Die Probe aufs Exempel gelingt. "Ist Schokolade denn gesund?", fragt Sabine Lindenau, Leiterin der Owinger Kindertagesstätten, in die kleine Runde der Jungen und Mädchen im Kinderhaus St. Nikolaus. "Neeeeein!", ruft die kleine Sophia wie aus der Pistole geschossen, dass ihr fast ihre Piratenpuppe Finn aus der Hand fällt.
Nicht nur sie hat ganz offensichtlich ihre Lektion in gesunder Ernährung gelernt. Auch den kleinen Robin kann Erzieher Thomas Resch vom Kinderhaus Guggenbühl als Beispiel anführen. "Als sein Vater beim Kaffeetrinken mal kurz auf die Toilette ging, hat er ihm die Torte entführt und durch einen Obstteller ersetzt." Nein, das sei keine erfundene Anekdote, beteuert Resch, sondern tatsächlich so geschehen.
Übers Spielen zur Erkenntnis
Die spielerischer Auseinandersetzung mit gesunder Ernährung und Bewegung scheint tatsächlich Früchte getragen zu haben. Einige Erkenntnisse sind in der Ernährungspyramide im Foyer sichtbar dokumentiert, zum Beispiel die anschauliche Menge an Zucker, die in einem Glas Nuss-Nougat-Creme enthalten ist. Viel Luft ist nicht mehr über der eingefüllten süßen Verlockung. Nicht alle vermeintlichen Leckereien vermiesen wollen die Erzieher und Erzieherinnen den Kindern, sondern ihnen nahelegen, diese bewusst und in Maßen zu genießen.
Mehr Ausdauer, weniger Pfunde
Für vorbildliches Engagement in diesem Bereich wurde das Kinderhaus St. Nikolaus von der Baden-Württemberg-Stiftung jetzt als einzige Einrichtung vom Bodensee in Stuttgart ausgezeichnet. Dazu gehörte neben einer vorbildlichen Umsetzung des vom Universitätsklinikum Ulm erarbeiteten frühkindlichen Bildungsprogramms für Bewegung und Ernährung mit dem Titel "Komm in das gesunde Boot" auch die Teilnahme an einer zweijährigen praktischen Studie, zu der sich ein Dutzend Owinger Kinder bereit erklärt hatten. Unter anderem wurde dabei über Sensoren am Körper auch das Bewegungsverhalten langfristig aufgezeichnet und dessen Folgen analysiert. "Die Kinder, die an dem Programm teilnahmen, sind ausdauernder und weniger übergewichtig", resümierten die Ulmer Mediziner die gesamte Studie, an der seit Herbst 2016 rund 1000 Jungen und Mädchen im Alter zwischen drei und fünf Jahren teilgenommen hatten.

Gesundheit ist auch das aktuelle Jahresthema in den Owinger Kindertagesstätten. Weniger über Belehrung als über das eigene Erstaunen läuft hier der Weg der Erkenntnis. Und vieles bleibt auf diese Weise hängen. Doch es bleibt nicht bei der Theorie und dem täglichen Obst oder dem regelmäßigen Müsli-Büffet am Montag, mit dem sich manche erst anfreunden mussten. "Doch wenn man Kinder sensibilisiert, dann tragen sie es nach Hause", erklärt Sabine Lindenau.
Ganzheitliches Konzept
"Wir waren auch alle mit Spaß und Freude dabei", sagt Erzieherin Jessica Reuthebuch. Schließlich ist es ein ganzheitliches Konzept, zu dem Bewegung ebenso gehört wie die emotionale Befindlichkeit. "Auch dem psychische Wohlbefinden der Kinder wird dabei Beachtung geschenkt", betont Kollegin Christina Allweier. Dazu gehöre ein Stück weit auch die Selbstfindung und die Frage: "Was bin ich?" Ein ganzer Ordner an spielerischen Übungen und Basteleien erreicht die Kinder mit einer Flaschenpost der beiden Piratenpuppen Finn und Fine. Auch Empathie einzuüben ist für Sabine Lindenau eine wichtige Basis, um später gestärkt in die Schule zu gehen.
Kinder pflegen und ernten Pflanzen
Mit Herz und Hand lernen die Jungen und Mädchen auch beispielhaft, dass Nahrungsmittel zuerst gepflanzt, dann gepflegt und schließlich geerntet werden müssen, ehe sie den Weg auf den Teller finden. So hat Thomas Resch mit einer Gruppe ein Kartoffelfeld angelegt, das in den nächstem Wochen abgeerntet werden kann. Zu sehen wie aus einer "Mutter-Kartoffel" der Nachwuchs sprosst und heranwächst, ist nicht nur für die Kleinen beeindruckend und bleibt hängen. "Das habe ich selbst gar nicht so genau gewusst", räumt Erzieher Resch ganz ehrlich ein.
Das Programm
- "Komm mit in das gesunde Boot" wurde schon 2006 von der Baden-Württemberg-Stiftung initiiert. Mit Spielen und Übungen vermittelt es Freude an gesunder Ernährung und Bewegung. Hinzu kommen gezielte Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher, in denen es auch um eine kindgerechte Vermittlung wichtiger Erkenntnisse geht. Das Schulungsmaterial wurde vom Universitätsklinikum Ulm entwickelt und wird regelmäßig aktualisiert. Eine wissenschaftliche Studie, bei der rund 1000 Jungen und Mädchen im Alter von drei bis fünf Jahren aus 62 Kindergärten im ganzen Land untersucht wurden, belegte inzwischen den Erfolg des Programms.
- Aus dem Bodenseekreis war nur das Owinger Kinderhaus St. Nikolaus beteiligt und wurde in Stuttgart ausgezeichnet. Die Kinder mussten zum Beispiel aus dem Stand springen, Obstsorten benennen oder ihr Wohlbefinden mit Smileys bewerten. Um genaue Aussagen machen zu können, wurden sie in zwei Gruppen eingeteilt und das Programm zeitversetzt umgesetzt. "Die Ergebnisse zeigten eindrücklich", heißt es nach der jetzigen Auswertung der gesamten Untersuchung, "dass sich mit dem Programm die Ausdauerleistungsfähigkeit der Kinder verbessern lässt". Gleichzeitig sei ihr Body-Mass-Index im Vergleich zum Jahr zuvor signifikant gesunken, erläuterten die Wissenschaftler. (hpw)