Japan ist nur eine Tür entfernt: Wo sonst Klasse 1 das Alphabet und den Zahlenraum bis 20 erkundet, empfängt Stefanie Baumann die eintretenden Kinder mit einer leichten Verbeugung: „In Japan begrüßen sich die Menschen, ohne sich die Hand zu geben“, erzählt sie den Schülern, die sich um den Globus scharen. Anhand von Bildern und Alltagsgegenständen verschafft sie den Kindern einen ersten Eindruck vom Leben in dem fremden Land.
Manche von ihnen wissen schon einiges darüber: „Ich lese Mangas“, nennt ein Viertklässler den Grund. Dennoch erkunden alle neugierig den Raum, der mit viel Liebe zum Detail dekoriert ist. Wie ihre Kolleginnen hat Stefanie Baumann am Wochenende zuvor das Klassenzimmer umgestaltet, um den Kindern ein Eintauchen in die Kultur zu ermöglichen.
Lernen mit allen Sinnen
Auch in Indien werden alle Sinne angesprochen: Musik erklingt, es duftet verführerisch nach Essen und es wird gemalt, ausgeschnitten und aufgeklebt. Die Kinder sitzen auf Matten im Kreis, ihre Schuhe stehen hinter ihnen. Philippa und Franziska überlegen gerade, welche Tiere auf dem Subkontinent leben. Nebenbei erklären die Zweitklässlerinnen, weshalb sie sich für Indien entschieden haben: „Ich wollte mal was darüber wissen“, sagt Franziska. Ihre Freundin berichtet, was sie schon gelernt haben. Besonders überrascht habe sie, „dass da so viele zusammen auf einem Motorrad fahren“.
Schulleiterin Sonja Fahlenbock schaut sich derweil stolz die Arbeitsergebnisse an. „Wir wollen mit den Kindern Unterschiede und Gemeinsamkeiten in unseren Kulturen entdecken“, erläutert sie das Ziel der Projekttage. „Egal aus welcher Kultur wir stammen – wir gehören doch alle zu einer gemeinsamen Welt.“
Wie leben Kinder in Nepal?
Unterstützung erhält sie nicht nur durch ihr Kollegium und helfende Eltern, sondern auch durch Gisela Wohlfahrt aus Markdorf, die das Land Nepal vorstellt. Normalerweise leitet die Bildungsreferentin friedenspädagogische Projekte und Fortbildungen, heute arbeitet sie zum ersten Mal mit Grundschülern: „Sie sind sehr aufgeweckt und interessiert und haben Spaß daran“, berichtet Gisela Wohlfahrt, während die Kinder den eigenen Tagesablauf mit dem eines Mädchens aus Nepal vergleichen.
In einem anderen Raum sind Sonia, Mila und Lennert ebenso eifrig bei der Sache. „Ich glaube, Spanien liegt in Europa“, grübelt Mila über der Weltkarte in ihrem Projekttagebuch. Währenddessen zeigt Eva Krojer Sonia auf dem riesigen Globus, wie man von Deutschland nach Spanien kommt: „Das ist aber weit“, kommentiert die Erstklässlerin.
Nebenan arbeiten Justus und Hennadii gerade an ihren Matroschkas aus Papier. „Zeit, den Teig zu machen!“, kündigt Kristin Leitsch an. Die russischen Pelmeni machen die Schüler unter Anleitung der Lehrerin selbst.
Landestypische Verpflegung gab es auch in Australien: „Alle hatten Salat auf ihrem Sandwich“, erinnert sich Sibylle Kaul schmunzelnd an die selbst belegten Brote.
Die Lehrerin hat drei Monate auf dem kleinsten Kontinent verbracht und ist von dessen Geschichte und dem dortigen Lebensstil fasziniert: „Schön, dass es ganz anders ist als Deutschland“, begründet sie ihre Entscheidung, gerade dieses Land zu präsentieren. Nach der Stärkung sägen und feilen die Kinder in der Werkstatt an Schwirrhölzern, wie sie die Aborigines als Musikinstrumente und Kommunikationsmittel nutzen. Wer fertig ist, verziert sein Werk mit bunten Farbtupfern.
„Aufeinander zugehen“
Am Schulfest werden alle Arbeitsergebnisse präsentiert: Stolz führen die Kinder ihre Familien durch die Räume, wo es neben den Ausstellungsstücken auch Mitmachstationen gibt. „Eigentlich bräuchten wir noch viel mehr Zimmer, um einen Einblick in die ganze Welt zu bekommen“, meint Sonja Fahlenbock zum Abschluss. Die Schulleiterin lobt, dass sich die Kinder auf Neues eingelassen hätten, auch wenn ihnen manches befremdlich erschienen sei. „Behaltet diese Offenheit“, gibt sie ihren Schülern mit auf den Weg. „Wir wollen aufeinander zugehen, statt uns voneinander zu entfernen.“