Steigende Baupreise für Neubauten, teure energetische Sanierungen von Bestandshäusern, dazu eine ungebrochene Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum: Vermieter und Mieter in der Zeppelinstadt stehen unter Druck wie selten zuvor.

Auf die Städtische Wohnungsbaugesellschaft (SWG), die in Friedrichshafen etwa 1380 Wohnungen vermietet, trifft das in besonderem Maße zu. „Wir sollen einerseits ökologisch und sozial sein, sind andererseits aber auch Wirtschaftsunternehmen und brauchen Geld für unsere Gebäude“, erklärt Jürgen Schipek, Chef der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft (SWG), beim Pressegespräch am Freitag. Thema des Tages: Ein neues Mietenmodell für SWG-Mieter, das laut Schipek genau das sein soll: sozial, fair und ökologisch.

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„Unsere Mieter wurden bereits informiert und wir hatten auch schon etliche Anrufe“, berichtet Matthias Buck, Leiter des Mieterservice der SWG. Mieterhöhungen um bis zu 65 Cent pro Quadratmeter?! Da zuckt jeder

erstmal zusammen. Die Inflation, jetzt noch eine höhere Miete – was genau soll daran sozial und fair sein? Das Modell klingt etwas kompliziert: Die SWG erhöht die Mieten nicht pauschal bei allen ihren Mietern gleichermaßen, sondern individuell – je nach Einkommens- und Lebenssituation. Am Ende könnte es also sein, dass etliche Mieter die Mieterhöhung gar nicht im Geldbeutel spüren. Wie das?

Anspruch auf Wohngeld – doch keiner beantragt es

„Wir gehen davon aus, dass etwa die Hälfte unserer Mieter Anspruch auf Wohngeld hat, es aber noch gar nicht bekommt“, erläutert Schipek. In Baden-Württemberg seien die Grenzen vergleichsweise niedrig. So habe beispielsweise eine alleinlebende Person bereits bis zu einem Jahresnettoeinkommen von rund 18.000 Euro jährlich Anspruch.

Zunächst gilt also für alle Mieter der SWG, dass sie dringend ihre Ansprüche auf das Wohngeld prüfen müssen. Sind sie anspruchsberechtigt, kann es nämlich sogar sein, dass sie wenige Mieter bezahlen als bisher – trotz Erhöhung. „Wir verzichten außerdem auf eine Mietererhöhung oder kappen den Betrag, wenn die Kaltmiete trotz Wohngeld 30 Prozent des Haushaltseinkommens übersteigt“, erläutert zudem Buck. Jede Mieterhöhung sei also individuell zu prüfen – und es gebe eben kein Gießkannenprinzip.

Nur ein Bruchteil der SWG-Wohnungen öffentlich gefördert

Außerdem wichtig: der Wohnberechtigungsschein. Können Mieter diesen vorweisen, kann die SWG die Wohnung in öffentlich geförderten Wohnraum umwandeln – und bekommt Zuschüsse vom Land. Bislang wird, anders als von vielen vermutet, nur ein Bruchteil der Wohnungen der SWG öffentlich gefördert, zum Beispiel die Neubauten im Fallenbrunnen. Der gesamte Altbestand der SWG, wie etwa die Heinrich-Heine-Siedlung, unterliegt keiner Sozialbindung mehr. Kurz: Die SWG bekommt für die Bewirtschaftung und Sanierung dieser Gebäude keinen Cent Zuschuss vom Staat.

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„Gleichzeitig entstehen zusätzliche Kosten, um die gesetzlichen Vorgaben in Sachen Energiesanierung umzusetzen“, erläutert Robert Bechtloff, Nachhaltigkeitsreferent des Verbands baden-württembergischen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (VBW) beim Pressegespräch. Gemeinsam mit Schipek arbeitet er am sogenannten Energiepfad, bei dem innovative Konzepte wie zum Beispiel das Photovoltaik-Mietermodell oder andere Projekte wie der Energiespartag oder Klimabonus umgesetzt werden sollen. „Die gesamten Überschüsse, die durch die Mieterhöhungen entstehen, investieren wir in den Bestand, es geht also nicht um Gewinnmaximierung“, betont Schipek.

Die Zeiten, in denen die SWG hunderte Wohnungen auf der grünen Wiese gebaut hat, wie zum Beispiel im Fallenbrunnen und in Allmannsweiler, scheinen erstmal vorbei. „Große Projekte können wir in der aktuellen Situation nicht mehr finanzieren, jetzt geht es darum, den Bestand nachzurüsten in energetischer aber auch demografischer Hinsicht“, so der SWG-Chef. Auch Nachverdichtungen auf vorhandenen Grundstücken seien geplant.

Matthias Buck, Jürgen Schipek und Yvonne Osterc von der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft (SWG) stellen gemeinsam mit ...
Matthias Buck, Jürgen Schipek und Yvonne Osterc von der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft (SWG) stellen gemeinsam mit Nachhaltigkeitsreferent Robert Bechtloff (v.l) das neue Mietenmodell der SWG vor. | Bild: Wienrich, Sabine

So funktioniert der Wohnungstausch im Alter

„Rund 60 Prozent unserer Mieter sind über 60 Jahre alt, leben aber noch in ihren großen Wohnungen, in denen sie mal als Familie gewohnt haben“, berichtet Mietservice-Chef Buck. Wohnungen, die zu groß, aber eben auch zu barrierereich sind. Daher hat die SWG bereits ein Wohnungstausch-Konzept aufgelegt, das jetzt – durch das Mietenmodell – weitere Anreize bieten soll.

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Zum einen wird die Miete für die große Wohnung teurer, zum anderen besteht die Möglichkeit, in eine öffentlich geförderte altersgerechte Neubauwohnung umzuziehen. „Unsere Mieter haben bei jeder seniorengerechten Wohnung ein Erstzugriffsrecht“, erklärt Schipek. So seien zum Beispiel bereits vier barrierefreie Wohnungen im Fallenbrunnen durch einen Tausch belegt worden.

Sich im Alter zu verkleinern, dafür aber mit mehr Wohnkomfort und Barrierefreiheit – diesen Wunsch hätten viele. „Wir wollen das niedrigschwellig anbieten – inklusive Umzugsservice“, so Buck. Der Vorteil für die SWG – und viele Wohnungssuchende in Friedrichshafen – liegt auf der Hand: Die großen Familienwohnungen werden wieder frei. Ob dieses Modell aufgeht, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.