Whisky statt Posaunen, Gin statt Blasmusik. Beim diesjährigen Seehasenfest heißt es in der Musikmuschel Bar statt Bühne. Denn dort, wo in den vergangenen Jahres traditionell Häfler Musikkapellen aufgespielt haben, wird bei der 68. Auflage des Kinder- und Heimatfestes das Kressbronner Weingut Steinhauser mit einer Spirituosen-Bar Premiere feiern. "Wir passen scheinbar nicht mehr ins Konzept", ärgert sich Jochen Vöhringer, Vorsitzender der Musikkapelle Schnetzenhausen. Von Ailingen bis Fischbach fühlen sich die Musiker vor den Kopf gestoßen. Die Stimmung ist angespannt, Rufe nach einem Boykott des Fests werden laut. "Wenn sie uns nicht wollen, dann gehen wir eben woanders hin", sagt Vöhringer im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Das Seehasenfest ohne Beteiligung von Häfler Musikkapellen. Derzeit sieht es danach aus, dass der Auftritt beim Festumzug der einzige für die Vereine bleiben wird. "Vor ein paar Tagen hat ein anderer Festwirt bei einer Häfler Kapelle angefragt, aber konkret ist noch nichts vereinbart", sagt Laura Bolz, Vorsitzende des Musikvereins Ailingen. In den vergangenen Jahren seien die Verträge zwischen Pächtern und Kapellen bereits im Januar in trockenen Tüchern gewesen. Jetzt, knapp drei Monate vor dem Seehasenfest, stehen die Häfler Vereine bislang ohne Auftritt da.

Grund hierfür ist das Konzept des neuen Pächters des Biergartens an der Musikmuschel. Für die nächsten fünf Jahre heißt der Breitengrad. Im Gegensatz zu Thomas Zehrer, der die Vereine in den vergangenen Jahren regelmäßig engagiert hat, verfolgt die Firma Breitengrad-Location ein anderes Konzept. "Wir werden eine Bühne direkt im Festzelt haben", erklärt Christa Kornberger, Geschäftsführerin des Gastronomiebetriebs aus Eriskirch. Bislang war Kornberger Pächterin des Festzeltes am Gondelhafen. In ihrem neunten Jahr als Wirtin auf dem Seehasenfest schlägt sie ihr Zelt nun direkt an der Musikmuschel auf. "Die Lage direkt an der Freitreppe ist natürlich ideal. Außerdem gestaltet sich auch der Aufbau des Festzeltes dort sehr viel einfacher", so Kornberger. Das Programm, das im Zelt geboten werden soll, stehe schon fest. "Volkstümlich" sei es, aber mit "frischem Wind", sagt Kornberger. Statt den Häfler Kapellen sind Partybands wie "Andixie" aus Tettnang und "Alpenhohl" aus Überlingen gebucht, mit denen man in der Vergangenheit schon gute Erfahrungen gemacht habe. Man wolle eine attraktive Mischung für alle Altersgruppen bieten – und das täglich bis zur Sperrstunde.

Die Stadt hat Schwierigkeiten, Pächter zu finden

Eine Häfler Musikkapelle tritt im Breitengrad-Festzelt nicht auf. Kornberger begründet diese Entscheidung mit der Größe der Vereine. "Die meisten Gruppen bestehen aus knapp 50 Musikern. Für so viele Personen ist die Bühne einfach zu klein", erklärt die Wirtin. Keine der Bands, die sie engagiert habe, bestünden aus mehr als zehn Personen. Auf die Musikmuschel als Bühne habe man witterungsbedingt nicht setzen wollen. In der Vergangenheit sei es bei Regen vorgekommen, dass die Musikkapellen zum Schutz der Instrumente und Anlagen nicht aufgetreten seien. "Ich kann es mir nicht leisten auf Musik zu verzichten, den Gästen muss ja etwas geboten werden", sagt Kornberger. Bei den Vereinen wird gemunkelt, dass diese Begründung nur vorgeschoben sei. Tatsächlich gehe es um die Gage für die Häfler Musiker. Peter Moser, Geschäftsführer von Getränke Moser und Sprecher der Festwirte auf dem Seehasenfest, bestätigt, dass das Seehasenfest generell ein hohes finanzielles Risiko für die Gastronomen darstelle. "Die Stadt hat inzwischen Probleme, Pächter zu finden. Nur wenn man durchgehend gutes Wetter hat, schreibt man als Wirt garantiert schwarze Zahlen", so Moser. Ein Schreiben von Bürgermeister Holger Krezer an die CDU-Gemeinderätin Mirjam Hornung bestätigt den Verdacht der Vereine. In der Stellunganhme ist vom finanziellen Aufwand, welcher bei den Häfler Kapellen "deutlich höher" als bei überregionalen Bands ausfalle, die Rede. Neben den Gagen seien viele Getränke- und Essensmarken ausgegeben worden.

