Kosten und Lasten, die durch die kommunale Bauleitplanung ursächlich ausgelöst werden" beteilige. Das Programm stehe unter dem Stichwort "Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN)". Trömer: "Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Satzung." Vielmehr würden die Voraussetzungen und Folgen der SoBoN im Rahmen von städtebaulichen Verträgen umgesetzt. "Folglich verpflichten sich die Planungsbegünstigten freiwillig zu den Verfahrensgrundsätzen der SoBoN".
Erreichte Ziele in München, die Biniossek wohlt meinte
Im Ergebnis erreicht München genau das, was Biniossek eigentlich fordert. Das aber nicht mit Zwang. Die Mitwirkungsbereitschaft der Bauwirtschaft, so die Information der Stadt München, sei vorhanden. Aus dieser "Einsicht" heraus finde SoBoN Eingang in rechtsverbindliche Bebauungspläne. Bis 31. Dezember 2016 wurden insgesamt 150 Bebauungsplanverfahren nach den SoBoN-Grundsätzen rechtsverbindlich abgeschlossen, auf mehr als 1000 Hektar Fläche. 46 250 Wohnungen seien damit geschaffen worden, davon zirka 12 000 im geförderten Wohnungsbau. Zum 20-Jährigen 2014 hieß es, dass die "Planungsbegünstigten" insgesamt 500 Millionen Euro aufgebracht hätten, wovon alleine mehr als 150 Millionen Euro für die Schaffung von sozialen Infrastruktureinrichtungen zur Verfügung gestellt worden seien.