„Das passiert nicht selten bei uns. Ein Kind ist ganz vertieft in ein Buch und hört kaum, wenn die Mutter sagt, dass sie ein Stockwerk höher geht. Dann schaut das Kind auf, verlässt die Fantasiewelt und merkt: Mama ist weg“, schildert Sabine Giebeler eine übliche Situation, in der Kinder im Medienhaus Hilfe von einer der Mitarbeiterinnen benötigen.

So einfach lösbar dieses Problem für Erwachsene ist, so riesig und schlimm fühlt es sich für die Kinder an, die es erleben. Auch der Verlust von Busmonatskarte oder Hausschlüssel oder ein aufgeschürftes Knie können schnell zu einem großen Drama werden. Dabei können Erwachsene oft einfach mit einem Anruf, Pflaster oder einer Anlaufstelle weiterhelfen. Das weiß auch Brigitte Bauernfreund vom Kinderhaus in der Scheffelstraße. Sie sagt: „Die Wahrnehmung von Kindern und Erwachsenen weicht oft stark voneinander ab. Dabei ist das persönliche Bedrohungsgefühl des Kindes entscheidend.“

Logo klebt an Eingangstüren
Auch sie hat den blauen Aufkleber, der zwei Kinder unter einem Schirm zeigt, an die Tür gepappt. Er macht Orte in Friedrichshafen kenntlich, an denen Kinder Hilfe finden – egal, in welcher Situation. Betreut wird das Projekt, an dem sich mittlerweile 45 Läden und andere Einrichtungen beteiligen, vom Kinderschutzbund, unterstützt vom Polizeipräsidium Ravensburg und von der Stadt mit Sozialbürgermeister Andreas Köster als Schirmherr.
Welche Erfahrungen machen die teilnehmenden Anlaufstellen bisher? „Wir hatten erst kürzlich so eine Situation; da kam ein älteres Geschwisterkind zu uns, total aufgelöst. Das Fahrrad sei weg“, schildert Brigitte Bauernfreund. „Der Aufkleber ist eine Erlaubnis, nach Hilfe zu fragen, macht deutlich: Hier findest du einen sicheren Ort“, führt sie aus.
Thomas Fiederer von der gleichnamigen Buchhandlung war sofort überzeugt von der Idee und meldete sich beim Kinderschutzbund, um mitzumachen. „Es geht auch als Erwachsener ganz schnell, dass man sich mal verirrt und nicht weiter weiß. Das ist mir auch schon passiert. Da ist es gut, wenn man jemanden ansprechen kann“, schildert er. Er denke, dass seine Buchhandlung ein guter Ort für eine Anlaufstelle sei; für Kinder sei dieser vertraut, sie kämen ja auch hierher, um Schulbücher abzuholen. „Und ich denke, meinen Mitarbeitern und mir fällt auch immer etwas ein, was wir tun können: Es muss ja ganz oft gar nicht heißen, die Polizei zu rufen. Oft ist die Lösung viel einfacher“, führt er aus. Er hoffe nun nur, dass das Symbol mehr Bekanntheit erreiche: „Das sollte so werden wie das rote F, da weiß jeder, dass es für einen Feuerlöscher steht.“

Ingrid Pfannkuchen, die das Projekt beim Kinderschutzbund mit initiiert hat und nun Partner im Außenbereich Friedrichshafens koordiniert, zeigt sich mit dem bisherigen Stand zufrieden. Als nächsten Schritt wolle sie gezielt Kindergärten und Schulen ansprechen und einbinden. Damit solle genau das erreicht werden, was Fiederer angesprochen hat: ein höherer Bekanntheitsgrad des Symbols. Auch Bauernfreund findet: „Wir können gute Multiplikatoren sein. Wenn die Kinder das Zeichen von hier kennen, wissen sie auch anderswo, was es bedeutet.“ Generell könnten Kinder gar nie genug gestärkt werden. „Es ist wichtig, dass sie ihre Rechte kennen“, betont sie. Und es sei eben auch wichtig, die Ängste und Sorgen der Kinder ernst zu nehmen.