Mona Lippisch

Vor Gericht kann ein Fall plötzlich ganz anders aussehen als auf dem Papier der Staatsanwaltschaft. So auch bei der Verhandlung gegen fünf jugendliche Männer, die wegen einer gemeinschaftlich schweren Körperverletzung angeklagt wurden. Erst im Verlauf der öffentlichen Verhandlung am Donnerstag im Amtsgericht Überlingen bemerkten Richter Alexander von Kennel und die Staatsanwaltschaft: Es gab gar keine gemeinschaftliche Aktion der Jugendlichen gegen einen weiteren Mann. Den Beweis lieferte ein Überwachungsvideo der Deutschen Bahn.

Schlägerei nach einem Fasnetumzug

Die Staatsanwaltschaft warf den fünf Jugendlichen schwere Körperverletzung sowie Beihilfe zur Körperverletzung und Nötigung vor. Die Angeklagten aus Überlingen, Uhldingen-Mühlhofen und Owingen sollen auf dem Rückweg von einem Fasnetumzug 2018 in Bermatingen im Zug Richtung Salem in einen Streit geraten sein.

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Einer der Jugendlichen habe laut Staatsanwaltschaft einen jungen Mann ins Gesicht geschlagen, sodass dieser aus Nase und Mund blutete. Danach hätten drei der weiteren Angeklagten den jungen Mann mit ihren Fäusten geschlagen und mit den Füßen getreten. Darunter auch ein 19-Jähriger aus Uhldingen-Mühlhofen. Er habe mit seinen Fäusten gegen die Schulter des Mannes geschlagen.

Betroffener muss zwei Tage ins Krankenhaus

Der Verletzte musste nach dem Vorfall zwei Tage stationär im Krankenhaus untergebracht werden. Er erlitt unter anderem eine Schädel- und Rippenprellung. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft heißt es, dass die Jugendlichen in einer gemeinsamen Aktion gehandelt haben. Doch auf einem Überwachungsvideo der Deutschen Bahn, das vor Gericht abgespielt wurde, war dies nicht zu erkennen. „Man sieht, dass sich die Angeklagten nicht untereinander verständigen und auch eine ordentliche Entfernung voneinander haben“, sagt von Kennel.

Zwei Jugendliche werden handgreiflich

Weiterhin war auf dem Video einer der Angeklagten zu erkennen, der den Betroffenen mit der flachen Hand auf die Backe schlug. „Er hat meine Freundin mehrfach angesprochen, obwohl ich ihm gesagt habe, er soll es lassen. Daraufhin habe ich ihm eine Backpfeife gegeben“, erzählt der Angeklagte. Die Faust habe er nicht benutzt und auch geblutet habe der Mann danach nicht – was das Video bestätigt. Am nächsten Tag habe sich der Angeklagte nach eigenen Angaben sofort bei dem Verletzten entschuldigt und 100 Euro Schmerzensgeld gezahlt.

Jugendlicher schlägt mit Fäusten zu

Ein weiterer Angeklagter ist im Video zu sehen, der im Verlauf der Situation mit seinen Fäusten auf die Schulter des bereits verletzten Mannes schlug. „Ja, ich habe zugeschlagen. Es tut mir Leid, aber die Situation hat sich aufgebauscht“, bestätigt der Angeklagte, der zum Tatzeitpunkt betrunken war. Ursache, wieso der junge Mann ins Krankenhaus gebracht werden musste, waren nicht die Taten der fünf Angeklagten, sondern die eines weiteren Mannes, der sich im Zug befand. Dieser schlug wiederholt auf den bereits Verletzten ein, sodass er im Gesicht blutete. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilt, läuft gegen den Schläger ein gesondertes Verfahren.

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Neben dem Vorfall im Zug war eine weitere Tat Inhalt der Verhandlung: Einige Tage später traf eine Gruppe von Jugendlichen in Salem auf einen jungen Mann. Dieser sei nach mehreren Beschuldigungen geschlagen und genötigt worden. Einer der Angeklagten sei später hinzugekommen und habe nichts gegen die Schlägerei unternommen. Deswegen wurde er von der Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur schweren Körperverletzung angeklagt.

Richter verhängt harmloses Urteil

Da Richter von Kennel bei der Schlägerei im Zug keine Gemeinschaftsaktion feststellen konnte, ließ er die Anklage gegen drei der Jugendlichen fallen. Der Angeklagte, der den Mann mit Fäusten gegen die Schulter schlug, wurde wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 200 Euro verurteilt. Auch der Jugendliche, der wegen Beihilfe zur schweren Körperverletzung angeklagt wurde, muss 200 Euro zahlen.