Freunde und Kenner der sinfonischen Blasmusik erwartet am kommenden Sonntag, 22. Oktober, ein ganz besonderes Ereignis. Tim Reynish, der Altmeister der Blasmusik aus England, wird in der Markdorfer Stadthalle die Stadtkapellen von Meersburg und Markdorf gemeinsam dirigieren – beim gemeinsamen Konzert mit Werken von Gustav Holst, Guy Woolfenden, Adam Gorb und Percy A. Grainger. Kompositionen, die zu den Leuchttürmen innerhalb der sinfonischen Blasmusik-Literatur zählen. Der in den einschlägigen Zeitschriften der Blasmusik-Szene bereits beschriebene Coup, die Dirigenten-Legende Tim Reynish an den Bodensee zu holen, gelang Marianne Halder und Reiner Hobe, den beiden Orchesterleitern in Meersburg und Markdorf. Beide waren einst Schüler Reynishs und ließen den Kontakt zu ihrem Lehrer nie abbrechen.

"Ich spreche nicht gut Deutsch", beginnt Reynish den Abend im Probensaal der Markdorfer Stadtkapelle. Der Dirigent fährt dann schon in seiner Muttersprache Englisch fort. Vor ihm sitzen die beiden Blasorchester aus Markdorf und Meersburg. Seit einem guten Monat treffen sie sich abwechselnd in Meersburg oder in Markdorf, um mit ihren Dirigenten die am Sonntag zu spielenden Stücke einzustudieren. Die Vorbereitung aufs Konzert, das hatte Reynish zu allererst erklärt, zogen sich über fast zwei Jahre. Das wundert nicht, denn Reynish ist ein vielbeschäftigter Mann, wie ein Blick auf seine Homepage verrät. Da reihen sich Auslandsauftritte weltweit. Unter Tim Reynish zu spielen, das gilt bei vielen Berufsorchestern als große Ehre.
Zu schätzen weiß man diese Gunst auch in den Stadtkapellen von Markdorf und Meersburg. Mancher sagte andere Verpflichtungen ab, andere verschoben ihren Urlaub. Musikerin Asisa Dilger ist sich sicher, "von Tim Reynish was zu lernen". Lernen, so ergänzt sie, würde man natürlich bei jedem Konzert beziehungsweise den dafür anstehenden Proben. Doch eilt Reynish der Ruf voraus, dass es ihm gelinge, immer noch eine Finesse mehr zu vermitteln als andere Meister ihres Fachs.

Der Dirigent kann sehr direkt sein. Missfällt ihm eine Phrase, winkt er sofort ab – mit einer brüsken Geste. Drastisch klingen auch die Kommentare. Was für den Laien beachtlich klingt, findet der Mann mit der grauen Strickjacke und dem Dirigierstab einfach nur langweilig. Sein Rat: "Lassen Sie sich Zeit beim Lauterwerden!" – "Spielen Sie mit Lücken" – offenbar klingt in Reynishs Ohren nichts schlimmer als verschliffene Bläserpartien. Ihnen fehle alle Dynamik. Jene Dynamik, die Reynish versprüht, wenn er mit dem Taktstock in die Register zielt. Energisch und mit vibrierende Energie pumpt der ältere Herr mit dem grauen Buben-Schopf Kraft in die Posaunen. Und mit der selben Entschiedenheit – und Senatoren-Stimme, fordert er ein "Pianissimo!!" ein, wo dies angebracht ist.
Wer das Wechselspiel von Orchester und Dirigent verfolgt, begreift, was Marianne Halder meinte, als sie von ihrem bisher immer wieder verschobenen Projekt erzählte, ein Buch über den berühmten Dirigenten zu schreiben. Sein "It's all rubbish", alles tauge nichts, klinge zwar stets endgültig, wecke aber immer auch neue Energien. Es erzeuge ein fruchtbares Arbeitsklima, in dem gute Musik entstehe, außerdem viele Geschichten von der besonderen Wirkung eines Lehrers auf seine Schüler.
Beim Konzert wird es von diesen Geschichten keine zu hören geben. Dafür aber eine "wahnsinnig schöne Musik", verspricht Brigitte Waldenmaier, die Vorsitzende der Markdorfer Stadtkapelle. Sie sei gespannt, was Dirigenten-Legende Reynish aus den 80 Musikern herausholen wird, die um 17 Uhr unter seiner Leitung spielen.
Der Nachmittag beginnt um 14 Uhr mit einem Komponisten-Porträt. Kartenvorverkauf: Buchhandlung Wälischmiller, Friseur Reifsteck und Meersburg Tourismus.
Zur Person
Tim Reynish gilt als führender Dirigent für Blasorchester weltweit. Seit den 1980er Jahren entwickelt er maßgeblich die sinfonische Blasmusik. In den 1990er Jahren dirigierte er bekannte Berufsorchester in Europa, Nord- und Südamerika, außerdem in Asien. Dazu gehören Militärkapellen ebenso wie zivile Ensembles. Nach Studien in Cambridge, Birmingham dirigierte er in London und Amsterdam. Tim Reynish wurde vielfach mit wichtigen Preisen ausgezeichnet und gewann wichtige Wettbewerbe. Reynish dirigierte große Orchester wie das City of Birmingham Symphony Orchestra, das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra und das London Symphony Orchestra.
Zu seinem Repertoire zählen Opern ebenso wie Sinfonien von Brahms, Beethoven, Bruckner und Mahler. Unter anderem war Tim Reynish lange Jahre Professor am Royal Norther College of Manchester. Er leitete Dirigier- und Meisterkurse.