Seit 1978 hat die Häfler Ortsgruppe von Amnesty International (AI) 93 Bücherflohmärkte veranstaltet. Jetzt gibt die Gruppe bekannt, dass es damit vorbei sein soll. Dass die logistische Herausforderung dahinter enorm sei und man den Bücherflohmarkt gern auf mehr Schultern verteilen wolle, sagte Wolfgang Semmt, Sprecher der Bücherflohmarkt-Gruppe bei Amnesty, bereits vor Jahren. Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause steht heute fest: Es geht nicht mehr. Nummer 94 soll tatsächlich der letzte Verkauf sein.
Für gewöhnlich sorgen rund 25.000 Bücher aus zahllosen Fachgebieten für einen Besucheransturm in der alten Turn- und Festhalle. Die Möglichkeit, Bücher unabhängig von Thema und Autor zum Kilopreis zu erwerben, ist beliebt. Auf etliche Petitionen konnte die AI-Gruppe hier über die vergangenen Jahrzehnte außerdem aufmerksam machen und zahllose Unterschriften sammeln. Bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen kam man ins Gespräch. Die Bücherflohmärkte wurden zum Aushängeschild.
Bei jedem der bis zu drei Termine im Jahr bildeten sich lange vor Einlass Menschentrauben. Wer eine Kiste Bücher abzugeben hatte, brachte sie oft ganz selbstverständlich zu Amnesty. Doch wie in vielen anderen Vereinen lastet auch hier die ganze Arbeit auf den erfahrenen Mitgliedern der Gruppe – und diese werden nicht jünger. Trotz zusätzlicher Helfer wurden die Markttage zur extremen Belastung. Jüngere Mitglieder konnten kaum gewonnen werden.
Zusammenarbeit mit anderen Gruppen könnte Bücherflohmärkte retten
Selbst der voraussichtlich letzte Amnesty-Bücherflohmarkt, der für Samstag, 15. Oktober geplant ist, stand aufgrund der dünnen Personaldecke lange auf der Kippe. Es werden 40 bis 50 Helfer gebraucht, die bereit sind, Plakate zu kleben, Tapeziertische auf- und abzubauen und Bücherkisten zu schleppen. Übers Jahr fallen so gut 300 Arbeitsstunden an. „Eine kurzfristigere Absage könnte erfolgen, wenn sich die Corona-Situation so entwickelt, dass wir Hygiene-Auflagen nicht umsetzen könnten“, sagt Wolfgang Semmt. Da es der letzte Bücherflohmarkt sein wird, werden auch keine Bücherspenden mehr angenommen; weder im Vorfeld noch am Markttag.
Eine Möglichkeit, die Bücherflohmärkte zu retten, wäre die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, Organisationen oder Vereinen, aber auch Bemühungen in diese Richtung sind bislang versandet. Es sei schon versucht worden, potenzielle Unterstützer anzusprechen, sagt Semmt. „Aber auch da kam überhaupt keine Rückmeldung.“