Einsam zuhause am Rechner statt gemeinsam mit den Klassenkameraden in der Schule: Auch für die Schüler in Markdorf ist das bereits schon seit mehr als sechs Wochen andauernde Home-Schooling eine gewaltige Herausforderung – anfangs noch hauptsächlich schulorganisatorisch, inzwischen auch mental. Davon weiß auch Claudia Maginot ein Lied zu singen: Sie ist am Gymnasium des Bildungszentrums (BZM) Markdorf Klassenlehrerin der 9d, in der sie das Fach Deutsch unterrichtet.
Zeitungsprojekt zum ersten Mal digital
Claudia Maginot ist abseits davon auch interessierte Zeitungsleserin und als solche in der Markdorfer Redaktion des SÜDKURIER längst schon keine Unbekannte mehr: Mehrfach hatte sie mit verschiedenen Schulklassen in den vergangenen Jahren am „Klasse!“-Projekt des SÜDKURIER teilgenommen, dem Zeitungsprojekt des Medienhauses für die weiterführenden Schulen.

Auch im Januar stand wieder einmal „Klasse!“ auf dem Programm ihrer Klasse – diesmal aber in Form einer besonderen Herausforderung: Erstmals musste sie mit ihren Schülern das Zeitungsprojekt komplett auf digitalem Wege abwickeln, sie an ihrem Rechner zuhause, ihre Schüler an ihren in den Familien.
Ein Politik-Artikel zum Lockdown als Anstoß
Die spannende Frage anfangs lautete „wie kann ich einsteigen?“, berichtet Maginot. Im Deutschunterricht ging es um das Thema Argumentieren. Rede, Gegenrede, Begründungen zusammenführen und am Ende das eigene Urteil fällen. „Die Schüler sollten dabei auch selbst Argumente für eine Ausgangssperre sammeln“, berichtet Maginot.

Denn Argumente gegen eine Ausgangssperre hatte ihnen der SÜDKURIER bereits zugeliefert: In einem Artikel am 7. Januar hatte Politikredakteur Dominik Dose fünf Gründe gegen diesen Grundrechtseingriff während des harten Lockdowns aufgeführt und argumentativ aufgefächert. Dieser Artikel war dann die Grundlage für die Neuntklässler, nun selbst das Thema Argumentieren anzugehen – mit möglichst vielen Beispielen, die die nächtliche Ausgangssperre rechtfertigen.
Wie betroffen fühlen sich die Jugendlichen tatsächlich?
Das war aber erst die Fingerübung. Denn danach ging es für die Jugendlichen um ihre eigenen Betroffenheiten: Wie steht ihr zu den aktuellen Beschränkungen? Inwiefern seid ihr persönlich von den Maßnahmen betroffen? Und was würdet ihr als Politiker eventuell anders machen? Dies seien die Fragen gewesen, die die Jugendlichen in schriftlichen Ausführungen für sich beantworten sollten.
„Ich fand es absolut erstaunlich, wie offen sich die Schüler geäußert haben“, berichtet Maginot. Manche hätten sich eher weniger betroffen gefühlt, andere hingegen „mit ihren kleinen Geschwistern regelrecht eingesperrt“.
Lehrerin Maginot: Beeindruckende Texte der Schüler
Positiv überrascht sei sie gewesen, wie reflektiert die 14- bis 15-Jährigen mit ihrer derzeitigen Situation umgingen. „Für mich war es beeindruckend, wie manche Jugendlichen doch schon eine Verantwortung gegenüber den älteren Mitbürgern an den Tag legen“, erzählt die Lehrerin. Umso mehr, da für viele Jugendliche das Internet heutzutage das Hauptinformationsmedium sei. „Nun hatten sie während des Projektes, für das wir ja nicht mit der gedruckten Zeitung arbeiten konnten, den Zwang, jeden Tag auf SK-online zu schauen, und das haben sie durchweg auch gemacht“, freut sich Maginot.

