Wer den Blatterngraben – einen Seitenarm der denkmalgeschützten Überlinger Stadtbefestigung – von Süden von der Grabenstraße her betritt, den empfangen gleich zwei stramme „Wächter“ des Radolfzeller Bildhauers Alexander Weinmann. Den stilisierten Aufpassern aus massivem Eichenholz hat der Künstler mit einer Metallspitze auch die Respekt einflößende Wehrhaftigkeit verpasst. Doch keine Sorge, die Wächter halten still und wollen weder Eintrittskarte noch Stempel sehen.
Arbeiten haben Bezüge zur Geschichte Überlingens
Nicht nur Kunst und Natur befruchten einander hier wechselseitig. Wie man an diesem Beispiel sieht, lassen sich auch Bezüge zur Geschichte Überlingens herauslesen, die an die Wehrhaftigkeit der ehemals freien Reichsstadt erinnern. Der Grabenabschnitt diente während der Schwedenkriege und später als Ort für den Freigang von Kranken. Doch die Wächter stehen heute auch für die Verteidigung und den Erhalt der Natur.
Bei der Spurensuche nach kreativen Fundstücken unter freiem Himmel hilft Joanna Klakla, die Leiterin der Sektion Kunst beim Internationalen Bodenseeclub (IBC). Die gebürtige Krakauerin selbst hatte gleich die ersten Wochen der Landesgartenschau im Pavillon des Bodenseekreises im Uferpark mit Bildern und Collagen bereichert. Alexander Weinmann gehört zu den fünf IBC-Mitgliedern, die mit Skulpturen im Blatterngraben präsent sind. Die Meersburgerin Angelika Brackrock hat mit ihrem Objekt „Semiramis“ auf dem Rosenobelturm quasi ein schwebendes Blütenbeet geschaffen, das an die hängenden Gärten des Orients erinnert.

Im Blatterngraben markiert Herbert Stehle mit seinen Skulpturen das andere Ende und damit den Ausgang zum Hauptgraben. Eine Solo-Sitzende und ein Haus-Paar aus Stahlblech stellen eine Verbindung zwischen den Menschen und ihrem Zuhause her. „Das Thema ‚Behaustsein‘ hat mich in den Bann gezogen“, beschreibt Stehle seine Intention: „Haus kann Heimat genauso bedeuten wie das Gegenteil – Fremde und Fremdsein.“

Auch Susanne „Zazo“ Hackenbracht bezog ihre Idee aus der Geschichte Überlingens, konkret aus dem Werk des Chronisten Wilhelm Telle. Der hatte den Blatterngraben als ein „Gebilde“ bezeichnet, das „all meinen Nachforschungen und Deutungshoheiten spottete“. Entsprechend nannte Hackenbracht ihre geheimnisvolle Arbeit „Die Sphinx von Überlingen“ und sieht darin mystischen „Blatternsamen“ in bunten Farben.

Passanten könnten in Rainer Anwanders Werk „Ipotesi“ ein willkommenes Ruhebänkchen erkennen. Warum auch nicht? Doch die beiden Eichenbalken spannen sich auch von Betonsockel zu Betonsockel, wie eine elegante Brücke, die für deren Schöpfer von der Gegenwart in eine hypothetische Zukunft führt. Nicht nur hier haucht Anwander alten Holzelementen quasi ein neues Leben und eine neue Bedeutung ein.

Symbolisch für die Begegnung der Menschen bei der Landesgartenschau könnte das „Trio“ von Bildhauer Werner Schlotter aus Konstanz stehen. Mit drei Kopfskulpturen stehen sich hier archaische Grundformen auf Stelen gegenüber und treten in Beziehung zueinander. „Das sinnliche Erlebnis des Gestaltens soll sich auch dem Betrachter mitteilen“, betont der Künstler explizit und lädt ein: „Berühren ist nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht.“

Nicht nur IBC-Mitglieder stellen im Graben aus: Ursula Haupenthal spiegelt mit ihrer „landscape, spring“ den halben Bodensee wider, Hans Schüler spielt bei seinem „Cluster“ mit Fläche und Form, mit Licht und Schatten und stellt die Wahrnehmung des Betrachters auf die Probe. Eine echte Landmarke hat Harald Björnsgard mit seinem „Fremd-Körper“ aus Stahl geschaffen, die als Hingucker und alles andere als fremd wirkt. Und das Gute: Im Blatterngraben gibt es Kunst ganz kostenlos.
