Es geht aufwärts – scheinbar endlos. Die gemalte Treppe auf dem Bild im Obergeschoss der Stadtgalerie verliert sich in den Wolken. Auf ihren Stufen wechseln sich kräftige Gelb- mit Rottönen ab. Insgesamt wirkt alles sehr freundlich. Vielleicht ist das Rot des Bodens ein bisschen zu lodernd. Der Pinselstrich erinnert beunruhigend an züngelnde Flamme, an Gefahr. Immerhin: Am rechten Rand der Treppen gibt ein massives Geländer ein gutes Stück weit Halt. Erst später – etliche Stufen später – muss der weitere Anstieg ungesichert – ohne Handlauf erfolgen.

Was mit markantem Pinselstrich ausgeführt ist, könnte gleich in mehrfacher Hinsicht Sinnbild sein. Fürs Aufwärtsgehen, für eine positive Entwicklung. Aber auch für den hilfreichen Halt. Und ebensolchen Halt soll das Malen bieten. Das Malen, das den Frauen und deren Kindern im Ravensburger Frauenhaus als Weg dient, ihre Gefühle auszudrücken. Wobei die Palette der gemalten Emotionen sehr breit ist. Sie reicht von der schmerz- und wutverzerrten Fratze bis hin zur mit rosa Tupfen umgebenen Herz- und Blümchen-Skizze, auf der sich der Satz „I love you“ findet. Zu sehen sind die Bilder der Frauen und Kinder vom heutigen Vernissage-Abend an noch bis zum 6. April in der Stadtgalerie, Ulrichstraße 5.

Opfer von häuslicher Gewalt

Roswitha Elben-Zwirner erläutert die Idee des „begleiteten Malens“. Sie leitet das Frauenhaus. Indem den dort Unterschlupf findenden Frauen – allesamt Opfer häuslicher Gewalt – durchs „begleitete Ausdrucksmalen“ ein Weg gewiesen wird, „ihre Gefühle auszudrücken – und das ganz jenseits der Sprache“. Wo Worte oftmals versagen, zeigt der Pinsel, was aufzuarbeiten ist.

Spuren der Gewalt?
Spuren der Gewalt? | Bild: Jörg Büsche

Zum Ausdruck kommt indes mehr als nur Verzweiflung, wie die Bilder von rund 20 Frauen und zehn Kindernzeigen. Neben dunklen, bedrückenden Motiven hängen auch fröhliche Szenen. Vieles allerdings ist uneindeutig. Etwa das bunte Gesicht, auf das Bernhard Oßwald, der Vorsitzende des Kunstvereins, weist, als er zusammen mit seiner Schwester, Roswitha Elben-Zwirner, und Susanne Elsner-Dörr, Mitbetreuerin der Ausstellung, durch die Galerieräume führt. „Die Augen blicken starr, auf dem Mund steht kein Lächeln“, bemerkt Oßwald. Auf dem Malgrund kontrastiert das warme Rot von Hintergrund und Körper mit dem kühlen Blau und Violett-Tönen des so ernst dreinschauenden Gesichts.

Ein Frauenkopf aus der aktuellen Ausstellung „Spuren“ in der Stadtgalerie.
Ein Frauenkopf aus der aktuellen Ausstellung „Spuren“ in der Stadtgalerie. | Bild: Jörg Büsche

„Die Bilder haben uns tief berührt“, erinnert sich Bernhard Oßwald an seine Eindrücke von der Jubiläumsausstellung zum 40-jährigen Bestehen des Ravensburger Frauenhauses. „40 Jahre Frauen und Kinder in Not e. V.“ lautete der Titel der Präsentation von Bildern, die geschlagene oder auf andere Weise gedemütigte Frauen und Kinder in der Obhut des Frauenhauses gemalt hatten. Es brauchte keine Überzeugungsarbeit, um den Vorstand des Kunstvereins für eine Ausstellung mit Arbeiten aus dem Frauenhaus zu gewinnen. „Spuren“ heißt sie.

Ein Landschaftsbild aus der Ausstellung „Spuren“.
Ein Landschaftsbild aus der Ausstellung „Spuren“. | Bild: Jörg Büsche

Spuren der Gewalt weist die Ausstellung indes eher wenige auf. „Wir haben aber auch einige düstere Bilder ausgesucht“, erklärt Roswitha Elben-Zwirner. Und das ganz bewusst – haben die tödlichen Schüsse auf eine 44-Jährige in Markdorf doch gezeigt, wie bedrohlich Beziehungskonflikte für Frauen oftmals sind. „Leider begegnen uns solche Verbrechen immer wieder“, berichtet Roswitha Elben-Zwirner. Und auch das Opfer aus Markdorf habe vor einigen Monaten im Ravensburger Frauenhaus um Schutz gebeten – sich dann aber nicht mehr gemeldet, erzählt Elben-Zwirner.