Totenköpfe, Mandalas, Schriftzüge oder doch nur kleine Symbole: Tattoos sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Zahlen der Umfrageinstitute zeigen, dass sich die Einstellung zu Tattoos verändert hat: Laut den Meinungsforschern von YouGov haben 15 Prozent der Deutschen ein Tattoo. Doch hat die Arbeitswelt mit ihren Regeln, Richtlinien und Formalien sich der Gesellschaft bereits angepasst? Und wer tätowiert überhaupt in Friedrichshafen? Der SÜDKURIER hat bei den Arbeitgebern in der Zeppelinstadt nachgefragt, sich mit dem medizinischen Standpunkt sowie der Entfernung unliebsamer Jugendsünden beschäftigt und Häfler Tattoostudios besucht.
Tattoo als Jobkiller?
Die Klischees sind bekannt: Ein Tattoo kann die Karriere verbauen, wirkt sich bei Bewerbungsgesprächen nachteilig aus und ist in der Geschäftswelt generell nicht gern gesehen. Trotz der steigenden Verbreitung der Körperkunst sind diese Ansichten immer noch aktuell. Bei Suchanfragen im Internet gehört die Vereinbarkeit von einem bestimmten Beruf und einem Tattoo zu den ersten Ergebnissen. Auf die Anfrage dieser Zeitung haben das Häfler Bankwesen, die Stadtverwaltung sowie führende Industriebetriebe Auskunft gegeben:
Häfler Bankwesen
Thomas Stauber, Vorstand der Volksbank Friedrichshafen, gibt an, dass jeder grundsätzlich tun und lassen kann, was er will. Die Personalentscheidung würde dies nicht beeinflussen. „Jedoch bitten wir unsere Angestellten, möglichst dezent zu sein und entsprechend auszusehen. Ein Tattoo im Gesicht gehört da beispielsweise nicht dazu.“ Was während der Dienstzeit verdeckt werden oder im Falle eines Piercings abgenommen werden kann, gehe jedoch in Ordnung.
Das Gleiche gilt für die Sparkasse, bestätigt Pressesprecher Wolfgang Aich. „Wir sagen unseren Azubis, dass Tattoos nicht sichtbar getragen werden dürfen. Kunden könnten sich durch zu ausgefallene Motive gestört oder belästigt fühlen.“ Eine Lockerung bei der Tattoofrage sei für die Sparkasse eine Gratwanderung, die nicht einfach zu meistern ist.
Stadtverwaltung Friedrichshafen
Monika Blank, Sprecherin der Stadtverwaltung Friedrichshafen, schlägt ähnliche Töne wie die Vertreter der Banken an: „Es gibt keine ausdrückliche gesetzlichen Regelungen für Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Bezug auf Tattoos.“ Demnach sei dies in einem Bewerbungsverfahren keinesfalls hinderlich. „Unsere Personalauswahlverfahren richten sich nach einem vor der Auswahl erstellten Anforderungsprofil. Wer die Kriterien des Anforderungsprofils erfüllt oder am besten erfüllt, erhält dann auch die Stelle.“ Allerdings räumt die Sprecherin ein, dass das äußere Erscheinungsbild für manche Positionen durchaus eine Rolle spielen kann. Abhängig sei dies unter anderem von der Funktion oder der Außenwirkung. „Insofern könnte unter Umständen ein offensichtliches Tattoo bei der Auswahl von Bedeutung sein“, so Blank.
Industrie aus der Region
Wenig Aufmerksamkeit erregt das Thema Tattoo in den Industriebetrieben. Mathias Pikelj, Sprecher von Airbus Defence and Space, gibt an, dass es bei Airbus „keine gesonderten Regelungen“ hierzu gebe.
Ähnlich verhält es sich auch bei ZF Friedrichshafen, wie ihr Sprecher Jochen Mayer bestätigt: „Nach Auskunft der Fachkollegen aus der Personalabteilung gibt es bei ZF keine Regelung hinsichtlich Tattoos bei Bewerbern oder Mitarbeitern. Wir orientieren uns bei der Rekrutierung an der Qualifikation.“
Laut Wolfgang Boller, Sprecher der MTU Friedrichshafen, stehe auch bei diesem Betrieb die Qualifikation im Vordergrund. Allerdings: "Tattoos, die rassistische, radikale oder verfassungsfeindliche Überzeugungen symbolisieren oder die Zugehörigkeit zu Banden vermuten lassen, sind für uns zumindest Anlass für entsprechende Nachfragen, um festzustellen, ob der Bewerber zu uns und zu der zu besetzenden Stelle passt."
