Wurde die Zeppelin-Stiftung 1947 zu Unrecht aufgelöst und das Vermögen willkürlich in die Hände der Stadt Friedrichshafen gelegt? Diese Frage will Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin fast 70 Jahre später endlich – wenn nötig richterlich – geklärt wissen. Deshalb beantragte er im Oktober beim Regierungspräsidium Tübingen, die ursprüngliche Stiftung von Graf Ferdinand von Zeppelin und damit von 1908 wieder herzustellen. Doch nicht nur das: Die Stadt habe in den vergangenen Jahrzehnten „fortwährend gegen den historischen Stifterwillen verstoßen“, beklagt der Urenkel. Denn statt die Stiftungsgelder ausschließlich mildtätig zu verwenden, wie es der Graf einst verfügte, nutze die Stadt das Füllhorn, um Aufgaben der Daseinsvorsorge zu finanzieren. Oder wie es Graf Brandenstein sagt: „Das deutsche Volk hat nach dem Unglück von Echterdingen nicht 6,2 Millionen Reichsmark gespendet, damit die Stadt Schwimmbäder in Friedrichshafen baut und betreibt.“

Am Ende muss Justitia entscheiden

Auch über diesen Streitpunkt muss am Ende Justitia entscheiden. Doch zahlreiche historische Dokumente, die dem SÜDKURIER mittlerweile vorliegen, belegen: Mit der ersten Satzung, die der Gemeinderat am 3. November 1948 nach der Übertragung der Zeppelin-Stiftung auf die Stadt unter Bürgermeister Josef Mauch beschloss, kamen die Stadtväter dem historischen Willen des Grafen Zeppelin vollumfänglich nach. Verfügt wurde ein „mildtätiger Stiftungszweck“, der „ausschließlich und unmittelbar darauf gerichtet (ist), Bedürftige zu unterstützen“. Das Einkommen dieser Personen durfte demnach nicht höher sein als das Dreifache der Richtsätze, die für die Gewährung öffentlicher Unterstützung gelten. Das Stiftungsvermögen sei „ausschließlich für den Stiftungszweck“ zu erhalten und dürfe „für andere Zwecke nicht verwendet werden“. Jahreserträge der Stiftung durften nur dann angesammelt werden, wenn damit Einrichtungen geschaffen werden, die nach höchstens fünf Jahren in den Dienst der Ärmsten gestellt werden. Sämtliche Jahreserträge mussten restlos der Mildtätigkeit zugeführt werden. Nicht zuletzt galt unter Paragraf 5, dass dieser (mildtätige) Stiftungszweck „unabänderlich“ sei. In einem Brief an Alexander Graf Brandenstein-Zeppelin vom 1. Juni 1948 betont Bürgermeister Josef Mauch sogar ausdrücklich: „Es ist nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich unmöglich, dass die Stadtgemeinde Friedrichshafen ihr allgemeines Vermögen auf Kosten der Stiftung vermehrt.“

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Bild: Archiv/Albrecht Graf von Zeppelin
Die Satzung der Zeppelin-Stiftung verfügte mit Wirkung vom 1. März 1947 einen mildtätigen Stiftungszweck. Friedrichshafen sei es ...
Die Satzung der Zeppelin-Stiftung verfügte mit Wirkung vom 1. März 1947 einen mildtätigen Stiftungszweck. Friedrichshafen sei es moralisch und rechtlich verboten, das Stadtvermögen auf Kosten der Stiftung zu vermehren, schreibt Bürgermeister Mauch Monate später an Alexander Graf von Brandenstein-Zeppelin. | Bild: Archiv/Albrecht Graf von Zeppelin

Wie bewusst sich die Häfler damals dieser Verpflichtung waren, geht unter anderem aus einer Erklärung der Stadt vom 25. November 1948 – kurz nach dem Satzungsbeschluss für die „neue“ Zeppelin-Stiftung – hervor, die damals einer Tageszeitung beigelegt wurde. Unter dem Titel „Entwicklung und Bedeutung der Zeppelin-Stiftung“ steht geschrieben: „In der Fürsorge für das mildtätige Stiftungsvermögen und in der einwandfreien Abrechnung zwischen Stadt und Stiftung besteht für alle Zukunft eine der erste Rechts- und Ehrenpflichten der Stadtverwaltung.“ Mehr noch: Die Einwohnerschaft habe „in aller Zukunft darüber zu wachen, dass das Stiftungsvermögen weiterhin ehrlich zu mildtätigen Zwecken verwaltet wird “. Der gesamte Geist dieser Schrift lässt keinen Zweifel, dass die Zeppelin-Stiftung 1948 als Erbe des Grafen gesehen wird, das die Stadt „ausschließlich zum Wohle der Hilfsbedürftigen verwaltet und auch in Zukunft für keinen anderen Zweck verwenden wird“. Diese Haltung wurde bei einer Satzungsänderung der Stiftung Ende 1954 noch einmal bestätigt.

