Mit 90 in den Ruhestand? Selbst in diesem hohen Alter musste Schwester Baptista erst überzeugt werden, ihre Arbeit künftig ruhen zu lassen. Denn sie hinterlässt eine Lücke in der „Teestube“, ihrem Herzensprojekt. Eine Lücke, die die Ordensschwester erst schließen wollte, bevor sie ins Mutterhaus, das Kloster Sießen, zurückkehrt.
50 Jahre Dienst nur in Friedrichshafen
Am Mittwoch feierte Schwester Baptista im Haus der kirchlichen Dienste ihren 90. Geburtstag. Liebevoll sind die Tische dekoriert, lang die Tafel mit den gespendeten Kuchen. Das bewegende Fest mit Familienangehörigen und vielen Wegbegleitern markiert auch ihren Abschied, den Schwester Baptista so lang hinausgeschoben hat. Der Geist ist wach, doch die Beine sind schwach geworden. 50 Jahre lang hat sie allein in Friedrichshafen Dienst getan. Sie sei „eine moralische Instanz in der Stadt“, sagte Oberbürgermeister Andreas Brand, der bei einem Neunziger nicht oft persönlich gratuliert und die Glückwünsche des Ministerpräsidenten überbringt.

Schwester Baptista hinterlasse „Spuren der Barmherzigkeit“, sagte Jürgen Kegelmann, Vorsitzender der Teestube. Die gäbe es ohne die Ordensschwester nicht. 1954 trat sie ins Kloster Sießen ein. Ab 1961 arbeitete sie in Friedrichshafen, erst in Haushalt, Garten und Küche des Alten- und Pflegeheims St. Antonius, ab 1985 als Hauswirtschafterin im Konvent St. Elisabeth. Schon hier versorgte sie Arme und Obdachlose, die an die Küchentür klopften, mit Essen.
Ein Herz für die Bedürftigen
In der Zeit habe sie ihr Herz für die Bedürftigen entdeckt, blickte Stadtdiakon Martin Rebmann zurück. Zwei Nachmitte pro Woche nahm sie sich fortan der Obdachlosen in der Herberge, später in der Notunterkunft in der Keplerstraße an. Als 1995 das Stadtdiakonat gegründet wurde, kümmerte sie sich stetig um jene Menschen, die sich kaum selbst zu helfen wussten.

Sie verteilte Lebensmittel, die gespendet wurden. „Das war der Impuls für die Gründung der Tafel“, so Rebmann in der Feierstunde. Schwester Baptista fand im Auftrag des damaligen Pfarrers Rinderspacher einen leeren Laden in der Hofener Straße, der 2001 als erster Tafelladen eröffnet wurde. Zwei Jahre später bekam die „Mutter Theresa von Friedrichshafen“ den Ehrenbrief der Stadt für ihre sozialen Verdienste.
Gründermutter der Teestube
Bei der Verleihung wurde sie gefragt, welchen Wunsch sie habe. Sie wünschte sich eine Teestube für Bedürftige. Es dauerte noch zwei Jahre, bis sie die Räume in der Keplerstraße/Ecke Allmandstraße fand. Die Finanzierungszusage der Stadt hatte sie da schon längst in der Tasche. In der Adventszeit 2005 hieß das Helferteam die ersten Gäste mit warmen Getränken und belegten Brötchen willkommen. Wie viele Stunden sie seither den Menschen hier Gehör und Beistand geschenkt hat, kann keiner zählen. Seit 2009 wird von einem Verein getragen und ist heute nahezu täglich wieder Anlaufstelle für jene, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

„Du bist die Mutter der Armen von Friedrichshafen“, würdigte Provinzvikarin Schwester Elsbeth Bischof das Wirken ihrer Mitschwester, die sie in den vergangenen Wochen begleitet hat, um ihr den Abschied ein wenig leichter zu machen. Sie hätte ihr gern ihren Herzenswunsch erfüllt und sie in der Teestube abgelöst. Aber sie habe noch drei Jahre im Amt.
Pfarrer würdigt sie als „Ikone der Nächstenliebe“
Schwester Baptista habe „unglaublich viel erreicht, was Staunen macht“, sagte Pfarrer Bernd Herbinger, der sie „eine Ikone der Nächstenliebe“ in Friedrichshafen nennt. Die Teestube würde es heute nicht geben, wenn sie 1994 nicht geblieben wäre, als sie versetzt werden sollte. Dass sie in ihrem Glauben und Tun in fast 70 Jahren aufging, dokumentiert Bischof Gebhard Fürst mit einer ungewöhnlichen Geste. Zum ersten Mal, so Herbinger, habe der Bischof die Urkunde für ihre Abberufung nicht auf den Geburtsnamen ausgestellt wie üblich, sondern auf ihren Ordensnamen.
Die so vielfach Geehrte zeigte sich „überwältigt“ von dieser Feier mit vielen segensreichen Worte und den vielen Geschenken, die sie eigentlich gar nicht haben wollte. Sie bedanke sich für „all das, was geworden ist“ und für die Hilfe, die sie auf ihrem Weg erfahren habe. Und wünscht sich zum Schluss nur, dass die Teestube offen bleibt und es immer genügend Ehrenamtliche und Spender gibt, die sie am Laufen halten.