Aus dem Menschen ein Individuum herausbilden, das frei handeln und denken kann, das ist der Humboldt‘sche Gedanke. Und das ist der Gedanke, den Stefan Ferguson, Lehrer am Bildungszentrum, bei dieser Preisverleihung in den Vordergrund stellte. Dieser Gedanke des Humanismus‘ solle Leitbild für das Lernen auch jenseits des Schulstoffes sein.
Dafür wurde zum zwölften Mal vom Markdorfer Wirtschaftskreis der Förderpreis an Schüler des Gymnasiums verliehen. In diesem historischen Jahr 2020 allerdings im Singular und an nur eine Schülerin. Denn das Coronavirus hatte auch die Schüler am Bildungszentrum deutlich ausgebremst.
Ungewöhnliche Preisverleihung in kleinem Rahmen
Nichtsdestotrotz sollte die Veranstaltung nicht ins Wasser fallen, auch wenn die sommerlichen Temperaturen am frühen Abend den Wunsch nach Abkühlung buchstäblich befeuerten. „Es ist uns eine große Freude, dass wir nun doch hier sein können“, sagt Bürgermeister Georg Riedmann zur Eröffnung einer etwas ungewöhnlichen Preisverleihung.
Denn einerseits war lange nicht klar, ob die Veranstaltung überhaupt stattfinden könne, andererseits, ob dies mit den geltenden Regeln für schulische Veranstaltung konform ginge. Schließlich wurde die Feier im kleinen Kreise und auf Initiative von Stadt und Wirtschaftskreis abgehalten, um wenigstens den Preis in der Kategorie „Sprachen“ vergeben zu können. „Denn eine Vollbremsung wäre kein schönes Signal gewesen“, so Riedmann. Verzichtet wurde auf die Preisverleihung im naturwissenschaftlichen Bereich.
Helene Uhlig schließt Arbeit bereits im Februar ab
Ermöglicht dagegen wurde die Teilnahme am Wirtschaftsförderpreis für Helene Uhlig, die mit einer bemerkenswerten Arbeit im Bereich Sprachen dem Coronavirus tatsächlich einen Schritt voraus war. „Ich hatte meine Arbeit schon im Februar abgeschlossen“, sagt die Abiturientin und meint damit eine ausführliche Analyse und schriftliche Ausarbeitung des Kafka-Zitats: „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“. Wohlgemerkt in englischer Sprache. Dem folgte eine mündliche Prüfung im Juni in den Sprachen Latein und Englisch.
Wunsch nach einer Reise nach London
„Das war dann schon sehr anspruchsvoll“, gesteht Helene Uhlig. Denn nur jeweils 15 Minuten blieben ihr, um über Rassismus in den USA einerseits und den Philosophen Cicero im alten Rom andererseits zu referieren. Nun ist Helene Uhlig nicht nur stolze Besitzerin eines Abiturzeugnisses, sondern auch Urkundenbesitzerin über einen mit 1000 Euro dotierten Preis. Mit dem Preisgeld möchte sie nächstes Jahr und sofern es die Umstände erlauben eine Reise nach London antreten, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das britische Empire zu untersuchen.
Reise der letztjährigen Preisträgerin fällt flach
Durch Corona vereitelt wurde die Reise der Sprachpreisträgerin des vergangenen Jahres. „Meine Reise in die USA war für März geplant“, sagt Lea Morreale etwas wehmütig. Die Idee zu diesem Exkurs war längst geboren: „Für mich war klar, dass ich nach New York wollte, um den Spuren der Migranten zu folgen.“
Denn das Thema Rassismus in den USA sei aktueller denn je. Wie könnte Integration in diesem Land gelingen? Auf diese Frage wollte sie nach ihrer Rückkehr eine Antwort gefunden haben. Nun hat Lea Morreale nach anderen Antworten auf ein nicht weniger brisantes Thema gesucht: Sie befasste sich mit dem Gefängnissystem der USA, dessen geschichtlichen Hergang, die Aspekte von Industrie und Profitgier innerhalb dieses Systems sowie dessen große Missstände.
Preisträgerinnen sind neugierig und selbstbewusst
Gekennzeichnet ist das Engagement der Preisträgerinnen vor allem durch eines: Von Neugierde und Selbstbewusstsein, aber auch von großer Begabung und dem humboldt‘schen Menschengedanken. „Begabung und Förderung gehen dabei Hand in Hand“, sagt Riedmann. Aber mit Begabung allein erklärte sich schon Albert Einstein nicht zufrieden: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“, zitiert Riedmann den Physiker. Aber es gelte eben auch das Sprichwort: Ohne Fleiß kein Preis. Denn nur das eine bringe das andere voran – und die Früchte hervor.