Blauer Himmel und knapp 30 Grad, obwohl es schon fast 19 Uhr ist. Es ist kein Ort irgendwo in Südeuropa, sondern der Wanderparkplatz Vogelsang in Möggenweiler. Hier trifft sich eine Gruppe von Interessierten zum "Waldbaden".
In Begleitung der Kursleiterin Cornelia Rick unternehmen die Teilnehmer mit großer Achtsamkeit einen Abendspaziergang durch den Wald. Vorbei an vollhängenden Brombeerranken, Haselnussbüschen und süßlich riechenden Zwergholunder geht es unter Grillenzirpen und Schnakengesumme im langsamen, bedachten Schritttempo tiefer in den Wald am Gehrenberg.

Schon nach der ersten Viertelstunde wird das Eintauchen eines jeden Einzelnen in die Gruppe und in den Wald spürbar. Jeder kann seinen Tag Revue passieren lassen und versuchen alles Erlebte, ob gut oder nicht so gut, anzulächeln und einfach stehen zu lassen.
Konzentration auf die Atmung
Vertieft wird dieses Gefühl an einer Lichtung unter Laubbäumen, in der man sich mit geschlossenen Augen bewusst auf seine Atmung konzentriert, während Cornelia Rick ein paar Zeilen aus "Momo" von Michael Ende vorliest.

Die Achtsamkeit für sich selbst in Verbindung mit der Natur wird so erlebbar gemacht und durch das Knirschen des unter sich nachgebenden Waldbodens bei jedem Schritt intensiviert.
Angela Klein, selbst als Naturpädagogin im Kreis Konstanz tätig, berichtet, dass die Menschen durch den vermehrten Medienkonsum sowie dem Ausbau von Arbeitsplätzen in Industrie und Büro, viel weniger in der Natur seien als noch vor 40 Jahren. "Durch das Waldbaden haben wir die Möglichkeit mit viel Muße wieder in den Dialog mit der Natur zu treten", so Klein.
Suche nach einem Ruheplatz
Mit einem Sitzkissen in der Hand wird ein Ruheplatz gesucht. Für eine halbe Stunde kann mit einem Handspiegel die Natur, den Lichteinfall und die Farben des Waldes beobachtet werden. Gerd Schlewek probiert aus, wie es sich anfühlt, wenn man Richtung Boden schaut und durch den Spiegel die Baumkronen betrachtet. "So etwa sieht wahrscheinlich ein Bergsteiger durch seine Prismenbrille beim Klettern, wenn er die Sicherungsleinen setzt", beschreibt der Ostracher den "Aha-Effekt".

Mit einem Gong ruft Cornelia Rick ihre Teilnehmer wieder zusammen und ermuntert sie dazu, sich bei jedem Blick, der unterschiedlichen Grüntöne des Waldes bewusst zu werden. Mit einem geschärften Auge lassen sich alle "Waldbader" auf eine Partnerübung ein.
Partnerübung schärft Sinne
Dabei sucht ein Partner ein schönes Detail am Wegesrand, der andere stellt die Kamera dar und wird mit geschlossenen Augen zum Objekt geführt und mit Bewegungen so ausgerichtet, dass er beim Öffnen der Augen direkt durchs "Objektiv" (durchs eigene Auge) auf das ausgesuchte Detail fokussiert ist.

Durch Loslassen und Vertrauen, sich "blind" von einer fremden Person durch den Wald führen zu lassen, über unbekanntes Terrain, mit ungewöhnlichen Geräuschen, um dann mit all den gespürten Eindrücken sich vom Objekt überraschen zu lassen, darin liegt die Übung zur Achtsamkeit mit sich selbst und in der Natur.
Genuss von Lavendelwasser
Einen gewissen "Wow"-Effekt kann zum Abschluss, mit Blick über den Bodensee bis hin zu den Alpen, noch mit dem goldenen Fingertor erzielt werden und wird durch den Genuss von selbst gemachtem Lavendelwasser abgerundet.

Zum Entspannen, Runterzukommen, zu sich selbst zu finden und völlig absichtslos, aber achtsam den Wald zu betreten und ihn mit allen Sinnen wahrzunehmen, das konnten alle "Waldbader" in den Abendstunden selbst erfahren. Die Gruppe war sich einig, auch in Zukunft mit dieser Achtsamkeit durch die Natur zu laufen und in sich selbst die positiven Auswirkungen im eigenen Körper zu spüren.

Eintauchen in den Wald
- „Shinrin Yoko“ ist in Japan schon lange etabliert und als Heilmittel anerkannt, übersetzt bedeutet es „Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes“, das umgangssprachliche "Waldbaden". Sich dabei zu erholen, zu entspannen, bei sich selbst anzukommen im Zauber der Natur und das mit all seinen Sinnen, stehen im Mittelpunkt dieses achtsamen Spaziergangs durch den Wald.
- Kursleiterin für „Waldbaden – Achtsamkeit im Wald“ ist die Markdorferin Cornelia Rick, 46 Jahre alt, verheiratet, zwei Töchter (12 und 15 Jahre) Ganz ursprünglich war Baumexpertin "Connie", wie sie von allen genannt wird, viele Jahre als Wirtschaftsinformatikerin in Tettnang tätig. Die Ausbildung zum Waldbaden absolvierte sie im Taunus und hat zusätzlich noch den Abschluss der Freizeitimkerin und den der zweijährigen Heilpflanzenausbildung. Sie bietet neben dem Waldbaden auch regelmäßige Wildkräuter- und Baumspaziergänge in der Region an. (kol)