Tätowierer kommen zu Wort
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Michael Krumm, Port Royal Tattoo: "Schnörkel, Spitzen, Blumen, Schriften"
Michael Krumm von Port Royal Tattoo: "Mein Style sind Schnörkel, Spitzen, Blumen, Schriften, Totenköpfe, Muster und Ornamente." | Bild: Sandro Kipar
Die Vorliebe für die natürlichen Motive habe ich von meiner früheren Tätigkeit als Steinbildhauer übernommen. Ich mag eben das Barocke. Die Grenze ziehe ich neben den verbotenen Symbolen bei Schriftzügen, die ich nicht verstehe. Ich möchte wissen, was ich da genau schreibe." -
Ulli Ellerbrock, Die Fröhlichen Stecher: "Die Passion des Tätowierens"
Ulli Ellerbrock von Die Fröhlichen Stecher: "Die tägliche kreative Herausforderung und die Arbeit mit Menschen ist für mich die Passion des Tätowierens." | Bild: Sandro Kipar -
Monika Tierno, Bodystyle: "Von Tattoos am Hals raten wir ab"
Monika Tierno von Bodystyle: "Vor allem bei unseren jungen Kunden raten wir von einem Tattoo am Hals oder an den Händen generell ab." | Bild: Sandro Kipar
Lasern und gesundheitliche Risiken

"Die Leute kommen oft mit alten Tattoo-Sünden zu mir, die sie vor 30 Jahren haben machen lassen", berichtet Yildriz Yildirim von Seestern Kosmetik. Das Problem sei allerdings, dass die Farbpigmente mit fortschreitendem Alter immer schlechter weg gehen. "Der Laser bringt die Pigmente zum Platzen. Die Moleküle werden dann vom Körper abgebaut." Dieser Vorgang ist laut Yildirim jedoch schmerzhaft und benötigt viel Zeit. Ihre längste Arbeit an einer Tattoo-Entfernung betrug etwa drei Jahre.
"Ich behandle meistens Frauen. Die haben dann einen Hasen auf dem Po oder ein Steißbeintattoo, was in den 90ern mal angesagt war", erklärt Yildirim. Für viele ihrer Kunden bedeutet das jedoch keinesfalls ein Abwenden von der Körperkunst: Oftmals soll an der selben Stelle dann etwas Neues entstehen. "Wenn Haut und Körper sich wieder erholt haben, ist das auch kein Problem."
Neben dem bekannten Lasern kann laut Yildirim ein Tattoo auch mit einem sogenannten "Remover" entfernt werden. Der Vorgang ist hierbei dem Tätowieren nicht unähnlich: Mit kleinen Nadeln wird Fruchtsäure unter die Haut gespritzt. "Das geht viel schneller und ist genauer", so Yildirim. Allerdings ist diese Methode für große Flächen eher ungeeignet.
Die Kosmetikerin selbst hat kein Tattoo, aber trotz ihrer Arbeit ist sie der Szene gegenüber aufgeschlossen: "Ich hätte gerne eins, aber ich bin dafür zu ängstlich. Was, wenn es mir morgen nicht mehr gefällt?"

Die Häfler Dermatologin Simone Schreiber dagegen hat ein Tattoo. Eine kleine Schlange am Knöchel. "Eine Jugendsünde", gibt Schreiber zu. Doch mit dieser Erfahrung kann die Ärztin aus erster Hand berichten, was beim Tätowieren überhaupt passiert: "Die Nadel sticht ein Loch in die Haut und setzt dort ein Farbpigment ein." Der Tätowierer müsse dabei darauf achten, dass die Tiefe stimmt. Sitzt das Farbpigment zu hoch oder zu tief, erzielt es nicht den gewünschten Effekt. "Die Haut ist außerdem nicht überall gleich dick. Ein guter Tätowierer muss das wissen, um gleichmäßig stechen zu können", erklärt Schreiber.
Da die Haut verletzt und obendrein noch ein Fremdkörper eingesetzt wird, bestehen mehrere Risiken, so die Ärztin. Durch die Verletzung könne es zu einer Wundinfektion kommen. Dies passiere, wenn der Tätowierer nicht hygienisch arbeitet. Auch möglich sei eine allergische Reaktion der Haut mit Pusteln, Blasenbildung oder Schuppungen: "Von außen kann ich dann versuchen, das mit Cortison abzufangen. Wenn das nichts hilft, muss das Pigment zerstört werden."
Bei der Zerstörung eines Farbpigments könne laut Schreiber die Medizin noch nicht genau sagen, was die Stoffe danach im Körper anstellen. "Dafür ist die Lasermethode noch zu jung." Auch die Ärztin bescheinigt dieser Methode zeitintensiv, schmerzhaft und teuer zu sein. "Keine Krankenkasse übernimmt eine Tattoo-Entfernung, weder die Privaten noch die Gesetzlichen." Die Preisspanne beginnt laut Schreiber bei 80 Euro pro Sitzung. (kip)