Eines ist sicher: Wenn das New Jazzport Orchestra beim X-mas Special anderthalb Stunden lang amerikanische Weihnachtsschlager verjazzen würde, wäre das dem Stammpublikum im vollen Casino ein Graus. Hintenraus jagt das NJPO zwar noch ein bisschen was Weihnachtliches wie „Let it snow“ und „God rest ye, merry gentlemen“ – ansonsten aber packt man die Sache anders an. Zum Beispiel mit „God bless the child“ von Billie Holiday. Immerhin könnte man das für ein Weihnachtslied halten, zumal das NJPO den Song in der Version von Blood, Sweat & Tears spielt, die noch ein besinnliches Turmbläserarrangement darum gestrickt haben. Aber wenn dann Pete Schmid drauflossingt, irgendwo zwischen lässigem Crooner und wütendem Bluessänger, dann wird klar, dass es in diesem Song um was anderes geht als um die selige Weihnachtzeit: „Mama may have, and papa may have. God bless the child that’s got his own.“ Sehr frei übersetzt: Man ist im Leben am besten dran, wenn man keinen Menschen um Geld zu bitten braucht – weil man sein eigenes hat. Ja, bei dieser Botschaft schluckt das rotnasige Rentier recht trocken, aber die Band geht fett ab in dieser regelrecht sinfonischen Bläsernummer voller Tempo- und Temperamentswechseln. Am Schluss bricht sie auch noch in rassigen Salsa aus.

Und es ist nicht die einzige Großtat dieser schönen Jazzbescherung kurz vor Heiligabend. Da ist auch noch „Deacon Blues“ von Steely Dan. Wer sich das anhört, müsste eigentlich Smoking tragen, um der Klasse und dem Stil dieses Sounds auf Augenhöhe zu begegnen. Elegant, in Soul gebadet, leicht melancholisch ist das alles. Sollte man sich mit einem Drink in der Hand anhören, auf einem Wolkenkratzer, mit Blick aufs nächtliche Lichtermeer von Los Angeles. Kommt im Casino aber natürlich auch nicht schlecht.

Außerdem ist da noch „Strasbourg/St. Denis“ aus der Feder von Roy Hargove. Die größte Überraschung des Konzerts, weil dieses Stück wohl kaum jemand kannte. Das NJPO taucht ganz tief ein in Funk und Soul, seine Bläsermaschinerie ist außerordentlich geschmeidig und die Instrumente der beiden Solisten Florian Loebermann (Saxofon) und Markus Ziegler (Trompete) umtanzen einander wie die Schmetterlinge.

Viel Liebgewordenes ist auch dabei. Etwa „Mr. Bojangles“, dieser mitfühlende Blick auf eine herunter- und in die Jahre gekommene Tingeltangel-Existenz. Das NJPO inszeniert den Song mit aller gebotenen Leichtigkeit, als geschwinden Walzer, passend zum Text, in dem es heißt: „Mr. Bojangles, dance!“

Auch „Beyond the sea“ gelingt wunderbar, mit einem fingerschnippenden Pete Schmid. Mit seinem lässigen Scatting steckt er – „Bada-baba-dab“ – das Publikum an, als hieße er Sinatra und sänge „Schubi-dubi-du“. Nur, dass Sinatra über das mitbabbelnde Publikum sicher nicht noch ein Kinderlied legen würde: „Denn bald kommt der Weihnachtsmann, kommt mit seinen Gaben.“ Punktsieg also für Pete Schmid. Aber auch für die Band in seinem Rücken, die sich vollendet in diesen Retro-Swing einfühlt. Die 17 Männer klingen hier so augenzwinkernd gesittet wie Jack Lemmon und Tony Curtis als Mitglieder der Damenkapelle in „Manche mögen’s heiß“.

„Fly me to te moon“ in der druckvollen Version und „Summerwind“, gut, das nimmt man so mit wie das tägliche gleich belegte Vesperbrot, an dem man sich im Lauf der Jahre sattgegessen hat. „Caravan“ ist da von anderem Kaliber: Das NJPO steppt fußspitzig daher, ist tigermäßig auf dem Sprung, gleicht nirgends einem durch die Soundwüste tappenden Karawanenkamel.

Vielleicht gibt es jemanden, dem das alles zu wenig weihnachtlich war. Aber für diesen Fall gibt es ja noch den Trompetensatz des NJPO, der am Schluss verkleidet auf der Bühne steht, im Schneemänner- und Christbaum-Outfit. Dass die Trompetentannen ein wenig an Kermit den Frosch erinnern, ist nicht weiter schlimm. Schon Kermit wusste schon ein Lied davon zu singen: „It’s not easy being green“.

 

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