Tobias Lange

Für Bahnreisende zwischen Friedrichshafen und Lindau brechen bald schwierige Zeiten an. Denn ab Montag, 16. September, wird die Schienenstrecke wegen der Elektrifizierung der Südbahn für rund drei Monate gesperrt. Statt einer halbstündigen Zugfahrt stehen Fahrgästen bis zum 21. Dezember 50 bis 60 Minuten im Schienenersatzverkehr (SEV) bevor – sofern die Busse nicht im Verkehr stecken bleiben.

Keine Garantie für Reisende

Theoretisch ist diese Fahrtzeit realistisch. Denn sie wurde durch Abfahren der Strecke ermittelt, erklärt ein Bahnsprecher auf Nachfrage. „Dabei wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde angesetzt, die bei stehenden Fahrgästen nicht überschritten werden darf.“ Vor den Endpunkten Lindau und Friedrichshafen sei ein zusätzlicher Puffer von mindestens fünf Minuten vorgesehen, um Verzögerungen ausgleichen zu können. „Dieses Verfahren hat sich bei den bisherigen SEV zwischen Ulm und Aulendorf gut bewährt.“

Dennoch gibt die Bahn keine Garantie, dass Fahrgäste einen eventuellen Anschlusszug tatsächlich erreichen. Sollte es zu einer Verspätung kommen, können Züge und die SEV-Busse in Friedrichshafen allerdings bis zu fünf Minuten aufeinander warten. „Damit sollte erwartungsgemäß eine hohe Anschlusssicherheit gegeben sein“, meint der Bahnsprecher.

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Ansonsten gelten auch für den SEV die üblichen Fahrgastrechte. So erstattet die Bahn beispielsweise 25 Prozent des Fahrpreises, sollte das Ziel mit einer Verspätung von 60 Minuten erreicht werden. Konkret wären das bei einer einfachen Fahrt von Friedrichshafen nach Lindau mit Fahrkosten von 4,95 Euro rund 1,20 Euro, die dem Fahrgast eigentlich zustehen würden.

Allerdings werden Beträge unter vier Euro nicht erstattet, stellt die Bahn klar. Zeitkarteninhaber haben hingegen die Möglichkeit, mehrere Verspätungen geltend zu machen, um über diese Grenze zu kommen. Die Verspätungsfälle sind dafür nach Ablauf der Gültigkeit der Fahrkarte gesammelt beim Servicecenter Fahrgastrechte einzureichen.

Platz für 6000 Fahrgäste pro Tag

Eine Garantie gibt es hingegen dafür, dass alle regulären Haltestellen auch während den Bahnarbeiten angefahren werden. „Alle regulären Zwischenhaltestellen der Züge werden mindestens stündlich bedient“, heißt es seitens der Bahn. Die Haltestellen Kressbronn, Langenargen, Nonnenhorn und Wasserburg tagsüber halbstündlich. Dafür werden insgesamt bis zu sechs Busse gleichzeitig im Einsatz sein. Allerdings gehen die Verantwortlichen bei der Bahn davon aus, dass ein Bus pro Fahrlage ausreichen wird. Als Fahrlage wird der Zeit- und Streckenplan für eine Bus- oder Zugfahrt vom Start bis zum Ziel – in diesem Fall von Friedrichshafen nach Lindau oder von Lindau nach Friedrichshafen – bezeichnet. Das bedeutet also, dass von einer Haltestelle in eine Richtung immer nur ein Bus abfahren wird und nicht mehrere direkt hintereinander fahren werden.

Der Schienenersatzverkehr ist für Häfler nichts neues. Ab Mitte September kommen die Busse zwischen Friedrichshafen und Lindau zum Einsatz.
Der Schienenersatzverkehr ist für Häfler nichts neues. Ab Mitte September kommen die Busse zwischen Friedrichshafen und Lindau zum Einsatz. | Bild: Lippisch, Mona

Ob das ausreichen wird, ist für Außenstehende schwer zu sagen. Zumal die Deutsche Bahn „aus Wettbewerbsgründen“ keine Auskunft darüber gibt, wie viele Fahrgäste durchschnittlich an einem Tag zwischen Friedrichshafen und Lindau unterwegs sind. Was die Bahn aber preisgibt, sind die Buskapazitäten, die die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg bestellt hat. Unter der Woche wird demnach täglich mit einem Platzbedarf für etwa 3000 Fahrgästen je Richtung gerechnet, am Wochenende wird mit jeweils 2500 Personen kalkuliert. „Spitzenzeiten wie Berufs- und Schülerverkehr wurden nach bestem Wissen berücksichtigt“, sagt der Bahnsprecher. „Hier kann aber nachgesteuert werden.“

Vollsperrung ist unumgänglich

Der Schwerpunkt der Arbeiten zwischen September und Dezember wird in der Konstruktion der Oberleitung liegen, heißt es seitens der Bahn. Hierzu werden die Maste entlang der Strecke gesetzt und das sogenannte Kettenwerk über der Schiene gezogen, das unter anderem aus dem oberen Tragseil, dem darunter verlaufenden Fahrdraht und Hängern besteht. Daneben soll eine neue Eisenbrücke über die Argen bei Langenargen gebaut werden.

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Dass dafür die gesamte Strecke über den gesamten Zeitraum stillgelegt werden muss, liegt an der technischen Ausstattung. „Wenn Gleise signaltechnisch so ausgestattet sind, dass Züge im Gleiswechselbetrieb fahren können, reicht ein Gleis, um den Zugverkehr aufrecht zu erhalten“, erklärt der Bahnsprecher. Denn dann können Züge zwischen parallel verlaufende Gleise wechseln. Fehlt die nötige Technik muss hingegen ein Schienenersatzverkehr her. „Für die Sperrung zwischen Friedrichshafen und Lindau ist dies der Fall.“

Nicht die letzten Zugausfälle

Ebenfalls ab dem 16. September gesperrt ist die Verbindung Ulm-Laupheim West. Hier dauern die Bauarbeiten bis voraussichtlich 3. November. Es werden Schnellbusse mit Halt in der Ulmer Schillerstraße, in der Laupheimer Steinerstraße und am Laupheimer Bahnhof sowie Busse mit Unterwegshaltestellen in Grimmelfingen und Erbach fahren.

Die jetzt anstehenden Zugausfälle auf der Verbindung Friedrichshafen-Lindau werden nicht die letzten auf dieser Strecke bleiben. Für das erste Halbjahr 2020 kündigt die Bahn eine weitere mehrwöchige Vollsperrung samt Schienenersatzverkehr auf diesem Abschnitt an. Ab September 2020 trifft es Reisende zwischen Friedrichshafen und Ravensburg. Diese Strecke wird laut Bahn dann bis Weihnachten dicht sein.