Die Ankündigung, dass das sonst gewohnte Schaulaufen – unter anderem am Pier in Friedrichshafen – dieses Jahr nicht stattfinden wird, hat einen der Schaulustigen am Samstagabend überhaupt erst an den Hafen geführt: „Ich hätte sonst gar nicht mitbekommen, dass das Schiff dieses Jahr auch ablegt, wenn ich nicht gelesen hätte, dass das Schaulaufen ausfällt.“

Der Häfler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist nach eigenen Angaben in unregelmäßigen Abständen dabei gewesen, wenn die Fetischfans ihre ausgefallenen Outfits präsentiert haben. „Es ist dieses Jahr schon enorm leer“, urteilt er.

Überraschungsmomente bereiten die wenigen Gäste des Torture Ships, die sich hier vor dem Boarding präsentieren, dennoch dem einen oder anderen Spaziergänger, der zufällig vorbeikommt. Wer ein Erinnerungsfoto mit ihnen möchte, muss damit rechnen, Teil der Inszenierung zu werden. Ein Herr etwa bekommt spontan eine Maske verpasst.

Nicht nur der bereits den Tag über nahezu ununterbrochene Regen und die Absage des Schaulaufens, um in Pandemiezeiten eine Menschenansammlung zu verhindern, halten Neugierige fern. Ein großer Sichtschutz betont die Regelung.

Hinter dem Sichtschutz sieht man, dass die Zahl der Schiffsbesucher tatsächlich deutlich niedriger ist als gewöhnlich.

Das mag an der aufgrund der Coronamaßnahmen reduzierten Höchstbesucherzahl von 250 statt 600 liegen. Allerdings sind auch diese wenigen Tickets nicht ausverkauft. „Die Menschen haben einfach Sorge, sich anzustecken“, erläutert Veranstalter Thomas Siegmund.
Dabei, das demonstriert er, herrsche neben der Maskenpflicht auch Durchzug auf dem Schiff: „Und das ist ja das Wichtigste, wenn man Virologen zuhört.“

Dass sich die Fahrt mit nun insgesamt rund 200 Gästen wirtschaftlich nicht lohne, habe er bereits im Vorfeld gewusst. Trotzdem sei es wichtig für ihn, dass sie stattfindet: „Es ist ja zur Zeit alles abgesagt. Die Menschen sollen hier eine Chance bekommen, wieder einmal zusammenzukommen und ihre Outfits auszuführen“, sagt Siegmund.

Einen Tag lang hat eine Schiffsbesucherin an ihrer Maske getüftelt. Ihr Gesicht möchte sie nicht in den Medien zeigen. Ihre Maske führt sie jedoch gerne vor und stupst kurz den Propeller auf Höhe ihrer Nasenspitze an, der sich tatsächlich dreht.

„Ich kann darunter gut atmen und die Masken kamen uns und unseren Outfits sowieso entgegen“, erklärt die Schweizerin, die eine selbst entworfene Garderobe in Bronzetönen trägt. Auch ihre Begleiterin glänzt in einer Steampunk-Montur, ihre Maske war kniffliger herzustellen. Der Prototyp war untragbar, wollte niemandem so recht passen. Darum ziert er nun die Tasche ihrer Freundin.

„Ihr seid ja mehr als wir“, kommentiert eine weitere Besucherin in Richtung der Medienvertreter. Es hat wieder angefangen, stärker zu regnen, und einige der Schaulustigen bleiben nur wenige Minuten am Hafen.
In der Dämmerung wird die Schiffsbeleuchtung eingeschaltet. Beinahe romantisch sieht die Szenerie aus. Statt skurriler, grotesker Szenen im Außenbereich des Schiffs sieht man nur vereinzelt Gäste, die kurz ein Erinnerungsfoto schießen.

Auch in Konstanz ist die Lage ähnlich. Gegen 21 Uhr legt das Schiff an. Zwölf Menschen, teilweise in Lack und Leder, teilweise mit Reisekoffern, warteten im Regen auf das Schiff.

„Wir haben uns erst heute morgen entschlossen auf das Schiff zu gehen“, erzählt ein Schweizer Pärchen in Ledermontur, dass sich unter einem Regenschirm umarmt. Sie hätten erst am Morgen die Tickets online gekauft.

Richtig viel los sei auf dem Schiff in diesem Jahr nicht. Das bestätigt Markus. Er steht in einer engen Lederhose am Konstanzer Hafen und raucht. „Es sind nur etwa 200 Menschen auf dem Schiff. Die Besatzung mit eingerechnet“, erzählt er. Trotzdem habe er einen schönen Abend zwischen den Andreaskreuzen und den überdimensionalen Vogelkäfig, die zum Vergnügen der Gäste auf MS München aufgebaut sind.
