Clown Polly ist ein bisschen schüchtern, sie traut sich erst gar nicht in Zimmer. Clownsfreundin Kleo muss sie über die Schwelle stubsen. Aber als sie die Plätzchen auf dem Tisch sieht, taut sie auf: „Ich hab noch gar nichts gegessen, da ist Platz in meinem Kleid!“, sagt Polly und zupft an ihrem schwarzen Kittel. Dann setzt sie sich zu Theresa Beier an den Tisch. Die alte Dame sitzt im Rollstuhl und blickt vor sich hin. Als Polly ihr einen kleinen Ball zurollt, verfolgt sie den erst nur mit den Augen, dann nimmt sie ihn in die Hand. „Das ist ein schöner Ball, gell?“, fragt Polly sanft. Frau Beier lächelt.
Die Rote-Nasen-Clowns sind zu Besuch im Franziskuszentrum. Seit August kommen sie jede Woche her und besuchen im Wechsel eine Wohngruppe und die Schwerstpflegestation. Sie kennen die Bewohner. Christine Müller etwa singt gern und damit ist sie bei Kleo genau richtig. „Für eine Nacht voller Seligkeit da geb ich alles hin! Doch ich verschenk mein Herz nur dann, wenn ich in Stimmung bin“, trällert sie und Müller macht mit.
Katharina Krampulz ist eine der ältesten Bewohnerinnen, aber sie entdeckt sofort, dass die Clowns heute nicht allein sind: Der künstlerische Leiter des Vereins Reinhard Horstkotte ist aus Berlin angereist. „Der junge Mann soll herkommen!“, verlangt Krampulz und hakt sich bei ihm ein. Als der sie zu einem Tänzchen auffordert, ist sie dabei. „Aber nicht küssen!“, warnt sie, als es im Text weitergeht: „Auf jedes Wort voller Zärtlichkeit, da hör' ich gerne hin und fange gleich zu küssen an, wenn ich in Stimmung bin!“ Horstkotte guckt so enttäuscht, wie es sich gehört.

Viel zu schnell ist es vorbei. Zum Glück kann Kleo auf Knopfdruck an ihrer linken Schulter noch mehr Lieder abspielen. „Die Fischerin vom Bodensee“ kommt als nächstes und da singen noch mehr Bewohner mit. Volkslieder und alte Schlager gehen immer. Selbst schwer an Demenz erkrankte Bewohner reagieren auf die Melodien ihrer Kindheit und Jugend. „Ich habe neulich eine alte Dame kennengelernt mit fortgeschrittener Demenz, die kannte alle Strophen von „Auf der Schwäbsche Eisenbahn“ auswendig, und das sind viele“, erzählt Horstkotte.

Die Betriebskrankenkassen ZF und Partner, MTU und Seidensticker Gildemeister unterstützen das Projekt als Präventionsmaßnahme. Zu Recht, sagt Pflegedienstleiterin Susanne Ewald. Sie weiß, dass der Kontakt zu den schwerst Pflegebedürftigen nicht leicht herzustellen ist: „Wir beobachten, dass sie entspannter sind, wenn die Clowns da waren, dass es ihnen besser geht.“ Seit 15 Jahren gibt es den Verein in Deutschland. Die Roten Nasen besuchen kranke und leidende Kinder und Erwachsene. „Es geht auch ums Lachen, aber vor allem um den Kontakt, um die Herzensbindung“, beschreibt Reinhard Horstkotte ihren Ansatz.

Statt fertiger Witze improvisieren sie, gehen auf ihr Gegenüber ein und lachen mit ihm. Wenn ein dementer Mensch in seiner eigenen Welt lebt, ist das für die Clowns weniger ein Problem als ein Spielangebot. „Wir nehmen für einen Moment die Einsamkeit und die Angst“, sagt Sandra Schüssler, die als Kleo mit Häkelweste, Ringelstrümpfen und Plastikgitarre unterwegs ist. "Clowns dürfen andere Sachen als Pfleger, die dürfen frech sein oder die Menschen anfassen", ergänzt Birgit Braun alias Polly mit rosa Filzhut und verschiedenen Schuhen.

Sie greift nach der Hand von Ilse Werner, die regungslos am Tisch sitzt. "Darf ich Ihnen ein bisschen Glück einschenken?", fragt sie und holt ein Töpfchen aus ihrer Handtasche. "Ja", sagt Werner leise und reibt sich damit die Hände ein.