Wenn eine Frau ein Kind will, aber keinen Mann, ist das nie einfach. Im Iran kann sie der Wunsch nach einer weniger traditionellen Familie ins Gefängnis bringen. Diese Geschichte erzählt die Pearl Theatre Group unter Regie von Morvarid Ramenzani in „The lost paradise“. Dieses Stück eröffnet am 31. März die Theatertage am See und wird am Samstag noch einmal aufgeführt. Nach den Vorstellungen ist eine Diskussionsrunde geplant. „Die Regisseurin geht sehr offen mit der politischen Situation in ihrem Land um. Es war uns wichtig, diese mutige Frau und ihre Theatergruppe einzuladen“, sagt Britta Lutz, Vizevorstand des Fördervereins Theatertage am See, der die Theatertage organisiert.

Vom 29. März bis 2. April geht das große Festival für Jugend- und Amateurtheater in die 38. Runde. Mit insgesamt 17 Vorstellungen und zehn Workshops gastiert es in der Bodenseeschule. Die meisten Gruppen des Amateurfestivals am Wochenende kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Wir wünschen uns wieder viel Publikum aus Friedrichshafen und der Bodenseeregion“, sagt Lutz. Auch in den meisten Workshops seien noch Plätze zu haben.

Das Thema Mut bekommt nicht nur durch die Aufführung aus dem Iran besonderes Gewicht. Auch eine Theatergruppe aus Polozk, der Partnerstadt Friedrichshafens in Belarus, reist an. „Wir haben bis kurz vor Schluss gebangt, dass sie überhaupt Visa bekommen“, sagt Claudius Beck vom Förderverein. Die Professorin Anna Shelepova gründete 1999 das Theater „Art“ 1999 an der Polozker Universität. Es wurde mehrfach als Volkstheater ausgezeichnet. Mittlerweile sind Shelepova und ein Teil der Studierenden entlassen. „Man merkt den Mut dieser Leute, dass sie weitermachen“, sagt Beck. Ihr Stück „Auf der Suche nach einem Narren“ ist eine Art Provinzposse und wird am Sonntag Vormittag mit deutschen Untertiteln gezeigt.

Mut zum Spiel und Leidenschaft für das Theater beweisen auch die anderen Gruppen. Bewegungstheater mit Livemusik und elektronischer Klangkunst präsentiert das Ensemble Deterministisches Chaos aus Suhr in der Schweiz. Einen greisen Rebellen in der Psychiatrie portraitiert das Tehater Sankt Stephan aus dem österreichischen Amstetten: Der Altbauer wehrt sich dagegen, dass sein Schwiegersohn den Hof für eine Autobahn aufgibt. Das Teatro International aus Ulm nähert sich auf dramatische und humorvolle Weise dem Tod als großem Unbekannten. Shakespeare einmal anders inszenieren die Theater AG am Gymnasium Bammental und die Theatergruppe Spielbrett aus Dresden – als Liebesgeschichte in „Sein oder Nichtsein“ und als Krimi in „Shakespeares Kaufmann“.

Die Woche vor den Osterferien gehört dem Jugend- und Schultheater. „Wir haben dieses Jahr eine Öffnung. Es sind Theatergruppen nicht nur aus Baden-Württemberg, sondern bundesweit eingeladen“, sagt Britta Lutz. International wird es trotzdem: Elena Vartanyan war künstlerische Leiterin am Kindervolkstheater im ukrainischen Charkiw. Seit einem Jahr lebt sie in Nürnberg und arbeitet mit geflüchteten Kindern aus der Ukraine. Das Kindervolkstheater Sorvancy mit Sitz in Nürnberg führt bei den Theatertagen eine Pantomime auf. In acht Miniaturen geht es um die Schönheit der Erde und die Verantwortung der Menschen für den Frieden.

Bei den Jugendtheatergruppen hat Lutz zwei Hauptthemen ausgemacht: „Das Thema Ausgrenzung und Abgrenzung scheint viele Jugendliche zu beschäftigen“, sagt sie. So nimmt das Theaterhaus+ aus Stuttgart Max Frischs „Andorra“ zum Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit Vorurteilen, Zugehörigkeiten und Grenzverschiebungen. Das Spielzeitteam des Theaters Tempus fugit aus Lörrach interpretiert Franz Kafkas „Der Verschollene“ als immer wieder verwehrte Suche nach Heimat und Gemeinschaft. Das andere große Thema ist Nachhaltigkeit. „Schach dem Kaufrausch“ erklärt das Theater des Jugendclubs GEMS in Singen in einem Schachspiel zu fast fashion, Klimawandel und Social Media. Mit der Gruppe Mutabor aus Herxheim stellen der Fischer und seine Frau inmitten von recycletem Material die Frage nach dem, was wirklich wichtig ist.

Dieses Mal ist nur eine klassische Theater-AG dabei. Die Acht- und Neuntklässler des Wildermuth-Gymnasiums in Tübingen haben in nur fünf Wochen Schulzeit und wegen Corona fast komplett ohne Bühnenerfahrung eine rasante Fassung von „Moby Dick“ auf die Bühne gebracht. Die einzige Gruppe im Grundschulalter ist das Kinder-Ensemble des Theaters Transit aus Ober-Ramstadt. Sie setzen ein politisches Thema in eindrückliche Bilder um: Kinder brauchen Platz – mehr Platz, als ihnen zugestanden wird. Mit roten Quadern, Fantasie und viel Zusammenhalt bahnen sich die jungen Schauspieler ihren Weg.