Auf einmal hatten sie alle viel mehr Zeit. „Ich konnte viel mehr machen an einem Tag, ich habe gelesen, gemalt und gepuzzelt“, erzählt Paula Walker. Isabelle Vogler hat stundenlang mit ihrer besten Freundin telefoniert. „Und ich habe wirklich meine Hausaufgaben gemacht.“ Fin Schneider hat sich mit Freunden getroffen und mit seinen jüngeren Geschwistern gespielt. Und eine Mitschülerin sagt: „Es war die längste Woche im Jahr, in einem positiven Sinn.“ Sonst habe sie oft das Gefühl, die Tage flögen an ihr vorbei. „Ich habe mich nicht gelangweilt, ich war viel produktiver.“
Sieben Schüler der elften und zwölften Klassen sowie drei Lehrer der Droste-Hülshoff-Schule in Friedrichshafen haben eine Woche auf ihre Smartphones verzichtet. Jetzt sitzen einige von ihnen vor der Boulderhalle – die ‚Greifbar‘ spendiert jenen, die durchgehalten haben, einen Kletternachmittag. Vorher berichten sie von ihren Erfahrungen.
Sonst blickten in der Pause alle aufs Smartphone
Paula Walker hat festgestellt, dass Fotos mit einer Kamera viel besser werden als die mit dem Handy. Isabelle Vogler war erleichtert, nicht ständig mit Bildern und Nachrichten überschüttet zu werden. Fin Schneider hat wieder mehr gelesen. Die Schüler berichten auch von Gesprächen. Sonst blickten in der Pause immer alle aufs Handy. „Wenn es das nicht gibt, gibt es nur die Option zu reden“, sagt Fin Schneider.
Angeregt hat das Handyfasten Sebastian Winkler, Lehrer für Psychologie und Pädagogik. „Inzwischen war das bereits das fünfte Schuljahr mit einer handyfreien Woche. Es tut mir gut, da ich zunehmend Zeit an Handy und Tablet verbringe. Nach der Auszeit gehe ich bewusster damit um“, sagt er selbst. Deutschlehrer Lennart Keding geht es ähnlich: „Ich wollte wissen, wozu ich zum Handy greife und wann ich es wirklich brauche. Ich hatte den Blick dafür verloren, wozu ich es sinnvoll nutze.“

In der Rückschau sehen die Schüler ihren Handykonsum kritisch: „Ich war immer gleich am Handy, wenn ich mich gelangweilt habe“, sagt beispielweise Fin Schneider. Isabelle Vogler schlief zu wenig: „Ich habe im Bett von einem zum anderen geswitcht und plötzlich festgestellt: Es ist schon fünf Uhr morgens.“
Alltag ohne Smartphone hat auch Tücken
Die Teilnehmer stellten aber auch fest, wie tief das Handy in ihren Schul- und Berufsalltag integriert ist. Isabelle Vogle fehlte etwa die Stundenplanfunktion: „Ich hätte gern gewusst, dass die erste Stunde ausfällt. Und ich musste die Hausaufgaben selbst aufschreiben oder Freunde übers Festnetz anrufen.“ Eine Klassenkameradin hat zum ersten Mal ihren Stundenplan auswendig gelernt: „Sonst habe ich nach jeder Stunde schnell geschaut: Was habe ich jetzt und wo muss ich hin?“
Auch für die Lehrer war es schwieriger: „Wir schreiben die Hausaufgaben in Untis. Wenn Schüler gefehlt haben, konnte ich das nicht wie gewohnt einfach über die App eintragen“, sagt Keding. Ohne Vertretungs-App war es auch umständlicher festzustellen, wann sie ihre Kollegen vertreten mussten.
Nur selten geht es gar nicht ohne
Es gab einige Situationen, in denen der schnelle Griff zum Handy praktisch gewesen wäre. „Einmal waren meine Mutter und meine Schwester in der Stadt. Sie hätten mich mitnehmen können, aber sie konnten mich nicht erreichen“, erzählt Paula Walker. Eine ihrer Mitschülerinnen vermisste den Übersetzer: „Wenn ich ein Wort nur auf Deutsch weiß und meine Mutter nur auf Türkisch, gucke ich sonst schnell im Handy.“ Deutschlehrer Keding stand ohne Handyticket am Bahnsteig. „Ich wollte mir ein Ticket am Automaten kaufen, zum ersten Mal seit zehn Jahren, und dann war der Automat kaputt. Zum Glück konnte meine Frau mich abholen.“ Aber diese Situationen waren seltener als gedacht.
Alle haben sich vorgenommen, an ihrem Handykonsum etwas zu ändern. Fin Schneider nimmt das Handy abends nicht mehr mit ins Zimmer. „Wenn es da ist, gucke ich auch drauf. Auf die Weise schlafe ich eine Stunde länger.“ Paula Walker schaut seltener aufs Smartphone: „Es ist oft unnötig, immer so kleine Ausschnitte, jetzt ist es besser.“ Und Lennart Keding lässt sein Handy ab 18 Uhr im Flugmodus. „Ich verbringe lieber Zeit mit meiner Familie und lese wieder mehr Bücher.“ Wenn es im nächsten Schuljahr wieder eine handyfreie Woche gibt, wollen sie wieder mitmachen.