Der Chor der Musikfreunde Markdorf hat am Sonntag, dem vierten Advent, die ersten drei Kantaten des "Weihnachtsoratoriums" von Johann Sebastian Bach gesungen. Begleitet wurde er vom Barockorchester "La Banda" aus Augsburg. Und Uli Vollmer, der Dirigent des Musikfreunde-Chors, leitete die Aufführung in der St.-Nikolaus-Kirche, bei der Ina Weißbach (Sopran), Tobias Knaus (Altus), Tiago Pinheiro de Oliveira (Tenor) und Francesc Ortega Marti (Bass) die Solopartien gesungen haben. Das Publikum bedankte sich nach dem Konzert beim Dirigenten, beiden Solisten, dem Orchester und dem Chor mit stehenden Ovationen.

Die Musiker von "La Banda" nehmen Platz in der St.-Nikolaus-Kirche.
Die Musiker von "La Banda" nehmen Platz in der St.-Nikolaus-Kirche. | Bild: Jörg Büsche

Musikalischer und religiöser Genuss

"Herrscher des Himmels" hatten sie zu Beginn der dritten Kantate gesungen. "Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen." Ebenso hieß es im "Chorur da capo" am Ende dieses dritten großen Blocks. "Erhöre das Lallen." Aber wie um den Kontrast noch zusätzlich zu vergrößern, war da nur klare, deutliche, wohlverständliche Artikulation. Ganz so wie Bach es wohl als Selbstverständlichkeit gefordert hat von seinen Sängern. Galt ihm das Wort doch als Gegenstück zur Musik. Räumte er doch keinem von beiden Vorrang ein, sondern komponierte er doch stets so, dass beide gleichrangig nebeneinander stehen – gerade und ganz besonders in seinem Weihnachtsoratorium.

Was die Sänger, Solisten wie Chor, um so stärker verpflichtet – zu präziser Modulation, zu lautlicher Prägnanz. Und wiederum beide, der gut vorbereitete Chor wie auch die vier Solosänger, erfüllten die Bachschen Gebote – und bereiteten ihren Zuhörern mithin neben dem gefühlsbezogenen musikalischen auch einen wort-geleiteten geistigen beziehungsweise auch religiösen Genuss. Ganz so wie Bach es als Zweck seines Komponierens gesehen hat: "zur Ehre Gottes und zum Nutzen des Nächsten".

Tobias Knaus (Altus) übernimmt die Counter-Tenor-Partien.
Tobias Knaus (Altus) übernimmt die Counter-Tenor-Partien. | Bild: Jörg Büsche

Umfangreiche Vorbereitungen

Dass der Chor am Abend noch bei Stimme war, dass durfte der bezweifeln, der am Mittag in der St.-Nikolaus-Kirche vorbeigeschaut hat. "Wir werkeln hier seit Zwölf" erklärte Tilman Schaefer gegen 14 Uhr. Da stand es schon, das Konstrukt aus Podesten, Stangen, Streben, das den Stühlen und Bierbänken am Abend Halt geben musste, damit der Chor darauf stehen konnte in wirkungsvoller Staffelung. Angestrahlt von jenen Scheinwerfern, die gleichfalls an den gotischen Stützpfeilern von St. Nikolaus zu installieren waren. Und Stühle galt es schließlich auch noch zu tragen – den ganzen Weg von der Mittleren Kaplanei bis dorthin, wo die Streicher und Bläser des Barockorchesters am Abend ihren Platz finden sollten.

Das Barock-Orchester wird durch die Truhen-Orgel aus dem Senioren-Zentrum verstärkt.
Das Barock-Orchester wird durch die Truhen-Orgel aus dem Senioren-Zentrum verstärkt. | Bild: Jörg Büsche

Schmettern der Barock-Trompeten

"Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage." Alles Hasten, Schaffen scheint verflogen. Paukenwirbel und Schmettern der Barock-Trompeten überstrahlen alle Mühsal. Und scheinbar auch die stillen Zweifel – ob dieses große, dieses so reife Werk, das sich Bach so findig aus seinen eigenen Einfällen, aus seinem gesamten Oeuvre zusammengeklaubt hat, ob diese grandiose Komposition am Ende nicht doch überfordert?

Welche Wärme geht dort vom sonoren Cello-Bass-und Oboen-Gesang aus! Wohlig und anmutig das Hin-und-Her der fein verflochtenen Melodieführung. Berichtet der Evangelist, so scheint die Zeit, da sich alles begab mit einem Mal präsent. Mit ihr alle Zweifel vergessen. Und alles klingt wie selbstverständlich, so rein, so einfach. Solche Schlichtheit, Reinheit, Selbstverständlichkeit aber ist das Schwerste – dem Musikfreunde-Chor indes leicht aus den Kehlen fließend. Ja, so wie dieses "Wir singen dir in deinem Heer" muss es sich anhören. So tönen Engel, himmlische Chöre.

Begeistert applaudiert das Publikum in der St.-Nikolaus-Kirche.
Begeistert applaudiert das Publikum in der St.-Nikolaus-Kirche. | Bild: Jörg Büsche

Strahlend besungenes Morgenlicht

Ob jene auf der Treppe zum Kirchen-Portal Ausharrenden sich das erhofft hatten? Jene die im Vorverkauf leer ausgegangen waren und die auch an der Abendkasse schon kein Glück mehr hatten, doch trotzdem blieben. In der Hoffnung, dass jemand seine Karten in letzter Minute weiterverkaufen muss. Jene, die schließlich wider Erwarten doch noch ins Kirchen-Schiff durften. Vielleicht haben sie solchen Wohlklang erwartet. Überrascht haben dürfte sie gleichwohl der Gesamteindruck.

Uli Vollmer dirigiert die Aufführung des Bachschen Weihnachtsoratoriums.
Uli Vollmer dirigiert die Aufführung des Bachschen Weihnachtsoratoriums. | Bild: Jörg Büsche

Dieses vortrefflich abgestimmte Gegenüber von Solopartien und Chorgesang, dieses an die körperlich greifbare Innigkeit des Hohelieds reichende Inbrunst von "Nun wird mein liebster Bräutigam", die Counter-Tenor Tobias Knaus immer weiter steigerte. Oder diese nachgerade romantisch klingende Pastorale vor der Hirten-Begegnung, bei der das Barock-Orchester auf seinem alten Instrumentarium unerhörte Ursprünglichkeit erzauberte. Zu all dem passt die schöne Präzision des Chors. Der das in der zweiten Kantate besungene Morgenlicht so strahlend anbrechen lässt, dass man sich nach dem Konzert wundert, wieder in die abendliche Dunkelheit hinauszutreten.

Auch Dirigenten müssen beim Aufbau mithelfen, wenn die Musikfreunde auftreten. Hier hilft Uli Vollmer beim Stühle-Schleppen.
Auch Dirigenten müssen beim Aufbau mithelfen, wenn die Musikfreunde auftreten. Hier hilft Uli Vollmer beim Stühle-Schleppen. | Bild: Jörg Büsche