Links vor, Rechts vor, Tap links; Links zurück, Rechts zurück, Tap links – fertig ist der Discofox-Grundschritt aus Sicht des Mannes. Hilde und Thomas Schütze haben ihn in den vergangenen Jahrzehnten unzähligen Menschen aus dem Bodenseeraum beigebracht. Und noch viele Schritte und Figuren mehr.

Dutzende Pokale im Eingangsbereich ihrer Tanzschule No. 10 am Sportpark erzählen Geschichten von nationalen und internationalen Erfolgen. Im Juni hat das Paar – er ist 54 Jahre alt, sie 48 – den Titel „Deutsche Meister im Discofox“ gewonnen. Dieser Tanz ist ihre große Leidenschaft: Er ist frei, vielfältig und kann sowohl zu Kuschelmusik als auch zu Techno getanzt werden.

Erstes gemeinsames Turnier 1997

„Wir sind deutschlandweit das dienstälteste Tanzpaar in der Profiklasse Discofox“, sagt Thomas Schütze und lächelt beim Gedanken an das erste Turnier, das er mit Hilde tanzte. 1997 war das, damals waren sie noch längst kein Paar, auch wenn viele das dachten. Sie brauchten sie lange, um zu erkennen, dass zwischen ihnen mehr als Freundschaft ist.

Bei den Deutschen Meisterschaften des Deutschen Amateur Tanzsportverbandes (DAT) waren Hilde und Thomas Schütze im Juni in den ...
Bei den Deutschen Meisterschaften des Deutschen Amateur Tanzsportverbandes (DAT) waren Hilde und Thomas Schütze im Juni in den Disziplinen Discofox und Salsa erfolgreich. | Bild: Tanzschule No. 10

Doch von Anfang an. Thomas Schütze spürte schon früh seine Leidenschaft für Tanz, Bewegung und Musik, wie er bei einem Treffen in seiner Tanzschule erzählt. Mit elf kam er zum Taekwondo, erarbeitete sich den schwarzen Gürtel und unterrichtete auch andere in dem Kampfsport. An der Bodenseeschule besuchte er die Tanz AG und legte als DJ bei Schulpartys auf. Er war ein guter Schüler, nur in Deutsch und Englisch habe er sich aufgrund seiner Legasthenie schwergetan, erzählt er frei heraus. Nach dem Hauptschulabschluss begann er 1986 eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker bei der MTU. Zwei Jahre später eröffnete er als 19-Jähriger zusammen mit drei Partnern seine Tanzschule in Friedrichshafen – gegen den Willen seiner Eltern, die befürchteten, ihr Sohn könnte sich verschulden. „Heute sind sie mächtig stolz auf mich“, sagt Schütze.

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Nach den ersten Tanzstunden im Frühstücksraum des Hotels „Goldener Hirsch“ folgte nach einem halben Jahr der Umzug in die Diskothek „Touch“ im Häfler Osten, 1989 ging es in die ersten eigenen Räume unweit des Autohauses Zwerger. Zwei kleine Tanzsäle, eine kleine Bar, ein kleines Büro, eine extrem hohe Pacht. Drei der vier Partner stiegen aus. Schützes Eltern und die seines verbliebenen Partners bürgten für die Tanzschule.

Vom Gast an der Bar zur Tanzpartnerin

1992 trat Hilde in Thomas“ Leben. Sie war 16 und kein bisschen selbstbewusst. Am liebsten habe sie gelesen, sagt Hilde Schütze. Da sie eine gute Schülerin war, galt sie unter ihren Mitschülern als beliebte Nachhilfe-Lehrerin. „Eines Tages wurde ich von einer Nachhilfe-Schülerin mit in die Tanzschule geschleppt“, erzählt sie. Da sei sie dann an der Bar gesessen, versteckt hinter einem Buch, als ein junger Tanzlehrer mit den Worten „Ich brauch‘ noch ‚ne Frau“ aus dem Tanzsaal kam.

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„Mir war das superpeinlich“, sagt sie rückblickend. Aber dem Jungen ohne Tanzpartnerin zuliebe willigte sie ein. Und weil ihr die herzliche und familiäre Gemeinschaft guttat, kam sie fortan regelmäßig, verheimlichte es jedoch vor ihren Eltern. „Für meinen Vater war Tanzen Zeitverschwendung. In der Tanzschule konnte ich endlich so sein, wie ich bin.“ Statt den Kurs zu bezahlen, was sie nicht konnte, half sie im Büro der Tanzschule aus.

Schließlich gab sie auch Tänzern Nachhilfe

Das Tanzen musste Hilde Schütze erst lernen. „Ich war grottenschlecht und oft nicht im Takt.“ Irgendwann wurde sie Aushilfe-Tänzerin für Männer, die ihrerseits Nachhilfe benötigten. Schließlich bildete der junge Tanzlehrer, der damals eine Frau gesucht hatte und später ihr Mann wurde, sie als Tanzlehrerin aus. Nicht nur ihr Selbstbewusstsein wuchs durch das Tanzen, sondern auch ihr Ehrgeiz im Job. Seit 30 Jahren arbeitet sie bei der MTU, inzwischen ist die gelernte Bürokauffrau als Personalsachbearbeiterin tätig. In ihrer Rolle als Tanzlehrerin versucht Hilde Schütze, das Wohlgefühl weiterzugeben, das sie damals selbst kennenlernte.

1995 zog die Tanzschule erneut um und siedelte sich auf 600 Quadratmetern unter dem Dach der ehemaligen Kaserne im Fallenbrunnen an. Kurz darauf trennte sich Thomas Schütze von seinem Partner. Viele Mitarbeiter gingen mit dem Ex-Partner, Hilde jedoch blieb an seiner Seite.

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Seit 2011 Eltern, seit 2014 verheiratet

1997 begannen Hilde und Thomas Schütze mit dem Turnier-Tanzen, sie gewannen Pokale in ganz Europa, tanzten in Endrunden auf der ganzen Welt. „Durch die Jahre hat sich eine Freundschaft zwischen uns entwickelt“, erzählt sie und kann nicht einmal genau sagen, wann daraus Liebe wurde. „Als wir es dann endlich gemerkt hatten und allen erzählten, hat uns keiner mehr geglaubt.“ 2011 kam die gemeinsame Tochter Isabel zur Welt, 2014 heiratete das Paar. Mit ihrer Hochzeitsfeier weihten sie die neu gebaute Tanzschule am ZF-Sportpark ein, wo sie sich bis heute befindet.