Er war von Anfang an ein Prestigeobjekt für die Landesgartenschau: der Höhensteg über den Ochsengraben. Als Landschaftsarchitektin Marianne Mommsen ihre Idee von einer Brücke entlang der alten Stadtmauer im Dezember 2012 im Gemeinderat vorstellte, gab es Applaus von den Gemeinderäten und den Besuchern in der Feuerwache. Endlich schien eine Lösung gefunden, das Grabensystem miteinander zu verbinden, indem der hintere Ochsengraben, der im Besitz der Stadt ist, an den Sandbergleweg bei den Menzingergärten angeschlossen wird. Da der untere Teil des Grabens im Besitz des Hotels Ochsen und mit einem Zaun vom Rest des Grabens getrennt ist, war und ist eine Querung bislang unmöglich. Die SPD-Fraktion fand die Idee vom Höhensteg sogar so gut, dass sie vor der Kommunalwahl 2014 mit dem Versprechen "Offene Stadtgräben – auch der Ochsengraben" auf Stimmenfang ging.

Auch Stadt und LGS GmbH führten das Projekt immer wieder als Werbung für die Gartenschau auf. "Der Höhensteg [...] könnte künftig völlig neue, kaum gekannte Perspektiven und räumliche Bezüge eröffnen", heißt es etwa in der Broschüre "Hallo Grün" vom Januar 2016. Noch im Mai 2017 hatte Oberbürgermeister Jan Zeitler betont, dass das Projekt "im Laufe des Jahres konkreter gefasst werden" kann.

Jahrelange Verhandlungen

Eine tatsächliche Bestätigung des Baus steht aber bis heute aus, eine Einigung mit dem Eigentümer wurde bislang nicht erzielt. Im März 2017 hatte LGS-Geschäftsführer Roland Leitner im Gespräch mit dem SÜDKURIER klargestellt: "Wir müssen in diesem Jahr einen Knopf dransetzen, um möglicherweise attraktive Alternativen entwickeln zu können." Trotz Ablauf dieser Frist seien die Planungen nach wie vor aktuell, teilen Stadt und LGS GmbH in einer gemeinsamen Stellungnahme mit: "In Bezug zum Höhensteg laufen aktuell gute Gespräche zwischen Stadtverwaltung, Regierungspräsidium Tübingen und Landesamt für Denkmalpflege." Nach heutigem Kenntnisstand seien rund 700 000 Euro für den Bau eingeplant.

Hierfür braucht es aber die Zustimmung des Eigentümers des Ochsengrabens. "Wir sind grundsätzlich bereit, mitzuwirken", sagt Lukas Waldschütz, der seit drei Jahren gemeinsam mit seinem Vater Andreas Waldschütz das Hotel Ochsen mit dem dazugehörigen Restaurant betreibt und künftig die Geschäfte übernehmen soll. Als sein Urgroßvater im Jahr 1897 das Gasthaus und Brauerei übernahm, gehörte das Gelände im St.-Johann-Graben bereits dazu und ist seitdem in Familienbesitz. Früher diente es der Bewirtschaftung der hauseigenen Brauerei, mit Hopfengarten, Kühllager und Ställen für die Brauereipferde. Nach Aufgabe der Brauerei in den 1960er-Jahren baute die Familie ein Wohnhaus und mehrere Garagen am Eingang in den Graben.

Seit knapp vier Jahren habe es immer wieder Gespräche mit der Stadt gegeben, sagt Waldschütz. Während der Amtszeit von Sabine Becker sei die Kommunikation vor allem über Baubürgermeister Matthias Längin gelaufen. Zuletzt habe sich OB Zeitler sehr intensiv eingebracht. Zu einer Einigung hat aber auch das nicht geführt. "Für uns hat natürlich unsere eigene Nutzung Priorität", sagt Lukas Waldschütz. So drehen sich die Verhandlungen seit Jahren vor allem um Parkplätze. Acht Stück würde das Hotel durch den Bau des Höhenstegs vermutlich verlieren. Für die Familie Waldschütz keine Option: "Ein Parkplatz klingt profan", sagt der Hotelier. Angesichts der 40 Gästezimmer und des Gastronomiebetriebs sei jedoch jeder Stellplatz "sehr wichtig für uns". Momentan habe das Hotel etwa 30 bis 35 Stellplätze, gerade ausreichend für den Bedarf. Durch den Wegfall der Parkplätze am Mantelhafen, der derzeit für die Landesgartenschau umgestaltet wird, bestehe zudem die Gefahr, dass der Bedarf noch ansteige.

Parkdeck als mögliche Lösung

Eine mögliche Lösung wäre aus Sicht der Familie Waldschütz ein kleines Parkdeck im Ochsengraben, das genug Platz für die Gäste biete und zudem noch Stellplätze für Anwohner bereithalten könnte. Eine Idee, die Ochsenwirt Andreas Waldschütz bereits vor mehr als zehn Jahren beantragt hatte. Als Zugeständnis an die Stadt bot er einen schmalen Fußpfad am westlichen Rand des Grabens an. Dennoch lehnten Verwaltung und Gemeinderat mehrere Varianten ab, da das obere Deck für Autos teilweise offen und sichtbar gewesen wäre. Auch vom Landesamt für Denkmalpflege (LAD) gab es damals ein Veto. Auch jetzt habe sich wieder herausgestellt, "dass der Schlüssel beim Denkmalamt liegt", wie Lukas Waldschütz erklärt.

