Peter Schober

Eine Feststellung stellte Peter Berthold gleich an den Anfang seines Vortrags: "Unseren Vögeln geht’s beschissen." Der Ornithologe aus Billafingen sprach im Torkel von Kloster und Schloss vor rund 130 Zuhörern über den Zustand unserer Vogelwelt. Der Gastgeber und Organisator der Veranstaltung, Bernhard Prinz von Baden, möchte nach Wegen suchen, durch bürgerschaftliches Engagement dem "dramatischen Rückgang der Artenvielfalt" Einhalt zu gebieten.

Gemeinsam gegen Artensterben

Die Markgräflich Badische Verwaltung macht es vor. Nach Angaben von Prinz Bernhard ist sie dabei, ihre Land- und Forstwirtschaft von konventioneller auf ökologische Bewirtschaftung umzustellen. Dabei wird auch der Vogelwelt ein großes Augenmerk geschenkt. In einer ersten Phase wolle man 600 Nistkästen aufhängen, erklärte Prinz Bernhard. Es sei höchste Zeit, gegen das Artensterben etwas zu tun. Daher sucht Prinz Bernhard nach Verbündeten und lud zu der Veranstaltung in Salem mit Professor Berthold nicht nur wie ursprünglich geplant die Mitarbeiter seines Hauses ein, sondern auch Landwirte, Förster, Jäger und Schüler der Schlossschule. Von der Besucherresonanz waren sowohl Prinz Bernhard als auch Professor Berthold überwältigt.

Ein Wintergoldhähnchen sitzt auf einem Ast. 2009 gab es laut Naturschutzbund bei den Wintergoldhähnchen 1,1 Millionen Brutpaare ...
Ein Wintergoldhähnchen sitzt auf einem Ast. 2009 gab es laut Naturschutzbund bei den Wintergoldhähnchen 1,1 Millionen Brutpaare weniger als noch 1998. | Bild: Rosemarie Kappler

Nur noch 20 Prozent übrig

Nach Aussage von Professor Berthold ist von den Vogelarten, die es noch vor 200 Jahren gegeben habe, nur noch ein Kaffeesatz von etwa 20 Prozent übrig geblieben. Als Hauptproblem für das Artensterben bezeichnete Berthold die Landwirtschaft, wohl gemerkt nicht die Landwirte. Der einzelne Landwirt sei in den Zwängen gefangen, aus dem Boden herauszuholen, was nur gehe. Schuld daran sei der Verbraucher, der nicht bereit sei, für Nahrungsmittel etwas tiefer in die Tasche zu greifen (siehe Erklärstück am Artikelende). Lieber fliege er zwei Mal im Jahr nach Mallorca, so der Vorwurf des Ornithologen.

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Wie Berthold deutlich machte, zahlt man dafür aber einen hohen Preis. "Wenn wir die ökologische Landwirtschaft nicht deutlich ausdehnen, können wir nicht sicher sagen, ob in zehn oder 20 Jahren von der jetzigen Vogelpopulation noch etwas übrig ist", mahnte er an und fügte hinzu: "Jeder Verlust einer Tier- oder Pflanzenart macht das Ökosystem unstabiler." Als weitere Faktoren für den allgemeinen Rückgang an Artenvielfalt nannte Berthold den Verkehr, die nächtliche Lichtverschmutzung und die Verunruhigung unserer Landschaft. Auch im letzten Winkel begegne man Wanderern, gegebenenfalls auch mit Hunden, und Mountainbikern. "Die Tiere haben kaum mehr Oasen, wo sie in Ruhe leben können", beklagte Peter Berthold in Salem.

Tieren das Leben erleichtern

Seiner Ansicht nach sind die Wälder noch die einzigen relativ intakten Biotope und Lebensräume für die Vögel. Auch hier könne man einiges tun, um den Vögeln das Leben zu erleichtern: Aufhängen von Nistkästen und ganzjährigen Vogelfutterstellen. "Denn die Vögel finden bei der heutigen Bewirtschaftung von Wiesen und Monokulturen auf den Feldern kaum mehr Sämereien", erklärte Berthold.

Nistkästen und Futterstellen

Solche Einrichtungen – Nistkästen und Futterstellen – empfahl er auch für Obstplantagen. Vögel seien fleißige Konsumenten von Insektenschädlingen, gegen die man dann keine Insektizide ausbringen müsse. "Wir müssen die Vögel wieder besser behandeln", resümierte Berthold. Orte, wo man ihnen wieder eine Lebensgrundlage schaffen könne, gebe es dabei überall zuhauf: Wälder, Streuobstanlagen, Parks und Hausgärten.

Zum Thema Vogelschutz hat der in Billafingen lebende Ornithologe Peter Berthold etliche Bücher verfasst.
Zum Thema Vogelschutz hat der in Billafingen lebende Ornithologe Peter Berthold etliche Bücher verfasst. | Bild: Peter Schober

13,8 Prozent der Ausgaben für Lebensmittel

Ornithologe Peter Berthold sieht unter anderem den Verbraucher in der Pflicht. So lautet eine seiner Thesen: Gäbe der Verbraucher mehr Geld für Lebensmittel aus, dann wäre mehr ökologische Landwirtschaft möglich und somit auch ein anderer Lebensraum für Vögel gegeben. Doch hat der Billafinger mit dem Vorwurf recht, dass der Verbraucher überhaupt nicht mehr in Nahrungsmittel investieren möchte? Der Ernährungsreport "Deutschland, wie es isst" zeigte jetzt, dass 91 Prozent der 1000 Befragten gesundes Essen wichtig ist. 71 Prozent essen nach eigenen Angaben täglich Obst und Gemüse, 64 Prozent nehmen jeden Tag Milchprodukte zu sich, Fleisch- und Wurstwaren kommen bei 28 Prozent täglich auf den Tisch. 50 Prozent achten beim Einkaufen auf das Bio-Siegel. Diese Aussagen spiegeln sich jedoch nicht im Kaufverhalten der Menschen wider. Denn 2017 lag der Bio-Anteil bei den Lebensmittel-Ausgaben unter 6 Prozent, wie das Portal Statista.de berichtet. Im Jahr 1900 wendete der Verbraucher etwa 57 Prozent seiner Konsumausgaben für Lebensmittel und Tabak auf. 2017 betrug dieser Anteil laut Statistischem Bundesamt nur rund 13,8 Prozent. (san)