Die Oma ist schuld am veganen Kochbuch der Familie Stübner-Drach. Denn irgendwann fragte sie mit einem skeptischen Blick auf die Teller ihrer Familie: „Schmeckt das denn?“

Schmeckt das denn? hatte Oma Ida gefragt. An Weihnachten 2018 fand sie die veganen Rouladen besser als ihre aus Fleisch.
Schmeckt das denn? hatte Oma Ida gefragt. An Weihnachten 2018 fand sie die veganen Rouladen besser als ihre aus Fleisch. | Bild: Privat

Ja, und wie das schmeckt! Das sollte sie an Weihnachten 2018 erfahren. Traditionsgemäß gibt es zum Fest Rindsrouladen. „Wir essen die vegane Variante, für Euch haben wir normale gemacht“, hatte Enkel Janis dem Opa und den Omas verkündet. Und aufgetischt.

Sie waren begeistert von den veganen Rindsrouladen: Oma und Opa Helga und Hans Stübner.
Sie waren begeistert von den veganen Rindsrouladen: Oma und Opa Helga und Hans Stübner. | Bild: Privat

Die Oma bat: „Schreib mir mal ein paar Rezepte auf!“

„Das waren meine besten Rouladen“, urteilte Oma Ida Drach, 85. Natürlich waren alle vegan! Der Psychologiestudent Janis hatte so lange herumgetüftelt, bis kein Unterschied mehr zu den herkömmlichen herauszuschmecken war. Die Auflösung folgte prompt. Zunächst herrschte Stille. Die Großeltern waren perplex. „Schreibt mir mal ein paar Rezepte auf, damit ich weiß, was ich Euch kochen kann, wenn ihr zu mir kommt“, bat Oma Helga Stübner dann. Das war der Anstoß für das handliche Kochbuch mit dem passenden Titel „Was Oma noch nicht wusste . . .“

24 Rezepte umfasst das Kochbuch, das Familie Stübner-Drach kreierte.
24 Rezepte umfasst das Kochbuch, das Familie Stübner-Drach kreierte. | Bild: Christiane Keutner

Wie es zur Ein- und Umstellung kam? Georg Stübner-Drach, 53, ernährte sich schon seit 25 Jahren vegetarisch. Manchmal zog die Familie mit, nur ab und zu aß sie Fleisch. Mit 16 war Sohn Janis im Schüleraustausch in Argentinien, dem Land des Fleisches, und musste sich das Essen von Steaks wieder angewöhnen. Zurück in Deutschland schwenkte er zurück auf vegetarische Kost – bis zum Dokumentarfilm der österreichischen Autorin Nina Messinger.

„Hope for all – Unsere Nahrung, unsere Hoffnung“, jene Filmdokumentation, änderte führ Janis alles. Die schrecklichen Szenen aus dem Schlachthof und aus der Massentierhaltung bekam er nicht mehr aus dem Kopf – er wurde Veganer. Dasselbe passierte seiner Schwester Lena; auch die 22-Jährige stellte ihre Ernährung daraufhin auf vegan um.

Der Verzicht auf Frühstücksei, Butterbrot und Bergkäse fiel dem Vater am schwersten

„Oh je, jetzt müssen wir das mitmachen“, dachten die Eltern, denn drei unterschiedliche Gerichte zu kochen empfanden sie als unheimlich anstrengend. „Probier das Vegane doch einfach“, empfahlen die jungen Erwachsenen. Georg Stübner-Drach erinnert sich: „Das Schwierigste für mich war der Verzicht aufs Frühstücksei, das Butterbrot und den Bergkäse, das war schon heftig.“

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Ein halbes Jahr dauerte die Umstellung. Anfangs wurden viele Convenience-Produkte probiert wie das vegane Fertigschnitzel, um den Geschmack von Fleisch zu ersetzen. Mit der Zeit fiel der Abschied von tierischen Produkten immer leichter. Seit drei Jahren ernährt sich die gesamte Familie nun auf diese Weise.

