Positive Rückmeldungen gab es aus dem Gemeinderat für den Bericht aus dem Mehrgenerationenhaus (MGH): Renate Hold, neben Christin Jungblut Leiterin des MGH, und Angela Pittermann, die Vorsitzende des Trägervereins Familienforum, hatten einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen in dem sozialen Treffpunkt gegeben. Die aktuellen Krisen – Pandemie, Inflation, Ukrainekrieg –, aber auch die zunehmende Altersarmut seien längst in der Spitalstraße angekommen.
Ein „Wintertaler“ gegen die Altersarmut
Nicht wenige der insgesamt 108 Angebote im MGH seien die direkte Reaktion auf die immer schwieriger werdende Situation zahlreicher Familien in und um Markdorf, erklärte Hold. Sie nannte den „Markdorfer Wintertaler“ als Beispiel: „Menschen über 65 und mit einem Einkommen unter 1000 Euro dürfen sich bei uns eine finanzielle Spende abholen.“ Diese zunächst auf die Wintermonate beschränkte Hilfe sei möglich, weil das MGH, die beiden großen Kirchen und die Tafel zusammenarbeiteten und sie dabei auch von der Josef-Wagner-Stiftung unterstützt würden, erläuterte Hold. Auch hier, beim Versuch die Folgen der Altersarmut abzufedern, leite der Grundgedanke einer „Umverteilung“. Die sorgende Gemeinschaft stelle Geldmittel bereit, um Armut zu lindern.

Wenn der Mittelstand verarmt
„Die Armut ist längst im Mittelstand angekommen“, berichtete die MGH-Leiterin. Und immer geringer werde die Scheu, über finanzielle Notlagen zu sprechen. Etwa, wenn junge Eltern erklären, dass sie mehr arbeiten müssen, weil ihnen sonst die Baukosten davonlaufen. Die Folge fürs MGH: Immer weniger Mütter und Väter können die Elternbeteiligung der MGH-Kinderbetreuung mittragen, weshalb das MGH nun auf Mitarbeiter angewiesen ist.
Netzwerke gegen die Isolation
Andererseits beobachte sie, dass insbesondere Ältere sich ihrer Notlagen schämten. Hier sei die Zusammenarbeit mit den Kirchen und mit anderen Hilfsgruppen in der Stadt sehr hilfreich. Und immer wieder zeige sich, „wie gut in Markdorf die Netzwerke funktionieren“.
Die Sozialpädagogin blickte aber auch auf die größeren Zusammenhänge. Sie zog die Linie von der Armut der Einzelnen hin zur Gesellschaft. Kein Geld, keine Teilhabe, schleichende soziale Ausgrenzung, Einsamkeit, nannte sie die möglichen Zusammenhänge. „Gerade haben wir an den Berliner Silvesterereignissen gesehen, wohin das führen kann, wenn sich Menschen nicht mehr in die Gesellschaft eingebunden fühlen.“ Dies nähre extreme Kräfte und zehre an der Demokratie.

Im Mehrgenerationenhaus bemühe man sich deshalb, Menschen buchstäblich abzuholen. Mit Anreizen wie Kinderbetreuung, Secondhand-Kleidung und günstigen Laptops, aber auch mit Kursangeboten. Dank der Förderung des Landes können zum Beispiel Migranten ins „Dabei“-Programm eingeladen werden. Hier lernen sie Sprache ebenso wie Kultur und Demokratieverständnis in ihrer neuen Heimat.
Personelle und räumliche Grenzen
„Sie sehen, wir sind ein Seismograph für gesellschaftliche Entwicklungen“, wandte sich Renate Hold an den Gemeinderat. Eine Anlaufstelle für alle, die inzwischen jedoch an ihre personellen wie auch räumlichen Kapazitätsgrenzen stoße. „Wir arbeiten zu viert in einem 20-Quadratmeter-Büro.“ Das Haus sei wochentags von morgens bis abends belegt. Ein solch breites Angebot, berichtete Angela Pittermann, sei ohne die Unterstützung von rund 250 bürgerschaftlich Engagierten nicht möglich.
„Diese Zahlen hauen mich um“, staunte Bürgermeister Georg Riedmann über die knapp 28 000 Stunden ehrenamtlich geleistete Arbeit im Jahr. Susanne Deiters Wälischmiller zeigte sich ebenfalls beeindruckt, auch über die Fähigkeit der beiden MGH-Leiterinnen, Mitarbeiter und Ehrenamtliche zu motivieren.

„Die Personalbesetzung im MGH ist ein Glücksfall für Markdorf“, sagte Kerstin Mock, Fraktionsvorsitzende der CDU. „So schnell auf neue Situationen zu reagieren und sich alle vier Wochen etwas Neues auszudenken und neue Angebote zu entwickeln“, das zeuge von immensem Engagement.