Schon nach der ersten Einheit sind Alexandra Raiser und Sophia Stuhlmiller froh über ihr neues Wissen. Sie schließen im Sommer ihre Ausbildung zur Grafikdesignerin an der Bernd-Blindow-Schule ab. „Ich finde diesen Tag sehr interessant. Nach den drei Jahren Ausbildung wird man ins kalte Wasser geschmissen. Zum Beispiel Steuererklärung, da habe ich keine Ahnung, wie man das macht“, sagt Alexandra. Sophia geht es ähnlich: „Mein Mitbewohner sagte neulich, er muss eine Steuererklärung machen und da ist mir aufgefallen, ich weiß gar nicht, wie das geht. Wenn wir jetzt bald berufstätig sind, ist es gut, diese Dinge zu wissen.“
Beim Zukunftstag an der Bernd-Blindow-Schule haben sie gerade das Modul Finanzen absolviert. Der Zukunftstag soll Alltagswissen in den Bereichen Finanzen, Steuern, Wohnen und Krankenversicherung vermitteln. Lilli Schu stellt den Schülern das Programm und die Dozenten vor. Sie hat selbst erst 2021 Abitur gemacht und studiert in Trier Sozialpädagogik. „Ich hätte mir diese Informationen in der Schule gewünscht. Deshalb engagiere ich mich ehrenamtlich für den Zukunftstag“, sagt sie.
Für den Bereich Finanzen stellen Markus Wunderlich und Johann Ruf von der Deutschen Bank den Schülern ihre Perspektiven in der gesetzlichen Rentenversicherung vor Augen. „Wenn ihr 45 Jahre durchschnittlich 2000 Euro verdient habt, bekommt ihr derzeit eine Rente von 1000 Euro“, sagt Ruf. Für Wohnen, Lebenshaltung und Auto fallen aber schnell 1600 Euro an. Er zeigt auf, wie diese Lücke zu schließen ist, mit einer Lebensversicherung, Vermögensaufbau oder betrieblicher Altersvorsorge zum Beispiel. „Wenn ich früh beginne, kann ich mit kleinen Beträgen viel erreichen.“ Wunderlich rät den Schülern, Lebensrisiken früh in den Blick zu nehmen. „Alles, was ihr euch im Leben vornehmt, hängt davon ab, dass ihr gesund seid und arbeiten könnt.“ Wenn das wegen Krankheit oder Unfall nicht mehr der Fall sei, helfe eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung.
Sophia Stuhlmiller und Alexandra Raiser machen sich Notizen. Sophia würde ab Herbst gern in ihrem Beruf arbeiten oder ein Praktikum machen. Alexandra plant, ihr Fach zu studieren oder ebenfalls Erfahrungen in einem Praktikum zu sammeln. Rentenversicherung und Vermögensaufbau waren für beide bisher weit weg. Jetzt überlegen sie, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. „Dass es so schnell gehen kann und man plötzlich große Kosten hat, habe ich mir noch nie überlegt“, sagt Sophia. Auch über eine Anlage in Aktien und eine Lebensversicherung denken sie nach. Bei den anderen Dozenten lernen sie ähnlich Grundsätzliches: Wie das deutsche Steuersystem funktioniert, erklärt Robin Traub von der Wirtschaftsberatung ETL Bodensee. Er führt durch die verschiedenen Steuerarten, den Unterschied zwischen Brutto und Netto und die Abkürzungen auf einer Lohnabrechnung und erläutert, was eine Einkommenssteuererklärung ist. „Wenn ich für Freunde etwas designe, muss ich das auch angeben?“, fragt ein Schüler. Traub empfiehlt, immer ein Gewerbe anzumelden und auch kleine Beträge zu melden, denn Steuerhinterziehung werde hart bestraft.
Das Solidarprinzip der Krankenkassen und den Sinn von Zusatz- und Auslandsversicherungen hat Beate Lindner von der Betriebskrankenkasse BKK ZF&Partner zum Thema. „Informiert euch über euren Schutz, wenn ihr ins Ausland fahrt“, rät sie. Wenn etwas passiere, sei es sonst zu spät. Philipp Spraul von Immobilien Spraul spricht über Rechte und Pflichten von Mietern, weist auf die Bedeutung von Nebenkosten hin und warnt, dass Schufa-Einträge die Wohnungssuche erheblich erschweren können.
Am Ende des Tags haben die Schüler viele Informationen zu verdauen. „Ich finde schon, dass es etwas gebracht hat. Gerade das mit den Steuern wusste ich nicht alles, auch das mit dem Steuern hinterziehen und dass man alles anmelden muss. Das ist wichtig, zum Beispiel für ein kleines Start-Up-Unternehmen, bei dem das alles nebenher laufen muss“, sagt Larissa Nantes.
Mit ihren Freundinnen Mia Schweizer und Joceline Simon besucht sie die 12. Klasse des sozialwissenschaftlichen Gymnasiums. Mia ergänzt: „Wir lernen schon vielseitige Dinge, gerade in der Sozialpädagogik. Aber zum Beispiel das mit den Rentenversicherungen und was man alles abschließen muss, das sind wichtige Themen, über die man leider in der Schule nicht so viel informiert wird.“ Joceline stimmt zu: „Eigentlich sollte man ein Fach in der Schule haben, in dem man so etwas regelmäßig beigebracht bekommt. Wir sprechen jetzt in der 12. Klasse zum ersten Mal darüber. Ich finde, das sollte in der neunten oder zehnten Klasse anfangen. Ich wohne allein und wusste nicht, dass ich mich haftpflichtversichern sollte, weil ich so sehr gefährlich lebe.“