Der Hals von Dr. Edith Kettner kratzt zurzeit schneller und stärker als sonst. Das hat jedoch nichts mit einer Corona-Infektion zu tun, sondern kommt vom vielen Sprechen mit Maske. Zu ihr kommen vor allem Menschen, die viel Gesprächsbedarf haben. „Die Patienten haben Angst. Sie bekommen Panik und Ältere kommen erst später in die Praxis, weil sie zu lange warten“, sagt Kettner, Fachärztin für Allgemeinmedizin. Sie betreibt die Praxisgemeinschaft mit Dr. Grieb und Dr. Kessler im Ärztehaus in der Bahnhofstraße.

Corona-Tests am Fenster
Besonders auffällig sei, dass die Menschen aggressiver und ungeduldig sind und der Lärmpegel am Empfang für die Mitarbeiterinnen eine Belastung darstelle, berichtet Edith Kenntner. Bisher hat Kettner in ihrer Praxis drei Coronafälle behandelt. „Diese waren zum Glück gut händelbar und keiner musste ins Krankenhaus“, schildert die Allgemeinärztin. Corona-Tests werden draußen vor der Praxis an einem Fenster ausgeführt und ins Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Labor Ravensburg geschickt. So müssen die Patienten nicht die Praxis betreten und die Infektionsgefahr für andere Patienten wird minimiert.
Zusätzlich findet täglich, fast immer zwei Mal, eine Infektionssprechstunde vormittags und abends statt. Dafür sind telefonische Voranmeldungen zwingend erforderlich. Denn der Aufwand für solche Sprechstunden ist groß: „Ich ziehe eine Schutzkleidung von oben bis unten an. Vor allem bei Hausbesuchen ist diese Kleidung anstrengend, da das Material nicht atmet“, erzählt Kettner.
Psychische Belastung macht Kettner Sorge
Angst, sich mit dem Coronavirus anzustecken, hat Kettner nicht. „Wenn man sich an alle Vorkehrungen hält, fühle ich mich sicher.“ Viel mehr Sorge bereite ihr die psychische Belastung für die Menschen, da viele nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Neben der psychischen Belastung fürchtet Kettner den Herbst, denn die Infektanfälligkeit steige und Corona sei im Gegensatz zur Influenza nicht saisonal begrenzt. „Das macht mir Sorge“, sagt sie.
Grippeschutzimpfung als Vorsorge
Um daher den Herbst möglichst gut zu überstehen, erinnert Allgemeinmedizinerin Dr. Iris Scheller in ihrer Praxis in Bermatingen vor allem ihre Risikopatienten an die Grippeschutzimpfung. Wie Kettner bietet sie in ihrer Praxis eine Infektionssprechstunde an, allerdings nicht während der Sprechstunde, sondern danach. Dadurch sind ihre Arbeitstage länger. Sie betont: „Wir machen alles, was wir tun können und sind nicht leichtsinnig. Der Rest ist Schicksal.“
Geringe Ansteckungsgefahr in Praxen
Damit sich in den Praxen keiner ansteckt, gelten nicht nur beim Hausarzt, sondern auch beim Zahnarzt extrem hohe Hygienevorschriften. Daher hält es Zahnarzt Dr. Martin Müllauer, der in der Zahnärztlichen Partnerschaft Markdorf praktiziert, eher für unwahrscheinlich, sich mit dem Coronavirus in Arztpraxen anzustecken. „Ich denke bezüglich Desinfektion und Belüftung ist es in unserer Praxis sicherer als im Restaurant, an der Tankstelle oder bei der PIN-Eingabe beim Bezahlen in Geschäften. Es gibt auch laut aktualisierter WHO-Empfehlung keinen Grund, die Praxen wegen der aktuellen Corona-Situation nicht aufzusuchen“, meint Müllauer.

Desinfizieren hat oberste Priorität
Für die Sicherheit in der Praxis sorgt eine lange Liste an Hygienemaßnahmen: Das Desinfizieren von Türgriffen und Oberflächen im 30-Minuten-Takt, eine spezielle Mundlösung, mit der das Übertragungsrisiko gesenkt werken kann und die Überprüfung der Sterilisation der Instrumente anhand eines Computersystems sind nur ein paar der erforderlichen Maßnahmen.

„Bezüglich des Infektionsrisikos halten wir Zahnärzte unseren Kopf hin, um unseren Patienten medizinisch notwendige Behandlungen anbieten zu können“, sagt Müllauer. Gute Mundgesundheit sei im Zusammenhang mit Corona wichtig: „Es wurde nachgewiesen, dass der Krankheitsverlauf einer Covid-19-Infektion mit bestehender Parodontitis oft schwerer ist.“ Daher seien Vorsorgetermine wichtig. Laut Müllauer haben er und seine Kollegen es nur in wenigen Einzelfällen erlebt, dass Patienten wegen weniger Einkommen durch Kurzarbeit Behandlungen verschoben haben.

Müllauer entwirft Konstruktion aus Maske und Visier
Um sich bestmöglich zu schützen, trägt Müllauer bei der Behandlung zusätzlich zur FFP2-Maske und Schutzbrille auch ein Visier. „Die Konstruktion habe ich selber entworfen. Mit der FFP2-Maske bekommt man erschwert Luft. Das ist für uns alle sehr anstrengend“, betont der Zahnarzt.
