Eine Feststellung stellte Peter Berthold gleich an den Anfang seines Vortrags: "Unseren Vögeln geht’s beschissen." Der Ornithologe aus Billafingen sprach im Torkel von Kloster und Schloss vor rund 130 Zuhörern über den Zustand unserer Vogelwelt. Der Gastgeber und Organisator der Veranstaltung, Bernhard Prinz von Baden, möchte nach Wegen suchen, durch bürgerschaftliches Engagement dem "dramatischen Rückgang der Artenvielfalt" Einhalt zu gebieten.
Gemeinsam gegen Artensterben
Die Markgräflich Badische Verwaltung macht es vor. Nach Angaben von Prinz Bernhard ist sie dabei, ihre Land- und Forstwirtschaft von konventioneller auf ökologische Bewirtschaftung umzustellen. Dabei wird auch der Vogelwelt ein großes Augenmerk geschenkt. In einer ersten Phase wolle man 600 Nistkästen aufhängen, erklärte Prinz Bernhard. Es sei höchste Zeit, gegen das Artensterben etwas zu tun. Daher sucht Prinz Bernhard nach Verbündeten und lud zu der Veranstaltung in Salem mit Professor Berthold nicht nur wie ursprünglich geplant die Mitarbeiter seines Hauses ein, sondern auch Landwirte, Förster, Jäger und Schüler der Schlossschule. Von der Besucherresonanz waren sowohl Prinz Bernhard als auch Professor Berthold überwältigt.

Nur noch 20 Prozent übrig
Nach Aussage von Professor Berthold ist von den Vogelarten, die es noch vor 200 Jahren gegeben habe, nur noch ein Kaffeesatz von etwa 20 Prozent übrig geblieben. Als Hauptproblem für das Artensterben bezeichnete Berthold die Landwirtschaft, wohl gemerkt nicht die Landwirte. Der einzelne Landwirt sei in den Zwängen gefangen, aus dem Boden herauszuholen, was nur gehe. Schuld daran sei der Verbraucher, der nicht bereit sei, für Nahrungsmittel etwas tiefer in die Tasche zu greifen (siehe Erklärstück am Artikelende). Lieber fliege er zwei Mal im Jahr nach Mallorca, so der Vorwurf des Ornithologen.
Wie Berthold deutlich machte, zahlt man dafür aber einen hohen Preis. "Wenn wir die ökologische Landwirtschaft nicht deutlich ausdehnen, können wir nicht sicher sagen, ob in zehn oder 20 Jahren von der jetzigen Vogelpopulation noch etwas übrig ist", mahnte er an und fügte hinzu: "Jeder Verlust einer Tier- oder Pflanzenart macht das Ökosystem unstabiler." Als weitere Faktoren für den allgemeinen Rückgang an Artenvielfalt nannte Berthold den Verkehr, die nächtliche Lichtverschmutzung und die Verunruhigung unserer Landschaft. Auch im letzten Winkel begegne man Wanderern, gegebenenfalls auch mit Hunden, und Mountainbikern. "Die Tiere haben kaum mehr Oasen, wo sie in Ruhe leben können", beklagte Peter Berthold in Salem.
Tieren das Leben erleichtern
Seiner Ansicht nach sind die Wälder noch die einzigen relativ intakten Biotope und Lebensräume für die Vögel. Auch hier könne man einiges tun, um den Vögeln das Leben zu erleichtern: Aufhängen von Nistkästen und ganzjährigen Vogelfutterstellen. "Denn die Vögel finden bei der heutigen Bewirtschaftung von Wiesen und Monokulturen auf den Feldern kaum mehr Sämereien", erklärte Berthold.
Nistkästen und Futterstellen
Solche Einrichtungen – Nistkästen und Futterstellen – empfahl er auch für Obstplantagen. Vögel seien fleißige Konsumenten von Insektenschädlingen, gegen die man dann keine Insektizide ausbringen müsse. "Wir müssen die Vögel wieder besser behandeln", resümierte Berthold. Orte, wo man ihnen wieder eine Lebensgrundlage schaffen könne, gebe es dabei überall zuhauf: Wälder, Streuobstanlagen, Parks und Hausgärten.

Vogelhilfen
- In seinem im Kosmos-Verlag erschienenen Buch "Vögel füttern – aber richtig" beschreibt Professor Berthold, wie man Vögeln das Überleben erleichtern kann. Seine wichtigsten Empfehlungen:
- Nisthilfen schaffen: Meisennistkästen können in Armreichweite aufgehängt werden. Damit erübrigt sich bei der jährlich erforderlichen Reinigung der Einsatz einer Leiter. Im Wald können die Nistkästen auch an einem Hochsitz aufgehängt werden. Staren möchten ihre Nistkästen etwas höher. Starennistkästen müssen aber auch nicht gesäubert werden. Das machen die Staren selber.
- Vogelfutter: Vögel sollten das ganze Jahr über gefüttert werden. In Hausgärten legt man die Futterstellen am besten in Sträuchern an, die für Katzen unerreichbar sind. Meisenknödel sind zwei Jahre haltbar. Das Fett, das ihnen beigefügt ist, besteht aus Rindertalg, der nicht ranzig wird. Vögel brauchen im Sommer wegen der aktiveren Flugtätigkeit mehr Fett als Energiequelle als im Winter. Mittlerweile gibt es im einschlägigen Handel das ganze Jahr über Vogelfutter.
13,8 Prozent der Ausgaben für Lebensmittel
Ornithologe Peter Berthold sieht unter anderem den Verbraucher in der Pflicht. So lautet eine seiner Thesen: Gäbe der Verbraucher mehr Geld für Lebensmittel aus, dann wäre mehr ökologische Landwirtschaft möglich und somit auch ein anderer Lebensraum für Vögel gegeben. Doch hat der Billafinger mit dem Vorwurf recht, dass der Verbraucher überhaupt nicht mehr in Nahrungsmittel investieren möchte? Der Ernährungsreport "Deutschland, wie es isst" zeigte jetzt, dass 91 Prozent der 1000 Befragten gesundes Essen wichtig ist. 71 Prozent essen nach eigenen Angaben täglich Obst und Gemüse, 64 Prozent nehmen jeden Tag Milchprodukte zu sich, Fleisch- und Wurstwaren kommen bei 28 Prozent täglich auf den Tisch. 50 Prozent achten beim Einkaufen auf das Bio-Siegel. Diese Aussagen spiegeln sich jedoch nicht im Kaufverhalten der Menschen wider. Denn 2017 lag der Bio-Anteil bei den Lebensmittel-Ausgaben unter 6 Prozent, wie das Portal Statista.de berichtet. Im Jahr 1900 wendete der Verbraucher etwa 57 Prozent seiner Konsumausgaben für Lebensmittel und Tabak auf. 2017 betrug dieser Anteil laut Statistischem Bundesamt nur rund 13,8 Prozent. (san)