Der Lockdown machte die Realisierung des Kochbuchprojekts leichter

Statt ein paar erbetene Rezepte aufzuschreiben, überlegte sich die Familie, gleich ein richtiges Kochbuch zu machen. Bei der zeitnahen Realisierung half der Lockdown: Währenddessen wieder zuhause, hatten die beiden Studenten mehr als üblich Zeit. Der Keller wurde zum Fotostudio; dem 24-jährigen Janis gelangen professionelle Aufnahmen.

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Manches Mal musste die Familie eineinhalb Stunden aufs Essen warten, bis das letzte Detail, der Schimmer über Spinat und Hummus, eingefangen oder die Kürbiskerne auf dem „Chicken Tikka Masala“ ohne Huhn richtig platziert waren. So entstanden 24 überwiegend pikante Rezepte, die mit überall erhältlichen Zutaten einfach nachzukochen sind: Dönerpizza, Rührei aus Mungobohnen oder Grünkern-Spaghetti-Sauce. Dazu ein paar Sätze der Urheber, warum sie Veganer wurden, sowie ein Überblick über die Nährstoffe, Menge und Art der Lebensmittel zur Deckung des täglichen Bedarfs bei Veganern.

Eine Seite aus dem Kochbuch. Die Grünkernspaghetti sind der Renner bei Familie Stübner-Drach und ihren Gästen.
Eine Seite aus dem Kochbuch. Die Grünkernspaghetti sind der Renner bei Familie Stübner-Drach und ihren Gästen. | Bild: Christian Keutner

Das Vitamin B 12 müssen die Stübner-Drachs ergänzen

„Grundsätzlich können alle Vitamine mit pflanzlicher Kost aufgenommen werden. Nur B 12 müssen wir ergänzen“, sagt Gregor Stübner-Drach. Infos, Tipps und Links zu regionalen Anbietern und Unternehmen wie „Lupinenkönigin“ oder „Cashew to go“ komplettieren das Büchlein. Die Nachhaltigkeit zeigt sich auch an dem Band selbst: Er ist von einer Markdorfer Druckerei auf ökologisch zertifizerten Naturpapier gedruckt.

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Familienmitglieder berichten von positiven gesundheitlichen Aspekten

Bei Janis hat sich die Regenerationsfähigkeit des Körpers nach dem Sport gebessert, beim Vater, seit 40 Jahren Diabetiker, die Blutwerte, und Lena berichtet: „Ich bin nicht mehr so müde und habe weniger Kopfschmerzen. Nach dem Essen fühle ich mich nicht mehr so aufgebläht und ich bin fitter.“ Grippe und Erkältungen seien ferngeblieben. Nur Obacht: „Vegan ernähren bedeutet nicht immer gesund: Pommes und Cola sind auch vegan.“

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Positive Resonanz erfährt die Familie über ihren Instagram-Account, in dem es um vegane Ernährung geht. „Die Leute fordern Rezepte an.“ Ihr veganes und nachhaltiges Bewusstsein mündete in dem Entschluss neben ihrem Studium „Soziale Arbeit“ auch ein Fernstudium zur Veganen Ernährungsberaterin aufzunehmen und stellte ihre Homepage online. Hierüber ist das Buch auch zu bestellen; zudem liegt es vorerst in den „Unverpackt-Läden“ in Überlingen und Markdorf sowie in der Linzgau-Buchhandlung in Meersburg, Salem und Pfullendorf sowie im Friseursalon „Haarmonie“ in Meersburg aus.

Sabine Stübner mit Pudel Emmy, dem einzig verbliebenen Fleischkonsumenten in der Familie.
Sabine Stübner mit Pudel Emmy, dem einzig verbliebenen Fleischkonsumenten in der Familie. | Bild: Christiane Keutner

Dass das vegane Essen bestens ankommt und Hirse nicht nur Wellensittichen schmeckt, beweist der Besuch, der gerne zum Essen kommt oder bleibt – und die stets bekochte Mama: „Ich habe das Kochen fast verlernt, ich muss nachher nur die Küche aufräumen.“ Nur einer in der Familie ist kein Veganer: Pudel Emmy.