Fingerspitzengefühl, Schnelligkeit und taktisches Denken – das sind drei Fähigkeiten, die ein Spieler des Online-Spiels Brawls Stars laut Erik Bravo Granström haben sollte. Der 17-jährige Markdorfer muss es wissen. Er gewann jüngst mit seinem italienischen Team Reply Totem den Weltmeistertitel im japanischen Chiba und wurde zum MVP – dem wertvollsten Spieler des Turniers – gewählt.
Ein paar Tage später sitzt Erik am heimischen Esstisch in Markdorf und versucht immer noch, das Erlebte zu verarbeiten. Dass er der beste von weltweit fast 100 Millionen Spielern ist, hat der 17-Jährige noch nicht wirklich realisiert. „Das ist schon verrückt, was da alles passiert ist“, sagt Erik, der am Bildungszentrum die elfte Klasse des Gymnasiums besucht.

Aus beim Fußball, Start beim Online-Gaming
Alles fing an, als sich der damals 15-Jährige schwer verletzte und nicht mehr beim SC Markdorf Fußball spielen konnte. Erik, der seit frühester Kindheit auch begeistert Schach spielt, suchte sich ein neues Hobby und wurde in dem Spiel fündig. „Es hat mich interessiert und ich war relativ gut drin“, sagt Erik, der unter dem Nicknamen „Joker“ spielt. Seine Eltern seien zunächst nicht sehr begeistert davon gewesen, dass der Sohn so viel Zeit am Handy verbringt. Doch als er mit 16 Jahren sein erstes Turnier spielt, direkt zu den besten fünf Spielern in Europa zählt und ein Preisgeld erhält, ist auch den Eltern bewusst, dass Erik ein besonderes Talent hat.

Team schlägt im Halbfinale den amtierenden Weltmeister
Der 17-Jährige, der sechs Sprachen spricht, spielt zunächst in einem französischen Team und wechselt im vergangenen Jahr ins Team Reply Totem. Hier steht er als Spieler unter Vertrag und bekommt ein monatliches Gehalt. Mit seinen Teamkollegen Maru und Maury, beide 19 Jahre alt, versteht er sich gut und die drei qualifizieren sich als eines von zwei europäischen Teams für die Weltmeisterschaft in Japan. Hier wird an zwei Tagen vor Publikum um den Titel gespielt. „Das war schon eine prächtige Kulisse“, erinnert sich Erik, der den Flug und die Unterkunft in einem 5-Sterne-Hotel bezahlt bekommt. Fans möchten Selfies mit dem 17-Jährigen machen und er gibt fleißig Autogramme.
Im Halbfinale muss sein Team, das nicht zu den Favoriten zählt, gegen den amtierenden Weltmeister antreten und gewinnt zur Überraschung vieler mit 3:1 – es werden maximal fünf Spiele gespielt. Im anschließenden Finale geht es gegen ein amerikanisches Team, es steht 2:2, als die Totems das letzte und entscheidende Set für sich gewinnen können. „Wir haben die besseren Charaktere ausgewählt“, verrät Erik das Geheimnis der Sieger. Und: „Wir können unter Druck einfach am besten spielen.“

Erik trainiert jeden Tag rund vier Stunden
In der Bestenliste liegt das Team derzeit „nur“ auf Platz 2 in Europa. Da möchten die Jungs nochmal richtig Gas geben, um an die Spitze zukommen. Erik trainiert jeden Tag rund vier Stunden. Er steht morgens gegen 6.30 Uhr auf, ist bis 16 Uhr in der Schule, anschließend widmet er sich bis zirka 20 Uhr dem Brawl-Spiel, danach wird noch für die Schule gelernt. Viel Zeit für andere Sachen bleibt da nicht.
Von seinem Team ist er entsprechend ausgestattet; Kleidung, ein spezieller Gaming-Stuhl und Fingerhüte gehören zur Ausrüstung. Die sogenannten „Finger Sleeves“ werden über die Finger gezogen und ermöglichen ein präziseres Spiel auf dem Touchscreen.

Ebenfalls wichtig: eine schnelle und zuverlässige Internetverbindung. Ohne Kabel geht es nicht, da darf nichts zusammenbrechen. In zwei Jahren macht Erik sein Abitur, das hat neben dem Gaming absolute Priorität, wie er selbst sagt. Auch wenn er den Weltmeistertitel bereits in der Tasche hat, gibt es weitere Ziele. „Ich bin sehr ehrgeizig und möchte immer gewinnen“, sagt Erik. Schließlich gilt es den Titel im kommenden Jahr zu verteidigen – für die Teilnahme muss sich das Team erneut qualifizieren.