14 Kilo wiegt der Rucksack, den Josef Hausknecht auf die Wiese bei Wittenhofen trägt. Als er ihn oben am Hang auspackt, erweist er sich als wahre Wundertüte. Ein Gleitschirm, kompakt zusammengefaltet, unzählige bunte Leinen, Gurtzeug, ein Sitz mit einem Beinsack, verschiedene Navigationsinstrumente und ein Notfallschirm sind darin untergebracht. Und im Ernstfall – heute ist nur „Groundhandling“, also Bodentraining angesagt – wäre noch Platz für warme Kleidung und das Vesper für den kleinen Hunger während des Flugs.

Der 59-jährige gebürtige Häfler zieht sich einen Spezialanzug mit aerodynamischer Oberfläche an und setzt einen Helm auf. Dann legt er seinen Gleitschirm zurecht. Ewig lang und schmal ist er, eine raffinierte Konstruktion mit Öffnungen an der Vorderkante, die dafür sorgen, dass sich der Schirm im Flug mit Luft füllt und ein flugtaugliches Profil bekommt. Hausknecht fliegt seit 2002. Damals habe sein Schirm noch ausgesehen wie eine Tafel Rittersportschokolade, erzählt er.

Heute fliegt er Wettkämpfe, ist Mitglied der deutschen Gleitschirmliga und belegt aktuell Platz 56 der deutschen Rangliste. In den neun Jahren, die er im Vorstand des Drachen- und Gleitschirmfliegerclubs Friedrichshafen war, etablierte er den Wettkampfsport im Verein und organisiert heute selbst Meisterschaften, bei denen eine vorgegebene Strecke zwischen 35 und 120 Kilometern in kürzester Zeit abgeflogen werden muss.

Eine gebrauchte Ausrüstung ist für 3000 Euro zu haben
Sein Wettkampfschirm ist nichts für Anfänger. Ihn zu fliegen setzt eine Menge Erfahrung voraus und fordert den Piloten. Dafür wird er mit einer Spitzengeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern durch die Luft transportiert. So viel Speed hat seinen Preis. 8000 Euro, sagt Hausknecht, müsse man für so einen Wettkampfschirm bezahlen.
Eine gebrauchte Einsteigerausrüstung, komplett mit allem, was der Pilot zunächst so braucht, ist dagegen schon für 3000 Euro zu haben, weiß Helmut Knabe. Erst wenn man beim Fliegen sicher ist und weiß, welche Vorlieben man hat, sollte man sich für eine neue Ausrüstung entscheiden.

Knabe hat bereits 1988 einen Gleitschirmkurs im Bregenzer Wald gemacht und sich im Laufe der Jahre aufs Cross-Country-Fliegen spezialisiert. Sein Schirm unterscheidet sich von dem seines Clubkameraden. Er ist breiter, entspannter zu fliegen und vereint Leistung mit Sicherheit und einem gewissen Wohlfühlfaktor. 5200 Euro, sagt er, müsse man dafür bezahlen.

Streckenfliegen braucht viel Erfahrung und Vorbereitung
„Streckenfliegen braucht viel Erfahrung, das erschließt sich nicht in einem Anfängerkurs“, sagt der 60-Jährige aus Friedrichshafen. Denn der Flug an sich sei nur ein Teil des Abenteuers. Die Route will geplant und die Ausrüstung kontrolliert sein. Spezialwetterberichte informieren den Piloten über Thermik und eventuelle Störungen in verschiedenen Höhen. Auch die Windsysteme in den Gebirgstälern lassen sich von einem Profi auslesen.
Dann müsse man sich grundsätzlich über die Topografie im Klaren sein, sagt er. „Es macht keinen Sinn, in 3000 Meter Höhe über einen Gletscher zu fliegen.“ Dort kann keine warme Luft aufsteigen, auf die der Pilot angewiesen ist. Ist Knabe in einem Revier fremd, hält er deshalb auch nach kreisenden Greifvögeln Ausschau. „Einmal bin ich morgens am Nebelhorn gestartet und über das Lechtal und Ötztal bis zum Timmelsjoch, kurz vor der italienischen Grenze, geflogen“, erzählt der Ingenieur. Nach der Landung fuhr er per Anhalter zum Bahnhof Ötztal und im Speisewagen nach Lindau zurück. Um Mitternacht war er wieder in Friedrichshafen.

Den A-Schein kann man für 1500 Euro machen
Das lernt man beim A-Schein, dem „Luftfahrerschein für Luftsportgeräteführer Gleitsegel“, nicht. Die etwa sechsmonatige Ausbildung, die mit zirka 1500 Euro zubuche schlägt, berechtigt nur dazu, in ausgewiesenen Fluggebieten zu starten, zu fliegen und zu landen. Für Überlandflüge, um überall starten und landen zu dürfen, muss man einen B-Schein machen, der auch Navigation und Wetterkunde vermittelt. Flugschulen in Scheidegg, Bezau oder Oberstaufen – die Ausbildung findet nicht in den Vereinen statt – bieten aber auch Schnupperkurse an, in denen sich jeder mit ein wenig körperlicher Fitness ausprobieren kann.

Knabe hat jetzt seinen Gleitschirm mit der Vorderkante zum Wind ausgelegt und die unendlich vielen Leinen sortiert, das Gurtzeug geschlossen, er wirkt konzentriert. Die Startvorbereitung brauche Ruhe, sagt er, sonst passieren Fehler. Den aufgestellten Windsack im Blick läuft er rückwärts los. So sieht er, wie sich der Schirm verhält. Kommt der Wind von der Seite, kann der Schirm einklappen und seitlich wegdrehen. Reagiert der Pilot zu spät, kann es zum Absturz kommen. Als der Schirm sicher in der Luft steht, dreht er sich um und läuft weiter den Hang hinunter. Dann bricht er ab. Losfliegen darf man von hier leider nicht.

Auch Josef Hausknecht hat ein paar Startübungen gemacht, unten den Schirm zusammengerafft und kommt zum wiederholten Mal den Hang heraufgelaufen. Was ihn an diesem Sport so fasziniert? „Fliegen ist Freiheit ganz ohne Radarfalle“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. In der MTU sei er ein Teamplayer, beim Fliegen dagegen autonom. Sein Kollege pflichtet ihm bei: „In der Luft auf niemanden angewiesen, von niemandem abhängig sein, das ist für mich Freiheit.“