Thomas Kapitel und Helmar Grupp

„Ja, Rosi hat ein Telefon, auch ich hab ihre Nummer schon, unter 32-16-8 herrscht Konjunktur die ganze Nacht“: Das ist die berühmte rätselhafte Zeile aus dem Mega-Gassenhauer der Spider Murphy Gang, der Anfang der 80er landauf, landab von den Radiosendern „on air“ geschickt wurde. 1981 erschien der Song „Skandal im Sperrbezirk“ auf der LP „Dolce Vita“, 1982 folgte sein Durchbruch als Nummer-1-Hit der Neuen Deutschen Welle. 750.000 verkaufte Singles, wochenlang auf Platz eins der Hitparaden, das war am Ende die Bilanz, die die Band um ihren Sänger Günther Sigl schlagartig berühmt machte.

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Anekdoten und Legenden seit vier Jahrzehnten

Doch was hat Rosis Nummer nun mit Markdorf zu tun? Und hat sie überhaupt etwas mit Markdorf zu tun? Um diese Frage ranken sich seit vier Jahrzehnten Anekdoten und Legenden. Die Spider Murphy Gang wurde 1977 in München gegründet und Fakt ist: 1980 hatte sie einen Auftritt in Markdorf, im Wirtshaus am Gehrenberg. Mit diesem Auftritt wurden die Bayern auch hier in der Region als heißer Live-Tipp bekannt. Die Markdorfer Kulturkneipe war erst ein Jahr zuvor von Peter Berchtold und Walter Schirl aufgemacht worden und war damals in kürzester Zeit zum angesagten Kult-Treffpunkt avanciert.

Das damalige Wirtshaus am Gehrenberg (im Hintergrund) mit dem Theaterstadel im Jahr 1986. Heute ist das Wirtshausgebäude umgebaut und ...
Das damalige Wirtshaus am Gehrenberg (im Hintergrund) mit dem Theaterstadel im Jahr 1986. Heute ist das Wirtshausgebäude umgebaut und erweitert, den Kastaniengarten gibt es aber immer noch. | Bild: SK-Archiv

Die 07544/3216 stand in Günther Sigls Adressbuch

Und Fakt ist auch: Wer in Markdorf Rosis Nummer ohne die Acht am Ende wählte, hatte damals Walter Schirl an der Strippe. Peter Berchtold erinnert sich noch lebhaft: „Ja, die Telefonnummer 32-16-8 dürfte tatsächlich von hier stammen. Allerdings nicht vom Wirtshaus, sondern von Walter Schirl. Der hatte damals die Nummer 3216.“ Berchtold hat deswegen auch seine Theorie, die durchaus einleuchtend klingt: „Die Künstler haben damals alle bei Walter und Brigitte Schirl übernachtet und mussten sich natürlich deren Nummer merken. Die Acht haben sie dann wohl des Reimes wegen drangepackt.“

Peter Berchtold war einst Mitgründer des Wirtshaus am Gehrenberg, heute lebt er in Überlingen. Er kannte 1980 Bandleader Günther Sigl ...
Peter Berchtold war einst Mitgründer des Wirtshaus am Gehrenberg, heute lebt er in Überlingen. Er kannte 1980 Bandleader Günther Sigl bereits aus gemeinsamen Jugendzeiten in Landsberg am Lech. | Bild: Hilser, Stefan

Genauso erzählt die Geschichte auch Walter Schirls Sohn Frank Schirl, der heute den Theaterstadel führt. Die 3216 sei damals die Telefonnummer seiner Familie gewesen. In Markdorf gab es in den frühen 80ern noch keine fünfstelligen Nummern. Diese Telefonnummer habe Sigl auch in seinem Adressbuch stehen gehabt und sicherlich öfter verwendet, als es um den Gig im Wirtshaus ging. Die 3216 harmonierte natürlich perfekt mit der 8, auf die sich „Nacht“ reimen musste. So sei Sigl vermutlich auf Rosis Nummer gekommen. Frank Schirl, damals noch ein Teenager, erinnert sich an lustige Abende mit den bayerischen Gaudiburschen im Wirtshaus.

Frank Schirl und Alexandra Berchtold betreiben heute das Wirtshaus und den Theaterstadel am Gehrenberg. Sie sind Sohn und Tochter der ...
Frank Schirl und Alexandra Berchtold betreiben heute das Wirtshaus und den Theaterstadel am Gehrenberg. Sie sind Sohn und Tochter der Wirtshaus-Gründer Walter Schirl und Peter Berchtold, kennen sich von Kindesbeinen an, sind inzwischen bereits schon lange verheiratet und haben selbst Kinder. | Bild: Grupp, Helmar

Was sagt Sigl selbst zu Rosis Nummer?

