Den Bienenschutz nahm schon der Großvater ernst. Wenn er mit Arsen und Nikotin Schädlingen zu Leibe rückte, achtete er darauf, dass sich in der Anlage nichts Blühendes befand, auch kein Unkraut auf dem Seitenstreifen. Heute hält es sein Enkel Hubert Lehle, Obstbauer im Immenstaad, genauso. Wenn er ein Mittel spritzt, dass als bienengefährlich gilt, darf nichts die Bienen in die Nähe der Plantage locken. „Wir brauchen einander, wir hatten früher selbst Bienen“, sagt Lehle. Die Forderungen des Volksbegehrens „Pro Biene“ hält er für falsch. „Wenn man das Ziel Artenschutz im Auge hat, ist die Fokussierung auf Pflanzenschutzmittel nicht sinnvoll. Biodiversität und kleine Strukturen sind viel wichtiger als die Steigerung vom Bioanbau“, sagt er.

Ohne Pflanzenschutz würde die Ernte nicht so reichlich ausfallen, ist Hubert Lehle überzeugt.
Ohne Pflanzenschutz würde die Ernte nicht so reichlich ausfallen, ist Hubert Lehle überzeugt. | Bild: Corinna Raupach

Mit dem Thema befassen sich die Landwirte am Bodensee schon seit Jahren. Sie treffen sich regelmäßig mit Imkern im Landratsamt, eine Biodiversitätsbeauftragte vom Landwirtschaftsverband berät Betriebe, das Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee in Bavendorf forscht entsprechend. „Wir beteiligen uns am Dialogforum von NABU, Bodenseestiftung und Bauern zu dem Thema und wir sind stolz auf die Zusammenarbeit“, sagt Lehle. Die Bauern legen Blühstreifen an, bauen Insekten-Nisthilfen, pflegen Hecken, achten auf das Nebeneinander verschiedener Obstsorten und auf die Vernetzung von Biotopen. „Unsere Biodiversitätsmaßnahmen sind sehr erfolgreich. Das Wildbienenmonitoring vom NABU hat ergeben, dass es hier mehr Bienen gibt als vor zehn Jahren, auch mehr Wildbienen, darunter geschützte Arten“, sagt Lehle.

Obstbau ohne Pflanzenschutz funktioniert einfach nicht

Obstbau ohne Pflanzenschutz, wie ihn das Volksbegehren fordert, sei jedoch nicht möglich, sagt Lehle. Einer seiner Nachbarn habe in diesem Jahr auf die Bekämpfung des Apfelwicklers verzichtet. Die Larve dieses Falters bohrt sich in den jungen Apfel und zerfrisst ihn von innen. „Da liegen jetzt die Äpfel massenhaft am Boden“, sagt Lehle. Wenn er nicht schon im Frühjahr die ersten Spitzen der Apfelknospen gegen die Sporen des Schorfpilzes schützt, kann die ganze Plantage infiziert sein. Er nutzt spezialisierte Wetterdienste, da sich die Sporen nur bei Niederschlag verbreiten. „Der Schorf ist ein Pilz, er enthält Pilzgifte. Ist der ganze Apfel verschorft, sind die Gifte auch im Apfel“, sagt er. Einen verschorften Apfel kann er als Tafelobst gar nicht und als Mostobst – zu niedrigeren Preisen – nur bei geringem Befall verkaufen. Dabei muss sein Obst im Handel gegen Früchte aus Ländern mit niedrigeren Löhnen und niedrigeren Umweltstandards konkurrieren.

Obstbauer Hubert Lehle setzt auf den Dialog zwischen Bauern, Bürgern und Politik.
Obstbauer Hubert Lehle setzt auf den Dialog zwischen Bauern, Bürgern und Politik. | Bild: Bild: Corinna Raupach

Daher ist ihm auch der Ansatz im Eckpunktepapier der Landesregierung, Pestizide auf Dauer um die Hälfte zu senken, zu pauschal. „In der traditionellen Landwirtschaft sind die Mittel hochspezialisiert und wir achten darauf, nicht mehr auszubringen als nötig“, sagt er. Überhaupt sieht er das Eckpunktepapier skeptisch. „Es sieht so aus, dass das Ziel vorgegeben ist und wir den Weg dorthin begleiten können“, sagt er. Die Obstbauern plädieren für ergebnisoffene Gespräche aller Beteiligten zu Landwirtschaft und Naturschutz, aber auch zu Kaufverhalten, Weltmarkt, Flächenverbrauch und Forschung.

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Lehle hätte sich dem Volksbegehren gestellt. „Ich habe keine Angst vor direkter Demokratie, wenn sie zu einem echten Bürgerdialog führt“, sagt er. Er hat gute Erfahrungen in Gesprächen mit Gästen oder auf Diskussionsveranstaltungen gemacht und ist sicher, dass sich fachlich fundierte Argumente durchsetzen. „Wenn es so wäre, dass wir die Bürger nicht mehr informieren können, dann hätten wir ein grundlegendes Problem mit der Demokratie. Demokratie geht nur mit Wissen“, sagt er. Daher steht er hinter dem Volksantrag der landwirtschaftlichen Verbände: Es sammelt Unterschriften dafür, die heimische Landwirtschaft zu erhalten, Artenschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzugehen, mehr Forschung einzusetzen und es hat einen längeren Zeitraum im Blick. „Wir wollen an dem Thema dran bleiben“, betont Lehle.

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Volksantrag

Den Volksantrag „Gemeinsam unsere Umwelt schützen“ haben die landwirtschaftlichen Hauptverbände in Baden-Württemberg aufgelegt. Er fordert den flächendeckenden Erhalt der heimischen Landwirtschaft und die Einordung von Artenschutz und Erhalt der Biodiversität als gesamtgesellschaftliches Problem. Für die Landwirtschaft tritt er für weniger Verbote und mehr Forschung, eine fundierte Reduktionsstrategie beim Pflanzenschutz und die Förderung nachfrageorientierten Ökolandbaus ein. Er fordert die Landesregierung auf, auch die Verantwortlichkeit des Handels und den Flächenverbrauch zu adressieren. Bei 40 000 Unterschriften muss sich der Landtag mit dem Volksantrag auseinandersetzen. 

Der Antrag im Internet:
unter www.volksantrag-gemeinsam.de