Stadt änderte Stiftungszweck radikal

Diese Unabänderlichkeit laut Paragraf 5 der Stiftungssatzung von 1948 hielt keine zehn Jahre. 1957 änderte die Stadt unter Oberbürgermeister Grünbeck die Satzung erneut – und ihre Auffassung bezüglich des Stiftungszwecks radikal. Die Stiftungserträge waren fortan eben nicht mehr nur mildtätig, sondern „unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige und mildtätige Zwecke… zu verwenden“ – eine Formulierung, die bis heute in der Satzung steht. Wie es zu dem Sinneswandel kam, geht aus der Drucksache des baden-württembergischen Landtags mit der Nummer 10/4963 hervor, die 1991 vom damaligen Rechnungshof-Direktor und dessen späteren Präsidenten Dr. Otto-Günter Lonhard maßgeblich verfasst wurde. Er wollte den Landtag mit der Frage befassen, ob die Zeppelin-Stiftung für immer bei der Stadt Friedrichshafen bleiben müsse. Auf Seite 5 dieser Abhandlung wird ausgeführt, dass die Stiftungserträge 1957 eine solche Höhe erreicht hätten, dass sie nach Aussagen damaliger Gemeinderäte in den Grenzen der Mildtätigkeit kaum mehr unterzubringen waren. Es bleibe gar keine andere Wahl, als den Stiftungszweck „unter Verzicht auf die Voraussetzungen der Bedürftigkeit der unterstützten Personen und der Unterhaltung von Stiftungseinrichtungen nur für minderbemittelte Bevölkerungskreise“ zu erweitern. Mit Einverständnis des Regierungspräsidiums konnte Friedrichshafen die Stiftungserträge fortan „bis hin zum Stadthallenbau“ einsetzen. Damit war das Graf-Zeppelin-Haus gemeint.

„Wir halten uns an den Stifterwillen“, sagte Oberbürgermeister Andreas Brand im Oktober 2015 im SÜDKURIER-Interview. Nach Auffassung von Graf Brandenstein-Zeppelin halte sich die Stadt aber nicht einmal an ihre eigene Stiftungssatzung, die 1947 geschrieben wurde. Mildtätig sei, einer Familie, die von Sozialhilfe lebt, den Eintritt ins Schwimmbad zu sponsern, nicht aber ein ganzes Schwimmbad auf Kosten der Zeppelin-Stiftung zu bauen. Ganz abgesehen davon, dass 1955 das Verbot der Alliierten für Deutschland fiel, sich auf dem Gebiet der Luftfahrt zu betätigen. Noch vor der Ausweitung des Stiftungszwecks auf gemeinnützige Aufgaben, die erst zwei Jahre später erfolgte, hätte die Zeppelin-Stiftung gemäß des historischen Stifterwillens sich wieder hauptsächlich der Luftfahrtforschung widmen können.

Zu diesem Schluss kommt auch eine Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags vom 19. März 1982, die sich mit dem „Gegenwärtigen Zweck der Zeppelinstiftung“ befasste. Darin steht, die Stadt habe immer die Ansicht vertreten, ihr allein stünden die Erträge zu, weil mit der Übertragung des Stiftungsvermögens auf die Stadt, „für alle Zeiten festgelegt worden (sei), dass die Erträge nur noch wohltätigen Zwecken“ zugute kommen sollten. Da der Friedrichshafener Oberbürgermeister immer zugleich Vorstandsvorsitzender der Zeppelin-Stiftung ist, „sind alle Versuche, eine erneute Änderung des Stiftungszwecks herbeizuführen, bisher ergebnislos verlaufen“. Diese „immer wieder intern und von außen angestoßenen Überlegungen“ auch des Landes-Innenministeriums „wurden jedoch nie zu einer definitiven Entscheidung geführt“, so Rechnungshofdirektor Otto-Günther Lonhard 1991. An dieser Entscheidung führt für Graf Brandenstein-Zeppelin jetzt kein Weg mehr vorbei.

Klare Definition

„Die Begriffe Wohltätigkeit, Mildtätigkeit oder Gemeinnützigkeit sind ja keine rechtlich statischen Begriffe“, sagte Oberbürgermeister Andreas Brand im SÜDKURIER-Interview vom 6. Oktober 2015. Doch die gibt es, beispielsweise in der Abgabenordnung (AO):

Gemeinnützigkeit (Paragraf 52) ist demnach gegeben, wenn die Allgemeinheit auf materiellem, geistigen oder stittlichem Gebiet selbstlos gefördert wird, zum Beispiel bei der Förderung von Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur.
Ein mildtätiger Zweck liegt laut Paragraf 53 AO vor, wenn Personen selbstlos unterstützt werden, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind oder deren Bezüge nicht höher sind als das Vierfache des Regelsatzes der Sozialhilfe. (kck)


 

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