Axel Pries

Friedrichshafen-Ailingen – Die Stadt Friedrichshafen hat ein Wohnungs- und Mietpreisproblem wie eine Metropole und muss, um es zu lösen, eine Wandlung im politischen Bewusstsein schaffen. Wohnungsbau müsse Teil der Daseinsvorsorge sein. Auf diese Botschaft lief der Diskussionsabend hinaus, zu dem die Ailinger SPD am Montagabend in das Roncalli-Haus geladen hatte – zu einem Vortrag mit dem Kölner Wohnungsbau-Experten Michael Schleicher. Der Referent hat sich durch 40-jährige vielfältige Tätigkeit in diesem Bereich einen bundesweiten Ruf erarbeitet, der 2004 auch in der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für die Wohnungsversorgungspolitik gipfelte. "Er weiß, von was er schwätzt", stellte der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Peter Lutat den Referenten vor. Er erklärte den gut 50 Zuhörern das Problem mit einem Vergleich: 25 Prozent des Einkommens für Miete auszugeben, sei bundesdeutscher Schnitt, erklärte der Vorsitzende. Aber: "Das wäre in Friedrichshafen ein Traum." Dabei seien mehrere Wohnungsbaugesellschaften "sichtlich bemüht, was zu tun". Dennoch steige in Friedrichshafen der Bedarf mit den Mieten drastisch.

Damit steht die Stadt nicht alleine, erklärte Schleicher. In Deutschland sei über zehn Jahre zu wenig für den sozialen Wohnungsbau getan worden – und erst mit dem Flüchtlingsstrom vor Augen werde wieder stärker über den Bedarf nachgedacht. "Das kann man gar nicht mehr aufholen." Friedrichshafen sei dabei tatsächlich mit einer Metropole vergleichbar: "Es boomt!" Doch der Aufschwung täusche über Probleme hinweg. Denn der Ingenieur mit 7000 Euro Gehalt sei von Sorgen über steigende Mietpreise nicht betroffen, "aber es gibt noch den Busfahrer und die Krankenschwester", stellte der Referent fest. Das seien Häfler, die großteils mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Mietwohnung aufbringen müssten – und dieser Aufwand bedeute einen Kaufkraftverlust, der sich bemerkbar mache. "Dann stirbt das Kino oder die Kneipe an der Ecke." Oder, wie ein Zuhörer bemerkte: "In der Innenstadt ist abends nichts mehr los." Der viel niedrigere bundesdeutsche Mietpreis-Durchschnitt komme durch ländliche Gebiete vor allem im Osten zustande, in denen es sogar Leerstand gebe.

Um die Entwicklung zu stoppen, brauche es einen politischen Bewusstseinswandel, erläuterte der 68-jährige Schleicher seinem Publikum, in dem eine ganze Reihe Gemeinderäte zu finden waren, die nach dem Vortrag rege nachfragten und grundsätzliche Einsicht erkennen ließen.

So wie das Problem bezahlbarer Wohnungen eine gesellschaftliche Schieflage zu werden drohe, müsse die Wohnungsbaupolitik ihre Prioritäten verändern: Wohnungsbau als Daseinsvorsorge wie die Bereitstellung von Wasser. Dabei sei bei heutigen Grundstückspreise und Bauauflagen eine Wohnung mit weniger als 11 Euro Miete pro Quadratmeter eigentlich nicht mehr wirtschaftlich zu bauen. Dennoch gebe es für die Kommune Möglichkeiten, durch Förderung mit 6,25 Euro als Mietpreis auszukommen – wenn Stadt, Land und Bund zusammenarbeiten. Das beginne beim Grundstückspreis: Mit einem 30-prozentigen Nachlass komme man dem Ziel schon näher.

Eine der ersten Maßnahmen, die die Stadt angehen könnte, sei, Platz besser zu nutzen: Für einstöckige Supermärkte werde viel Fläche verbraucht, dabei könnten auf den Marktgebäuden auch noch Wohnungen errichtet werden. Auch könne die Stadt, um die Mietpreise zu drücken, auf den Mietspiegel Einfluss nehmen, damit dieser nicht nur vom Hauseigentümerverein diktiert werde.

Am wichtigsten sei aber der Neubau – etwa mit lokalen Genossenschaften, die gefördert werden. Aber: "Das machen Kommunalpolitiker nicht gerne." Denn geförderter Wohnungsbau sei sehr teuer: 100 000 Euro koste jede Wohnung an Förderung, erklärte Schleicher. Er erlaubte sich mit dem Hinweis auf zwei neue Schwimmbäder einen Seitenhieb auf die Priorität bei der Verwendung von Mitteln aus der Zeppelin-Stiftung. Die richtigen Ansätze für ein neues Konzept seien aber in Friedrichshafen sichtbar. "Es muss ein Ruck sein!"

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