Einige Beispiele von Schülertexten hat die Gymnasiallehrerin der Redaktion weitergegeben, mit dem Einverständnis der Jugendlichen. Aus den dortigen Aussagen lässt sich tatsächlich sehr gut herauslesen, was die Jugendlichen aktuell bewegt und wie sie ihre Situation des isolierten Lernens und Lebens derzeit empfinden.
Elizabeta: „Ich habe das Gefühl, wertvolle Jahre zu verlieren“
Elizabeta Simoni: „Mich belasten die Einschränkungen sehr. Ich fühl‘ mich, als ob ich eingesperrt wäre, und das geht schon seit fast einem Jahr so. Ich verstehe, dass das nur deswegen so ist, damit sich nicht so viele Menschen infizieren, und ganz ehrlich, würde ich eine Politikerin sein, würde ich nichts anders machen. Mir ist das Wohl der anderen wichtig, schließlich sind wir in einer sehr ernsten und schwierigen Situation, in der es um Menschenleben geht.
Am meisten belastet mich der ganze Fernunterricht. Ich muss so viele Sachen an verschiedene Lehrer schicken und habe Angst, etwas zu vergessen. Meine größte Angst ist aber, alles falsch zu machen und schlechte Noten zu bekommen. Mittlerweile hab ich mich daran gewöhnt, mich fast gar nicht mit meinen Freunden zu treffen, da ich wenigstens mit ihnen telefonieren und so den Kontakt halten kann, aber trotzdem hab ich das Gefühl, dass ich wertvolle Jahre verloren habe.“
Leonie: „Die Pferde sind mein größtes Glück“
Leonie Hack: „Die Pferde sind zur Zeit mein größtes Glück, so komme ich jeden Tag an die frische Luft. Bei drei eigenen und zwei Pflegepferden haben wir im Moment genug zu tun und meine Mutter und ich sind täglich zwei bis vier Stunden im Stall. Die Pferde und die Zeit am Stall helfen mir sehr durchzuhalten.

Alle unsere Lehrer(innen) bemühen sich zwar sehr, den Onlineunterricht gut zu gestalten, aber für mich persönlich ist es viel stressiger als normale Schule. Den ganzen Morgen mit Kopfhörer dazusitzen und hauptsächlich nur zuzuhören, strengt mich psychisch sehr an, sodass ich mittags am liebsten einfach nur ins Bett gehen würde. Grundsätzlich finde ich die ganzen Einschränkungen gerechtfertigt, da es jetzt nicht um die Bedürfnisse des Einzelnen geht, sondern darum, so viele Menschen wie möglich vor Ansteckung zu schützen. Man muss sich jetzt mehr um die Schwächeren kümmern, die an den Folgen auch sterben könnten. Dafür bin ich bereit, daheim zu bleiben!“
Emelie: „Ich hätte mir mehr von der Politik erhofft“
Emelie Streif: „Unter anderem hat das Virus die Schule sehr viel schwieriger gemacht, sodass bei mir die Noten extrem runtergezogen wurden, und jetzt ist es so, dass, egal wie viel man fur die Schule macht, es wird immer ein Nachteil bleiben, und wenn dann noch manche Lehrer es einem noch schwerer machen, hat man verloren. Durch die zahlreichen Beschrankungen fallen Events aus, wie die Fasnet, was meiner Meinung nach das Beste am ganzen Jahr ist, und es macht mich traurig, dass es dieses Jahr ausfallen wird.
Meines Erachtens werden die Menschenrechte ein wenig eingeschrankt, dies sieht man vor allem an der Tatsache, dass man kaum sozialen Kontakt haben kann. Ein außerdem heiß diskutiertes Thema ist, dass nur eine Person eines anderen Haushaltes zu einem darf. Meine Eltern sind geschieden und mein Bruder und ich durfen laut dem aktuellen Stand nicht zusammen zu unserem Vater gehen, was ich sehr unfair finde. Ich hatte mir in der Zeit deutlich mehr von der Politik hier in Deutschland erhofft.“
Jürgen: „In Ordnung, wenn dadurch die Infektionsrate sinkt“
Jürgen Möhrle: „Mich belastet dies nicht so sehr, da ich noch raus darf und auch noch ein paar Hobbys wie Joggen oder so weiter führen kann. Natürlich ist es nicht so toll, seine Freunde nicht treffen zu können oder nicht mehr in den Urlaub oder ins Restaurant zu können, aber dies sind Dinge, die nicht lebensnotwendig sind, und durch diese Einschränkungen lernt man vielleicht auch nach dem Lockdown, diese Dinge viel mehr wertzuschätzen.

Corona hat auch meinen Lebensalltag verändert, da ich keinen Fußball oder keine Musikprobe habe und meine Freunde in der Schule nicht sehen kann, aber darauf kann ich mich jetzt umso mehr freuen. Ich finde auch, dass es völlig in Ordnung ist, wenn dadurch die Infektionsrate sinkt. Als Politiker würde ich allerdings nicht alle Restaurants und Clubs zu machen, da viele sehr viel Geld in Luftverbesserungsmaschinen gesteckt haben oder auch ein gutes Konzept haben, um Kontakte zu vermeiden.“