Eine Marke mit Biss. So lautete einst der Slogan für Markdorf. Fast zehn Jahre sei das nun her, erinnert Gerhard Behrendt, Ideengeber für die Stadtentwicklungspolitik der Markdorfer FDP. Jenes Marketing-Konzept, das Alexander Doderer, Hochschullehrer und Standort-Marketing-Fachmann aus Villingen-Schwenningen, im Auftrag der Stadt entwickelt hat.
Es fehlt an Visionen
„Damals wurden wichtige Meilensteine gesetzt“, sagt Behrendt. Die Wirtschaft, die sich seinerzeit gezielte Marketingleitsätze gegeben hat. Die Akteure des innerstädtischen Einzelhandels. Die Tourismus-Wirtschaft in der Ferienregion. „Wie ist dieser Entwicklungsprozess in den letzten Jahren verlaufen?“, fragt der FDPler. „Was ist erreicht worden? Wo müssen wir nachbessern in Markdorf?“
Der FDP-Politiker kritisiert: „Viele reden von Stadtentwicklung, aber wo es hingehen soll, das ist nicht zu sehen.“ Es fehle an Orientierung. Behrendt vermisst die großen Ziele. „Nennen Sie es ruhig Visionen“, sagt er. Er teile nicht die Auffassung vom ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt, derzufolge Menschen mit Visionen dringlichst zum Arzt gehen sollten.
Im Gegenteil: Nur wer Visionen habe, könne Anhaltspunkte für sein konkretes Handeln entwickeln. „Mein Eindruck ist, dass wir derzeit in Markdorf an vielen unterschiedlichen Stellen herumpuzzeln, ohne zu wissen, wie das fertige Gesamtbild aussehen soll.“ Und am Ende komme bestenfalls Stückwerk heraus, doch kein schlüssiges Konzept.
Für Behrendt zeigt die Nachbargemeinde Salem, dass es durchaus auch anders geht. Dort sei die Prokopf-Verschuldung niedriger als in Markdorf. Dort bestehe eine gute Einnahmesituation – dank fließender Gewerbeeinnahmen. „Und Salem ist es sogar gelungen, eine Bahnunterführung zu realisieren“, merkt Behrendt mit leicht sarkastischem Unterton an. Die aus insgesamt elf Teilorten bestehende Flächengemeinde offeriere interessante Gewerbeflächen.

Beim Gewerbe größer denken
Das Argument, Markdorf sei an seine räumlichen Grenzen gestoßen, will Gerhard Behrendt nicht gelten lassen. Er spricht erneut von mangelndem Mut zu Perspektiven. „Warum denken wir nicht größer?“, fragt er. „Warum denken wir nicht im Rahmen des bestehenden Gemeinde-Verwaltungsverbands?“
Im freiwilligen Zusammenschluss von Markdorf, Bermatingen, Oberteuringen und Deggenhausertal ließe sich mit ganz anderen Maßstäben operieren als bisher.„Wenn ich daran denke, dass Unternehmen wie ZIM, ein wirklich zukunftsträchtiger Betrieb, aus Markdorf fortgehen, weil sie keinen Platz für notwendige Erweiterungen bekommen, dann bin ich sprachlos“, sagt Behrendt.
Es ärgere ihn, wenn in leitenden Positionen der Stadtverwaltung nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um Unternehmen am Standort zu halten. Auch dass die lokale Wirtschaftsförderung inzwischen gewissermaßen in die Hände des Kreises delegiert worden sei, behagt Behrendt nicht.
Bürger müssen informiert werden
Unbehagen klingt auch an, wenn der FDP-Politiker von der städtischen Informationspolitik spricht. Die neue Transparenz im Rahmen der öffentlichen Rathaus- und Bischofsschloss-Diskussion sei anerkennenswert.
Trotzdem ist Behrendt skeptisch: „Beim ersten Mal kommen 200 zur Bürgerbeteiligung, beim zweiten Mal sind es nur noch 100 – und dann?“ Auch hier fehle es aus seiner Sicht an möglichen Zielvorstellungen. „Wir müssen doch wissen, was finanziell grundsätzlich möglich ist. Wie viel Geld habe ich, um wie zu handeln?“
Sehr viel komplexer als beim Budget des Häuslebauers gehe es im städtischen Haushalt nicht zu. Die Differenz machten in der Regel ein Paar Nullen aus – in Markdorf etwa drei. Streiche man die, lasse sich recht anschaulich rechnen. Zum Beispiel beim Projekt Grundschulerweiterung. In diesem Zusammenhang warnt Behrendt vor langen Verzögerungen. „Wenn ich eine neue Turnhalle brauche, dann sollte ich möglichst rasch eine bauen.“
Sofern mehr Bürgerbeteiligung in der kommunalpolitischen Entscheidungsfindung gewünscht wird, könnten laut Behrendt digitale Instrumente hilfreich sein. Etwa Bürger-Apps. „Was der Bürger braucht, sind doch Informationen über die Hintergründe, Instrumente für Bürgerbefragungen, Möglichkeiten, sich aktiv einzubringen und schließlich die Gelegenheit, den gesamten Dialog-Prozess zu bewerten.“
Berühmte Künstler sollen her
Für die Nutzung des Bischofsschlosses hat der Kommunalpolitiker eigene Ideen. So könne er sich ein städtisches Kulturzentrum vorstellen – mit Mediathek, Räumen für die Volkshochschule, die Musikschule, eventuell auch mit weiteren Ausstellungsräumen. „Warum gelingt es in den Nachbarstädten, die großen Namen wie Dali auszustellen, in Markdorf aber nicht?“

