Das Luft- und Raumfahrtunternehmen Airbus Defence and Space (DS) macht seinen deutschen Satellitenstandort Friedrichshafen fit für die Zukunft: Rund 43 Millionen Euro investiert das Unternehmen in ein neues Technologiezentrum im südöstlichen Bereich des Firmenareals in Immenstaad. Das "Integrated Technology Center" (ITC) wird direkt an das Gebäude mit dem bisherigen 800 Quadratmeter großen Reinraum angeschlossen, so dass künftig knapp 4000 Quadratmeter Reinraumfläche zur Verfügung stehen werden. In dem 20 Meter hohen und 70 Meter langen ITC wird die neue, 2100 Quadratmeter große Reinraumhalle das Herzstück sein, weitere 1000 Quadratmeter Reinraumfläche werden im oberen Gebäudebereich in den Seitenflügeln eingerichtet werden. Der Reinraum in Immenstaad ist quasi die Geburtsstation der Satelliten: Dort werden die Raumfahrzeuge von den Ingenieuren gebaut oder deren verschiedene Komponenten integriert. Dafür ist eine Luftqualität höchster Güte, nahezu ohne jegliche Verunreinigungen, nötig – deshalb der Begriff Reinraum.

Mit der Investition reagiere man bei Airbus auf die "sehr, sehr gute Auftragslage" in Immenstaad, sagte Standortleiter Eckard Settelmeyer am Donnerstag. In den zurückliegenden Jahren konnten mehrere ESA-Großaufträge gewonnen werden, die – wie etwa die drei Metop-SG-B-Wettersatelliten – teils weit in die 20er-Jahre reichen und den Standort am See mit einer langfristig hohen Grundauslastung ausstatten. Die Investition sei "ein starkes Bekenntnis von Airbus, die das Vertrauen zu unserem Standort unterstreicht", so Settelmeyer: "Damit werden wir zu einem globalen Gravitationszentrum des Satellitenbaus." 
Zugleich soll das Technologiezentrum auch die Chancen auf künftige Akquisen befördern, etwa wenn es um das nächste von der ESA geplante Weltraumteleskop geht. Der Nachfolger von XMM-Newton mit rund 15 Metern Höhe wird die Kapazitäten der meisten bestehenden Reinräume sprengen – nicht so die der neuen Halle in Immenstaad. Denn dort wird ein Teilbereich des Reinraums 18,5 Meter hoch bis direkt unters Dach reichen, bei der derzeit saubersten Luftgüte von ISO 5 (siehe Infokasten). "Das ist zumindest in Europa dann einmalig", so Christopher Hess, der als Leiter Mechanik und Ingenieursleistungen für Deutschland bei Airbus quasi der konzerneigene Bauverantwortliche für das ITC ist.

Die Baustelle im südöstlichen Bereich des Airbus-Areals in Immenstaad. Die weißen Flachdachgebäude werden abgerissen. Bild: Airbus DS
Die Baustelle im südöstlichen Bereich des Airbus-Areals in Immenstaad. Die weißen Flachdachgebäude werden abgerissen. Bild: Airbus DS | Bild: Airbus DS

Mit dem Neubau werden auch viele Arbeitsbereiche am Standort neu geordnet und effizienter gestaltet: Bisher verstreute Labors werden an zwei Standorten konzentriert, der größere davon im bisherigen Reinraumgebäude. Außerdem werden die Mitarbeiter der ausgegliederten Sparte Hensoldt (Ex-Cassidian) in die Bodensee Business Base auf der anderen B-31-Seite umziehen, der satellitennahe Bereich Geo-Intelligence dafür zurück ins Hauptwerk am Seeufer geholt. Settelmeyer: "Da haben wir jetzt schon eine große Dynamik am Ort, aber es ist eine positive Dynamik, die Mitarbeiter freuen sich."

Vor drei Jahren wurden die ersten Pläne konzipiert, in wenigen Monaten seit Beginn dieses Jahres wurden die formalen Schritte absolviert. Die Zusammenarbeit im Genehmigungsverfahren mit der Gemeinde Immenstaad bezeichneten Settelmeyer und Airbus-Architekt Alexander Holz als hervorragend. Auch wegen des Baustellen-Verkehrskonzeptes befinde sich das Unternehmen seit längerem im intensiven Austausch mit Landratsamt und Stadt Friedrichshafen.

 

Zahlen, Daten, Fakten

  • Das Technologiezentrum: Der 70 auf 60 Meter messende und 20 Meter hohe Neubau wird im südöstlichen Bereich des Firmengeländes errichtet werden. Die Gesamtinvestition beläuft sich auf rund 43 Millionen Euro netto. Auf 4200 qm Grundfläche werden die 2100 qm und 1000 qm großen Reinräume das Herzstück des Neubaus sein. Baubeginn ist im November, die Vor- und Abrissarbeiten auf dem Grundstück haben bereits begonnen. Die Fertigstellung ist auf Ende Frühjahr 2018 terminiert, der Bezug im Sommer 2018.
  • Die Technik: Ein modernstes Lüftungssystem wird in der Reinraumhalle bei maximal 90-fachem Luftwechsel bis zu 600 000 Kubikmeter Luft pro Stunde umwälzen und filtern. Damit ist in der Reinraumhalle eine Luftreinheit im Bereich von ISO 5 (höchste Güte) bis ISO 8 (Standard) möglich. ISO 5 bedeutet maximal 29 Partikel in einer Größe von bis zu 5 mü pro Kubikmeter, ISO 8 maximal 29 000 Partikel. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist 40 bis 70 mü dick, ein gewöhnliches Staubkorn 10 mü.
  • Das Verkehrskonzept: Der Baustellenverkehr ist bereits durchgeplant. Einfahrten für Lkw werden nur aus Richtung Meersburg möglich sein, um einen Rückstau nach Fischbach zu vermeiden. Ausfahrten auf die B 31 werden in beide Richtungen per Bedarfsampel geregelt. (gup)