Zudem teilt Krezer in dem Schreiben mit, dass das Feedback in den Augen der Betreiber in den letzten Jahren "verhalten" gewesen sei und der neue Pächter wegen des "Kosten-Nutzen-Faktors" nicht bereit wäre, die Häfler Kapellen zu engagieren.

Die Stadt Friedrichshafen habe keinerlei Einfluss auf die Gestaltung des Programms. Dies wäre nach Angaben Krezers auch "nicht sinnvoll", da das unternehmerische Risiko bei den Pächtern liege.

Die Entscheidung über die Vergabe der Pachten liegt bei der Stadt Friedrichshafen. Hermann Dollak, Vorsitzender des Seehasenfestkomitees, bestätigt im Gespräch mit dem SÜDKURIER, dass die Konzeption Bestandteil des Vertrages zwischen Stadt und Pächter ist. Bei der Gestaltung des Programms seien die Pächter frei, Voraussetzung sei lediglich, dass die Musik "adequat für ein Heimatfest" sei. Als Festkomitee sei man jedoch bemüht möglichst viele Häfler in die Feierlichkeiten einzubinden. Dass bisher keiner der Vereine fest engagiert sei, bezeichnet Dollak als "bedauerlich". In der heutigen Klausurtagung, bei der die Pächter, die Stadt und das Festkomitee zusammentreten, werde das Thema zur Sprache kommen. "Wir müssen jetzt schauen, wie wir in dieser verfahrenen Situation Lösungen finden", so Dollak.

Die Vereine sind auf Gage angewiesen

Gegen den Vorwurf der hohen Ausgaben für einen Auftritt wehrt sich Jochen Vöhriger. Pro Stunde habe der Schnetzenhausener Verein 220 Euro sowie jeweils ein Essens- und Getränkemärkchen pro Musikant bekommen. Im Anbetracht der Größe der Kapellen und dem betriebenen Aufwand sei dieser Preis nicht zu hoch. Der Auftritt beim Festumzug sei an die jährliche städtische Förderung der Vereine gebunden und werde nicht zusätzlich bezahlt. Dies reiche aber nicht aus, so Vöhringer. "Von diesem Förderbeitrag kann kein Verein leben. Ich bekomme es den Mitgliedern nicht mehr vermittelt, weshalb sie ohne Zuwendungen solch einen Aufwand betreiben sollen", sagt der Vorsitzende. Die Kapellen seien auf Auftritte wie dem auf dem Seehasenfest angewiesen. Für ihn ist es unverständlich, wie ein Heimatfest ohne heimische Musiken geplant werden kann.

Die Ausschreibung für die 1344 Quadratmeter große Pachtfläche an der Musikmuschel endete im September 2015. Im Oktober bekam Breitengrad die Zusage. Aus ihrem beim zuständigen Dezernat vorgelegten Konzept sei klar hervorgegangen, dass die Musikmuschel nicht als Bühne geplant ist. Nach Angaben Kornbergers habe man der Stadt angeboten, die Musikmuschel selbst zu nutzen. Dies sei von der Stadt als "nicht umsetzbar" abgelehnt worden. Auf Anfrage des SÜDKURIER, ob es dieses Angebot tatsächlich gegeben hat, möchte die Stadt bislang keine Stellung beziehen. In der Antwort schreibt Pressesprecherin Andrea Gärtner, dass es noch offene Fragen zum Programmablauf beim Seehasenfest gebe und in einer in den nächsten Tagen stattfindenen Klausurtagung geklärt werden müsse "ob und wie" die heimischen Vereine in den Festbetrieb einbezogen werden könnten.

Bürgermeister Krezer war trotz Aufforderung unserer Redaktion nicht zu einer Stellungnahme bereit.

CDU-Rätin Mirjam Hornung brachte das Thema am Montag in der Gemeinderatsitzung zur Sprache. In der Diskussionen stellten sich Sprecher aller Fraktionen hinter die Häfler Vereine. "Es ist bemerkenswert, dass die Stadtverwaltung bei der aktuellen Vergabeentscheidung weder ihrer Verantwortung den Vereinen gegenüber noch dem Fest als solchem gerecht geworden ist", so die CDU-Rätin. Dass sich gestern anstelle von OB Andreas Brand Pressesprecherin Monika Blank dazu äußerte, bezeichnet Hornung als "sehr unerfreulich".

Brand gab in der Sitzung bekannt, dass er zum jetzigen Zeitpunkt "nicht im Detail" über den Sachverhalt Bescheid wisse. In dem Schreiben, das dem SÜDKURIER vorliegt, ist er jedoch im Verteiler aufgeführt. Holger Krezer als zuständiger Dezernent war bei der Sitzung nicht anwesend. Man wolle demnächst im Kultur-und Sozialausschuss über das Thema spechen, so Brand.

Die Vereine hoffen weiterhin, dass es für sie noch eine Möglichkeit geben wird, doch auf dem Seehasenfest aufzutreten. Das Schreiben von Krezer sorgte bei vielen Vereinen für Wut und Enttäuschung. "Es ist schade, dass sich eine Stadt nicht mehr für seine Vereine einsetzt", resümiert Vöhringer.