Die Kosten für ein solches Kulturzentrum seien sicherlich hoch. Doch spreche nichts dagegen, den Umbau in Etappen abzuwickeln. Wichtig sei, „dass man frühzeitig anfängt, um Teile des Schlosses auch wieder nutzen zu können“.
Handlungsbedarf erkennt Behrendt beim Rathaus. „Das fällt irgendwann zusammen, wenn man da nichts unternimmt“, sagt er. Es gelte, den Innenbereich neu zu gestalten. „Mir schwebt eine Ertüchtigung vor, keineswegs der Abriss“, erklärt Gerhard Behrendt. Unterhalb des Verwaltungsgebäudes plädiert Behrendt für Wohnraum. Mithilfe eines Investors könnten dort preisgünstige Wohnungen entstehen.
Und noch etwas ist Behrendt wichtig: „Wir brauchen wieder ein zentrales Hotel in Markdorf.“ Ein möglicher Standort sei das alte Schulhaus in Verbindung mit dem sich in städtischem Besitz befindenden „Adler“. Davor wünsche er sich ein bisschen mehr südliches Flair auf dem Marktplatz. Eventuell einen kleinen Markt, unter Umständen auch eine überdachte Markthalle.

Markdorf muss Grün bleiben
Sorgenvoll blickt Gerhard Behrendt auf die demografische Entwicklung. „Schon in rund zehn Jahren wird der Anteil der Senioren deutlich angestiegen sein“, sagt er. Es fehle aber bereits heute an Wohnraum für Ältere. „Wir brauchen außerdem mehr Pflegeplätze und mehr Pflegepersonal.“
Gleichfalls sorgenvoll blickt Behrendt auf die Grünflächen der Stadt. „Markdorf ist eine grüne Gemeinde. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen.“ Vorstellbar seien Baumpatenschaften, damit das städtische Grün die Trockenperioden besser übersteht. Schließlich wünscht sich der FDP-Politiker die Wiederoffenlegung des Ochsenbaches zwischen Bussenstraße und B 33.
Wasser und Grün betrachtet er als probates Mittel, den Auswirkungen des Klimawandels, das heißt dem Aufheizen der Innenstadt, wenigstens ein bisschen entgegenzuwirken.
Zur Person
Gerhardt Behrendt wurde im Jahr 1940 in Berlin-Charlottenburg geboren. Nach dem Besuch des humanistisch orientierten Canisius Collegs studierte er an der Technischen Universität Berlin Flugzeugtechnik. Danach arbeitete er als Ingenieur in der Hubschrauber-Konstruktion von Dornier. Seit 1968 lebt er mit seiner Familie am Bodensee, seit 1973 in Markdorf. Er hat zwei Kinder und zwei Enkel. Als Berater an der Seite von Rolf Haas, dem Vorsitzenden des FDP-Ortsverbands in Markdorf, bearbeitet er wichtige Themenfelder der Markdorfer Liberalen. Sein politisches Engagement begann übrigens in der CDU, für die er sich im EU-Wahlkampf eingesetzt hat.