Karsten Timmerherm lächelt amüsiert. Er könne dieses Jahr ein dreifaches Jubiläum feiern, sagt der Bootsbaumeister. Tatsächlich feiert die Michelsen-Werft ihr 100-jähriges Bestehen, vor 15 Jahren begann der damals 19-Jährige hier in Friedrichshafen-Seemoos seine Lehre und ist jetzt seit einem Jahr stolzer Pächter einer der ältesten Werften am Bodensee.
Heinrich Michelsen kam aus Kiel an den Bodensee
Am 15. Februar 1891 kam Heinrich Michelsen in Kiel-Ellerbeck zur Welt. Er lernte das Bootsbauerhandwerk und schnupperte sich, wie das damals unter Handwerkern üblich war, durch Werften in Deutschland und in der Schweiz, bevor es ihn an den Bodensee spülte. 1914 heuerte er zunächst als Vorarbeiter beim Flugzeugbau Friedrichshafen an, baute Schwimmer für Wasserflugzeuge und wurde später Werkstattleiter. Theodor Kober stellte ihm 1919 ein wohlwollendes Zeugnis aus.

1921 machte Heinrich Michelsen sich – zunächst in Kressbronn-Gattnau – selbstständig und mietete sich zwei Jahre später in die ehemalige Schlosserei des Flugzeugbaus am Seemooser Horn ein. Diese lag nordwestlich der riesigen Flugzeughalle, die dem Luftschiffbau Zeppelin, Abteilung Dornier, gehörte.

Bombenangriff legt die Werft in Schutt und Asche
Im Winter 1924 auf 1925 bekam der Königlich Württembergische Yacht-Club die Möglichkeit, diese Halle, die dazugehörige 200 Meter lange Slipanlage und die Schmiede zu kaufen. Das dazugehörige Gelände pachtete der Club von der herzoglichen Rentenkammer in Altshausen und genehmigte Michelsen, auf diesem Gelände eine Bootswerft zu bauen. Nördlich der Flugzeughalle entstand eine Barackenreihe des Deutschen Hochsee-Segler-Verbands, in der die Seglerjugend ausgebildet wurde.

Neben großen und kleinen Motorbooten entstanden Ruderboote und mächtige Segelyachten aus Holz. Wie „Lotte“, die Michelsen 1938 für den Testpiloten von Dornier, Franz Zeno Diemer, baute.

Am 28. April 1944 wurde die Werft zusammen mit dem Clubgelände bei dem Bombenangriff auf Friedrichshafen dem Erdboden gleichgemacht. Doch schon 1945 begann Heinrich Michelsen, seine Werft auf den Grundmauern der Marineschule wieder aufzubauen.


Er widmete sich spektakulären Projekten. Anfang der 50er-Jahre kaufte er einen beschädigten Stahl-Rumpf in Norddeutschland, schweißte ihn wieder zusammen und baute ihn mit Holz zum Rundfahrtboot „Seehase“ aus. Der Transport zum Bundesbahnhafen war ein Ereignis mit Polizeieinsatz.



Die Werft wird zum zweiten Mal zerstört
1957 wurde die Michelsen-Werft zum zweiten Mal zerstört. In der Nacht auf den 10. Dezember, um Mitternacht, brach ein verheerendes Feuer aus, das, angefacht von einem Sturm aus Westen, ganze Arbeit leistete. Von wertvollsten Segelyachten bis zu italienischen Rennbooten, von denen eines einen Wert von 60 000 DM hatte, blieb nur noch ein schwarzer Trümmerhaufen übrig und die Werftarbeit musste auf unbestimmte Zeit eingestellt werden.

Mit zäher Energie baute der bereits 67-jährige Heinrich Michelsen die Werft zum dritten Mal auf. Die neue Werft an derselben Stelle wurde mit modernsten Maschinen ausgestattet und zählte fortan zu den Musterbetrieben am Bodensee.

1963 starb Heinrich Michelsen. Keine seiner vier Töchter kam als Nachfolgerin in Frage und der einzige Sohn war nur wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs ums Leben gekommen. Zum Glück hatte seine jüngste Tochter einen Mitarbeiter geheiratet. Der Bootsbauer Josef Dillinger übernahm die Werft.
So sehr sich dieser dem klassischen Holzbootsbau verbunden fühlte, so offen war er für den technischen Fortschritt und moderne Materialien. Zu einer Zeit, als glasfaserverstärkter Kunststoff noch nahezu unbekannt war, importierte er bereits das Harz aus USA, um damit zu arbeiten. Es entstanden viel beachtete, modernste Yachten. Später laminierte er damit unzählige Fischerboote. Sie sollten zum Verkaufsschlager werden.

Auch Dillinger war mit Töchtern reich gesegnet. Eine Last, unter der besonders seine älteste Tochter litt. Denn von Kind an wurde ihr klar gemacht, dass sie einen Bootsbauer heiraten müsse. Sie heiratete einen Elektriker und der Betrieb musste 1990 verpachtet werden.
Mit Gespür für die Bedürfnisse der Kunden
Heiner Kemmer und zehn Jahre später Hans-Joachim Landolt führten die Werft erfolgreich weiter, immer mit einem Gespür für die sich wandelnden Bedürfnisse der Kunden.

Wie seine Vorgänger ist auch Karsten Timmerherm ein Eigengewächs der Michelsen-Werft. „Ich werde in Jochen Landolts Fußstapfen treten“, sagt der 34-Jährige. Zwar sei die Zeit der Neubauten vorbei, doch immer häufiger wollen Kunden Boote mit einer Geschichte. Diese will er, wie bereits sein Vorgänger, qualitativ hochwertig zu neuem Leben erwecken.
Er träumt vom Bau hölzerner Motorboote
Seinen Schwerpunkt wird Timmerherm auf Restauration und Reparatur klassischer Holzyachten legen. Zudem träumt der leidenschaftliche Segler davon, hölzerne Motorboote zu bauen. Etwa sieben Meter lang, handlich und mit Badeplattform und Liegewiese fürs entspannte Picknick auf dem See. Und das zu einem Preis unter 100 000 Euro. „Dahin geht der Trend im Wassersport“, sagt er.

Mit seinem jungen, motivierten Team will er die Werft in die Zukunft führen. Schlaflose Nächte bereitet ihm die Verantwortung nicht.