Aber stimmt das denn auch alles so? Wir wollen es genau wissen und läuten bei Günther Sigl höchstpersönlich in München durch. Der Spider-Murphy-Frontmann erinnert sich ebenfalls, allerdings ein wenig anders als Berchtold: „Das war alles noch sehr klein damals, wir kamen mit dem VW-Bus nach Markdorf und die Wirtsleute waren sehr nett. Wir haben in einer Ecke in dem Wirtshaus gespielt, auf einer Art Empore, wo sonst Tische stehen. Aber dass irgendjemand diese Nummer gehabt hätte, wäre mir jetzt neu“, sagt der 75-jährige.

Bandleader Günther Sigl erinnert sich: „Das war alles noch sehr klein damals, wir kamen mit dem VW-Bus nach Markdorf.“
Bandleader Günther Sigl erinnert sich: „Das war alles noch sehr klein damals, wir kamen mit dem VW-Bus nach Markdorf.“ | Bild: Dieter Bichl

Für ihn sei es damals vor 41 Jahren ein reines Zahlenspiel gewesen: „Die Acht war gesetzt, weil es sich auf Nacht reimen sollte. Den Rest haben wir zweimal verdoppelt und das Ganze umgedreht: 32-16-8. Fertig.“ Laut Wikipedia-Eintrag hatten sie damals sogar gecheckt, dass die Nummer in München nicht existiert: „Das war auf jeden Fall nicht die Nummer von irgendjemandem“, bestätigt auch Günther Sigl – und schmunzelt über die Markdorfer Theorie: „Aber a guade G‘schicht is es trotzdem!“

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Wochenlang klingelt es Anfang 1982 Sturm bei den Schirls

Wie es auch immer gewesen sein mochte: Die Sache mit Rosis Nummer sollte noch ein denkwürdiges Nachspiel für die Schirls haben. Denn von dem Moment an, als der „Skandal im Sperrbezirk“ Anfang 1982 durch die Decke schoss, habe bei ihnen wochenlang das Telefon Sturm geklingelt, erinnert sich Frank Schirl und muss heute noch schmunzeln, wenn er an den Standardspruch „Ist denn die Rosi da?“ denkt. Denn wenn man damals die 07544/3216 plus noch irgendeine fünfte Zahl hintenraus wählte, schellte es trotzdem bei den Schirls. Mutmaßlich hatte die Deutsche Bundespost den Wählvorgang damals einfach nur bis zur erreichten Vierstelligkeit registriert, wer weiß. So jedenfalls blieben den Schirls und den Berchtolds die Jungs von der Spider Murphy Gang auch nach ihrem Auftritt noch lange lebhaft in Erinnerung.

Auszug aus dem ersten Programheft der 1979 neu ins Leben gerufenen Kleinkunst im Wirtshaus. Damals spielten die Bands noch in der ...
Auszug aus dem ersten Programheft der 1979 neu ins Leben gerufenen Kleinkunst im Wirtshaus. Damals spielten die Bands noch in der Wirtschaft, heute findet die Kleinkunst im benachbarten Theaterstadel statt. Ein Blick auf das Programm vom 1. September 1979 zeigt: Mit Biermösl Blosn trat ein Jahr vor der Spider Murphy Gang bereits eine bayerische Band am Gehrenberg auf. | Bild: Grupp, Helmar

Doch wie kam die Spider Murphy Gang, damals hauptsächlich in München bekannt, 1980 eigentlich überhaupt nach Markdorf? Peter Berchtold erzählt: „Ein Spiegel-Artikel war schuld. Da hatten wir gelesen, dass es eine Rock‘n‘Roll-Band mit deutschen Texten gab. Und die wollten wir dann unbedingt haben.“ Es muss wohl zünftig zugegangen sein damals im Wirtshaus – und ein Wiedersehen war auch dabei: „Ich dachte, den kenn ich doch, als Günther Sigl 1980 zur Wirtshaustür hereinkam“, berichtet Berchtold: „Und tatsächlich, wir sind beide in Landsberg am Lech aufgewachsen und waren uns in Jugendcliquen damals mehrfach über den Weg gelaufen.“

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Auch Günther Sigl erinnert sich noch gut an 1980 zurück: „Rolf Ditting hieß der Mann, der uns damals nach Markdorf vermittelt hat. Auch den zweiten Auftritt 1982 bei einem Tennisplatz oberhalb der Stadt. Aber dann war ja mit unserem Erfolg auch leider Schluss mit den Club-Auftritten, wir wurden dann über die großen Agenturen wie Mama Concerts gebucht.“

Am 28. Mai gibt es ein Wiedersehen auf dem Marktplatz

Ein erneutes Wiedersehen in Markdorf wird es für alle nun am Samstag, 28. Mai, geben, wenn die Spider Murphy Gang beim Markdorf Open Air auf dem Marktplatz auftritt. 41 Jahre, nachdem der Legende nach eine Markdorfer Telefonnummer die Grundlage für einen Nummer-1-Hit geschaffen haben soll. Und selbst wenn es am Ende doch nicht so gewesen sein sollte: Die „G‘schicht“ ist einfach gut!