Und das LAD scheint – um im Bild zu bleiben – die Türe fest zuschließen zu wollen. Geht es nach der Behörde, wird es den Höhensteg nicht geben. "Aufgrund der außerordentlichen Bedeutung der Stadtbefestigung in Überlingen ist ein Höhensteg leider nicht denkmalverträglich umsetzbar", teilt LAD-Pressesprecherin Katja Lumpp auf SÜDKURIER-Anfrage mit. Die Überlinger Stadtbefestigung, zu der neben Stadtmauer und Türmen auch das Grabensystem zähle, sei ein Alleinstellungsmerkmal von Überlingen und als "Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung" geschützt. Insbesondere am St.-Johann-Graben, wie der Ochsengraben offiziell heißt, lasse sich "auch heute noch auf besonders eindrucksvolle Weise die auf Verteidigung der Stadt angelegte Funktion der Stadtmauer und des vorgelagerten Grabens ablesen". Der Aufbau eines Höhenstegs sei mit diesem Ensemble nicht vereinbar: "Das Erscheinungsbild der im Bereich des Ochsengrabens über 20 Meter hohen Stadtmauer würde durch den an der höchsten Stelle in 15 Metern Höhe verlaufenden Steg empfindlich gestört. Die gut ablesbare ehemalige Verteidigungsfunktion der Stadtmauer würde durch die Anlage des Höhenstegs auf der Feldseite und die Überbrückung der Stadtmauer zu den Menzinger Gärten zudem konterkariert werden." Zudem käme es durch die erforderlichen Fundamente zu Bodeneingriffen in archäologisch relevante Bereiche. "Daher bestehen aus Sicht der fachlichen Denkmalpflege gegen einen Höhensteg erhebliche denkmalfachliche Bedenken."

Gespräche gehen weiter

Entgegen der Aussage von Stadt und LGS GmbH, die nach wie vor vom Höhensteg sprechen, arbeiten das LAD, das Regierungspräsidium, die Stadt und die LGS GmbH laut Mitteilung des Denkmalamt derzeit vielmehr an einer anderen Lösung, um eine durchgängige Begehbarkeit des Grabensystems zu erreichen. Selbst wenn die Beteiligten eine Lösung finden, braucht es immer noch die Zustimmung der Ochsenwirte.

Lukas Waldschütz sieht möglichen weiteren Verhandlungen gelassen entgegen. "Wir sind nicht die treibende Kraft", sagt der Hotelier. Zwar stehe der Hotelier der Landesgartenschau prinzipiell positiv gegenüber. "Das ist eine tolle Chance für Überlingen, sich zu präsentieren." Allerdings sehe er auch die große Gefahr, dass die Stadt, die in den Sommermonaten auch so schon teilweise überlaufen sei, durch die zusätzlichen Gäste überfordert werden könnte. "Es ist nicht unser Ziel, so viele Gäste wie möglich durchzuschleusen. Wir wollen unsere Qualität beibehalten", betont Waldschütz. Von einer Ausstellungsfläche direkt vor der Haustür erhoffe er sich daher nicht allzu viel.

Ob es diese überhaupt geben wird, werden die weiteren Gespräche zwischen Stadt, Regierungspräsidium und dem Denkmalamt zeigen. Das Ende ist derzeit noch nicht absehbar, wie das LDA mitteilt: "Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, kann derzeit keine Prognose abgegeben werden, wann Ergebnisse vorliegen werden und wie diese letztlich aussehen. Das LAD ist sich jedoch der Dringlichkeit der Angelegenheit bewusst."

Die Geschichte der Stadtgräben

  • Nachdem Überlingen um das Jahr 1180 herum von Friedrich I. Barbarossa das Stadtrecht erhalten hatte, begannen die Bürger ihre Stadt mit einem Wall, Gräben und Mauern zu sichern. Weil die Stadt sehr schnell wuchs, wurde Anfang des 14. Jahrhundert ein zusätzlicher, äußerer Verteidigungsring errichtet. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam ein weiterer Graben hinzu.
  • Immer in den Wintermonaten wurden die ärmeren Bürger in die Gräben geschickt, um noch tiefer zu graben. Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) wurde die Stadt von den Schweden belagert. Dank der imposanten Verteidigungsanlage und weil die Schweden ohne Schiffe nicht vom See aus angreifen konnten, wurden zwei Belagerungen überstanden. Noch heute wird dieser Erfolg jährlich mit zwei Prozessionen gefeiert – und dabei wird übersehen, dass die Stadt vor 375 von Konrad Widerholt eingenommen wurde, der das Stadttor überrannte.
  • Mit der veränderten Kriegsführung verloren die Gräben zunehmend ihre Verteidigungsfunktion. Geldmangel führte zudem dazu, dass die Festungsanlagen im Lauf der Zeit immer mehr zerfielen. Um Geld in den Stadtsäckel zu spülen, wurden teilweise Abschnitte, so wie der Ochsengraben, an Privatleute verkauft.
  • Erst mit dem aufkommenden Fremdenverkehr Ende des 19. Jahrhunderts wurden sich die Überlinger der einzigartigen Bedeutung ihrer Befestigungsanlagen wieder bewusst und machten sie für Besucher zugänglich. Auch für die Grünvernetzung der Landesgartenschau sollen die Gräben eine wichtige Rolle spielen. (mde)