Die Tür eines Zimmers im oberen Stockwerk des Mehrgenerationenhauses (MGH) in der Spitalstraße öffnet sich. Der kleine Julian springt sofort auf und schnappt sich sein selbst gebautes Werk. Mit weit aufgerissenen Augen, einem breiten Lachen und mit vor Aufregung zittriger Stimme präsentiert der Neunjährige, worauf er so stolz ist: „Die Blume ist aus Holz und wenn ich den Knopf drücke, dann leuchtet sie.“
Julian ist eines von sechs Grundschulkindern, das an einem der drei Angebote im Rahmen des Projekts "Zukunft-Werkstatt-Gestalten" teilnimmt – dem "Handwerksführerschein". Am Ende der ersten Woche sollen die Kinder etwas in der Hand halten. Sich selbst belohnen mit einem Erfolgserlebnis. Daneben können Jugendliche im Alter von zehn bis 16 Jahren in einem weiteren Angebot eigene Skulpturen gestalten. Das dritte Modul spricht gezielt jugendliche Mädchen an, die sich am Bau einer Drohne versuchen.
Mit dem drei Jahren laufenden Projekt werden verschiedene Ferien- und Halbjahresangebote für Kinder realisiert. Möglich wurde die Umsetzung durch die Stiftung Kinderland und der Wiedeking-Stiftung. Diese lobten 40 000 Euro für Angebote aus, durch welche Kindern das Handwerk nahegebracht wird. „Wenige haben den Mut, etwas selbst zu machen“, sagt Renate Hold, die im Leitungsteam des Mehrgenerationenhauses ist. Auch fehle vielen Eltern die nötige Zeit, um ihren Kindern diese Fertigkeiten zu vermitteln. „Damit die Grundschüler trotzdem den Umgang mit Werkzeugen erlernen, wurde der Preis ausgeschrieben.“
Einrichtung lebt von Freiwilligen
Mit Blick in den Raum, wo die Kinder jeweils für sich und hoch konzentriert an einem Tisch arbeiten, scheint dies zu gelingen. Im Raum verteilt sind weitere sechs Personen. Neben Renate Hold sind es vier bürgerschaftlich Engagierte, darüber hinaus Angela Pittermann. Die 40-Jährige hat nun einen Mini-Job beim MGH. „Dies wurde erst möglich durch den Zuschlag der Stiftungen“, verdeutlich Hold. Weiteres Geld fließt in Materialien und Aufwandsentschädigungen.

Im Modul "Handwerksführerschein" werden den Kindern grundlegende Fertigkeiten beigebracht. Willy Schuster hat die Idee für hölzerne leuchtende Blume mitgebracht. „Wir wollten so viele handwerkliche Tätigkeiten wie möglich abdecken“, sagt der 64-Jährige. Insbesondere das Bohren und Löten erfordert eine Eins-zu-eins-Betreuung. „Beim Bohren stehen wir dahinter und haben permanent den Daumen auf dem Aus-Knopf“, beschreibt der Ingenieur.
Nach fünf Tagen hält jedes Kind seine fertige Blume in den Händen. Die Blüten wurden zunächst aufgemalt und mit einer Laubsäge ausgeschnitten, anschließend werden die Löcher für die Leuchtdioden gebohrt. Zum Abschluss ließen die Kinder beim Bemalen mit Acrylfarbe ihre Kreativität walten. Marius arbeitet noch mit Hochdruck und gibt sich sichtlich viel Mühe. Am Ende freut auch er sich und drückt mehrfach binnen kürzester Zeit auf den Lichtschalter seiner Holzblume: "Guck mal, meine Blume hat blaue Blüten und leuchtet grün."
Angebot auch während Schulzeit
Das Angebot findet nicht nur in den Ferien statt, sondern auch außerhalb der Ferien über mehrere Monate an einem bestimmten Wochentag. Jedes der drei Module wird mindestens zweimal im Jahr stattfinden. Elisa hat unterdessen besonderen Spaß am Nähen gefunden und zeigt mit Wohlgefallen ihre neue Tasche. „Ich habe zwar gedacht, dass mehr Mädchen mit dabei sind“, sagt die Neunjährige, die von fünf Jungs umgeben ist, „aber es macht trotzdem ganz viel Spaß und ich freue mich schon darauf, wenn es weitergeht“.

Weiter geht es für die sechsköpfige Gruppe in der Woche vor Ferienende. Dann steht ein gemeinschaftliches Projekt an. "Im Vordergrund steht dabei nicht die eigene Belohnung, sondern die öffentliche Wahrnehmung durch das selbst Geschaffene", verdeutlicht Renate Hold. Dabei bauen die Kinder Bienenhotels, die im Garten des Mehrgenerationenhauses installiert werden. Mit dabei sind dann keine strahlenden Blumen, aber sicher wieder strahlende Gesichter – von Kindern und Freiwilligen.
Das Projekt
Mit dem drei Jahre laufenden Projekt "Zukunft-Werkstatt-Gestalten" sollen Kinder und Jugendliche durch unterschiedliche Angebote etwas mit eigenen Händen gestalten. Und das ausdrücklich unabhängig vom gesellschaftlichen und familiären Hintergrund. Das Projekt umfasst drei Angebote, die währen der Ferien laufen, aber auch darüber hinaus an einem bestimmten Wochentag. Jedes Angebot wird mindestens zweimal im Jahr umgesetzt.
- Handwerksführerschein: Die Kinder erlernen Fertigkeiten wie bohren, flechten, hämmern, löten, nähen, sägen, schnitzen oder schrauben. Am Ende erhalten die Teilnehmer ihren Handwerksführerschein.
- Skulpturengarten: Über drei Jahre hinweg werden Skulpturen durch Teilnehmer im Alter von zehn bis 16 Jahren in Ferien- und Halbjahreskursen mit verschiedenen Werkstoffen kreieren.
- Mädchen-Technik-Lab: Dort können Mädchen im Alter von zehn bis 16 Jahren, jeweils in Kleingruppen in einem Zeitraum von einem halben Jahr, Erfahrungen im Umgang mit Motoren, Propellern und Akkus sammeln. Am Ende soll in Zusammenarbeit mit der Toolbox ein flugfähiger Copter entstehen.
- Interessierte können sich beim Mehrgenerationenhaus melden, Telefon: 07544/91 29 65, Email: info@mgh-markdorf.de. (che)