Helmar Grupp

Darmstadt/Immenstaad – Ein großer Tag für die Raumfahrtexperten vom Bodensee, keine Frage: Die Spannung im Satellitenkontrollzentrum Esoc in Darmstadt, von wo aus die Sonde gesteuert wird, ist greifbar. Nach zwölf Jahren hat die Mission Rosetta ihre Zielgerade erreicht, die Sonde senkt sich am Freitag um die Mittagszeit in Schrittgeschwindigkeit herab auf den mehrere Kilometer großen Staub- und Geröllbrocken Churyumov-Gerasimenko, 570 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt in den Weiten des Weltalls. Zwei Jahre lang, von August 2014 an und nach zehn Jahren Reise durchs All, hat Rosetta „Chury“ begleitet, ihn vermessen, analysiert und fotografiert und auf dessen Oberfläche das Landegerät Philae ausgesetzt – ein Meilenstein nicht nur für die europäische, sondern für die globale Raumfahrt.

Das wissen auch die Experten von Airbus aus Immenstaad. Denn die Sonde ist ihr „Baby“ – entwickelt und gebaut von den Ingenieuren und Technikern vom Bodensee.

Der Mann der ersten Stunde ist Rainer Best. Seit Ende 2008 ist Best im Ruhestand, doch er hat als Projektleiter bei Airbus DS die Mission Rosetta auf den Weg gebracht, von der Bewerbung um den Zuschlag über Entwicklung und Bau, den Start im März 2004 in Kourou bis zu Rosettas vier ersten Reisejahren mit „Swing-by“-Manövern in Richtung des Kometen. Heute in Darmstadt ist Best glücklich. „Das war das herausforderndste und schönste Projekt in meinem Berufsleben“, sagt der drahtige Raumfahrtexperte: „Und ich bin froh, dass das solch eine erfolgreiche Mission war und sie nun mit der Landung auf dem Kometen auch ein würdiges Ende gefunden hat und die Sonde nicht einfach im All abgeschaltet werden musste.“

An die entscheidenden Wochen der Mission erinnert sich Best am Freitag in Darmstadt noch sehr gut zurück. Im September 2008 war es der Vorbeiflug am Kometen Steins, drei Jahre später das Versetzen der Sonde in den „Winterschlaf“ und das Wiedererwecken im August 2014. „Das Aufwecken der Sonde nach zweieinhalbjährigem Schlaf war ein riesiger Nervenkitzel“, sagt Best. Zu diesem Zeitpunkt hatte sein Nachfolger Gunther Lautenschläger bereits seit fünfeinhalb Jahren als Projektleiter die Verantwortung für die Mission bei Airbus, Best war Ende 2008 in den Ruhestand gegangen.

Ohne Neid bezeichnet Lautenschläger seinen Kollegen als den wegweisenden Projektleiter: „Rainer Best hat die Mission überhaupt erst zu einem Erfolg geführt. Er hat das gesamte Team für die Mission auf den Weg gebracht.“ Die vergangenen Tage seien dann noch einmal besonders spannend gewesen, sagt Lautenschläger. „Es waren knifflige Momente, mit der Sonde immer näher an den Kometen heranzufliegen. Unter 15000 Landmarken die richtige Navigation zu finden, war extrem schwierig. Deswegen sind wir nun am Ende dafür wieder drei bis vier Kilometer weiter weg von der Kometenoberfläche gegangen.“ Geklappt hat’s dann am Freitagmittag perfekt: Nach zentimeterweisem Landeanflug seit der Nacht war Rosetta um 13.29 Uhr MEZ sanft auf „Chury“ gelandet.

Stolz zeigt sich in Darmstadt auch Immenstaads Airbus-DS-Standortleiter Eckard Settelmeyer. „Ich glaube, dass man in Europa selten eine Mission gehabt hat, die so viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregt hat.“ Auch Settelmeyer verweist im Gespräch mit dem SÜDKURIER auf die großen Herausforderungen. „Die Dauer und die Präzision der Mission waren gewaltig.“ Für den Airbus-Standort in Immenstaad sind die Erfahrungen, die mit Rosetta gemacht wurden, immens wichtig, sagt Settelmeyer, denn: „Die operationelle Erfahrung bleibt im Team und wird weiteren künftigen Missionen zugute kommen.“ So etwa der Jupiter-Mission Juice, die derzeit entwickelt wird und in 2022 gestartet werden soll. Für Juice wird Airbus DS am See die Integration und die Tests verantworten.

Aber Settelmeyers Blick geht nun zuerst zur nächsten interplanetaren Mission: Als Hauptauftragnehmer der ESA hat Airbus Bepi-Colombo auf den Weg gebracht: Eine interplanetare Sonde, die ab 2018 den Merkur erforschen soll. Ähnliche Technik wie bei Rosetta, aber geradezu konträre Aufgaben: „Swing-by“-Manöver nicht zum Beschleunigen, sondern zum Abbremsen und statt der Konfrontation der sensiblen Technik mit eisiger Kälte dann mit der mörderischen Hitze der nahen Sonne. „Das ist unser nächstes spannendes Ziel“, freut sich Settelmeyer.

Michael Menking, oberster Satellitenchef bei Airbus, brachte es am Freitag direkt nach der Landung von Rosetta auf den Punkt. „Wir haben ein sehr gutes Raumfahrzeug gebaut“, sagte er stolz auf der Bühne des Präsentationssaals. „Mehr als 90 europäische Unternehmen aus 15 Ländern waren unter der industriellen Führung von Airbus erfolgreich – und viele Missionen in den vergangenen Jahren haben bereits von Rosetta profitiert“, sagte er. Höchstes Lob gab es für das Airbus-Rosetta-Team schließlich noch von der Konzernspitze. „Trauriges Ende der berühmten Rosetta-Sonde, aber eine sehr coole, faszinierende, unglaublich datenreiche Mission. Ein besonderes Lob für unser Raumfahrt-Team“, sagte Tom Enders, CEO der Airbus Group.