Arno Dirksens Bilder leuchten sogar im schummrigen Treppenhaus des Rathauses. Dort hängen bis 1. Juni zehn seiner Segel-Gemälde unter dem Titel "Die Farbe des Windes – freie und maritime Malerei". Dirksen ist der erste Künstler, der bei der neuen städtischen Ausstellungsreihe "Der Nächste bitte" eine Auswahl seiner Werke im frisch sanierten Rathaus-Aufgang zeigt. Dreimal jährlich, jeweils für drei Monate, sollen dort künftig regionale Künstler "eine prominente Präsentationsmöglichkeit" bekommen, wie Bürgermeister Robert Scherer bei seiner Begrüßung sagte.
Verantwortlich dafür ist Scherer selbst. Denn als er 2017 bei der von Michael Schülke initiierten Aktion "Kunst im Wohnzimmer" im Haus von Familie Waibel Bilder des Überlinger Malers sah, war er sofort begeistert. Die Idee für eine Ausstellung im Rathaus war geboren. Bisher hingen in dessen Treppenhaus alte Schwarz-Weiß-Fotografien mit Stadtansichten.

Dazu ist kaum ein größerer Kontrast denkbar als Dirksens Bilder, die in den Grundtönen Rot, Blau und Gelb strahlen und die sämtliche Wetterlagen und Stimmungen einfangen, denen ein passionierter Segler auf (dem) See ausgesetzt ist. Mit treffenden Worten beginnt die Laudatio Wolfgang U. Lauer, die Stefanie Fecht vorträgt: "Wann immer wir meinten, der Wind hätte keine Farbe, hier werden wir eines Besseren belehrt: in den uns umgebenden Bildern, im Farbenrausch der Geschwindigkeit, wo sich die Jollen mit den Wellen, die Segel mit den Wolken und die Gischt scheinbar mit uns vereinen wollen."
Bei der Überlinger Büchernacht 2017, zu der der Kommunikationsexperte Lauer und die Prozessmanagerin Fecht in der "Freien Kunstakademie" einen Beitrag zur "Macht der Bilder" beisteuerten, begegneten sie erstmals Dirksen. Es funkte sofort zwischen den Dreien. Lauer spürte unwillkürlich: "Hier folgt einer, wie nur wenige Menschen, konsequent seinem inneren Bild." Menschliches Verhalten bestehe nach Erkenntnissen aus Psychologie, Medien- und Neurowissenschaften darin, innere und äußere Bilder, die oft widersprüchlich seien, ins Gleichgewicht zu bringen. Man ahne beim Anschauen von Dirksens "ausgelagerten inneren Bildern, dass wir im Alltag oft leichtfertig die unseren opfern." Oft folge man fremden Ideen, "bis uns die Kunst wieder zu unseren eigentlichen Sehnsüchten führt".

Was machen Dirksens Bilder mit dem Betrachter? Farbe und Wind, so Lauer, stünden für die ersten beiden der sechs menschlichen Gedächtnisspuren "Atmosphäre" und "Bewegung", die noch vor der Geburt angelegt würden. Eine Gedächtnisspur ist laut "Spektrum"-Lexikon der Psychologie eine "angenommene Veränderung des Nervensystems, die zwischen Lernen und Wiedererkennen, respektive Reproduzieren, stattgefunden hat". Tatsächlich gibt es eine Magie Dirksen, der sich sogar eingefleischte Landratten nicht entziehen können. Sie wirkt auch bei jenen, die nicht so reich mit Bewegung und Atmosphäre ausgestattet wurden, wie Lauer sie Dirksen bescheinigt. Dieser war von klein auf von Schiffen fasziniert und zeichnet sich sowohl durch vielseitige handwerkliche als auch künstlerische Begabungen aus. Nie, so Lauer, hätten Dirksens "Bewegung und Atmosphäre in einen Mainstream-Rahmen" gepasst.
Aus dem üblichen Rahmen fällt auch die gut besuchte Vernissage: nicht nur durch die Laudatio, die auf kunstwissenschaftliche Überfrachtungen verzichtet, sondern auch dank einer "interaktiven Bildbetrachtung", die Lauer anschließend den Gästen, darunter auch viele Überlinger, anbietet. Gemeinsam mit dem Saxofonisten Benjamin Engel, der bereits mehrere Ausstellungseröffnungen Dirksens musikalisch begleitete, geht er mit ihnen von Bild zu Bild. Lauer spricht, Engel spielt. Besucherin Ramona Scholten ist sehr angetan von dieser Idee Lauers, nachzuspüren, wie "verschiedene Einflüsse", etwa Töne oder auch der Bilderrahmen, die sinnliche Wahrnehmung von Bildern beeinflussen. "Das menschliche Leben ist immer ein Bildvergleich", meint Lauer.

Dirksen, der als erster Aussteller der neuen Reihe im Vorfeld durchaus auch Pionierarbeit leistete, bedankt sich bei allen, die die Schau ermöglichten, zuvorderst bei der Stadtverwaltung Meersburg und seinem alten Freund Schülke, der letztlich "Schuld an der Ausstellung" sei. Dass sie zustande kam, will Dirksen nicht als Zufall bezeichnen, sondern als "das mir Zugefallene". Letzteres gelte auch für seine Malerei.
Zur Person
Arno Dirksen kam 1938 in Ziegellack im damaligen Westpreußen zur Welt. Von klein auf faszinierten ihn Wasser und Schiffe. Mit zwölf Jahren ließ er sein erstes selbstgebautes, fahrtaugliches Boot vom Stapel und ging mit 18 als Schiffsjunge an Bord des Segelschulschiffs "Deutschland". Später wurde der passionierte Segler Lehrer und unterrichtete ab 1972 an der Jörg-Zürn-Gewerbeschule Kunst, Fotografie und Theater. Im Jahr 1993 begann er mit der Malerei, Vorbilder waren William Turner, Lyonel Feininger und Emil Nolde. Dirksen entwickelte bald seine eigene Handschrift und machte seine Segelleidenschaft zu seinem Lieblingssujet. Von 1997 bis 2002 studierte Dirksen an der Freien Kunstakademie Mühlhofen (heute in Überlingen). Seine erste Einzelschau als Maler hatte er im Jahr 2000, es folgten bis dato über 50 Ausstellungen. Segelsportler reißen sich um Dirksens Bilder. Käuflich erwerbbar sind übrigens auch die in Meersburg gezeigten Werke.
Die Ausstellung "Die Farbe des Windes – freie und maritime Malerei" ist bis 1. Juni im Rathaus Meersburg zu sehen. Öffnungszeiten: montags bis mittwochs sowie freitags von 8 bis 12 Uhr. Donnerstags von 8 bis 12 und von 14 bis 18 Uhr.