51 Vollzeitjobs sind bei MTU in Friedrichshafen aktuell ausgeschrieben, davon 24 allein für den Bereich Elektronik und vier für die Entwicklung digitaler Lösungen. Der Motorenhersteller ändert sein Geschäftsmodell. "Die Dinge sind massiv in Bewegung", umriss Marcus A. Wassenberg, Finanz- und Personalvorstand der Rolls-Royce Power System AG (RRPS) am Freitag bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für 2018 die Herausforderung für den Konzern. Nach 110 Jahren müsse die MTU das Rad quasi neu erfinden. Das Unternehmen will sich vom Motorenbauer zum Anbieter kompletter Lösungen "aus einer Hand" wandeln. Ein Beispiel ist der nagelneue Batteriecontainer.
159 Stellen abgebaut, jetzt wird eingestellt
Diese Neuausrichtung hat enorme Auswirkungen auf die rund 5500 MTU-Mitarbeiter am Standort Friedrichshafen. Eigentlich gilt bis Ende März 2020 der im Jahr 2015 geschlossene Vertrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung. Der sah unter anderem keine betriebsbedingten Kündigungen vor, aber den freiwilligen Abbau von bis zu 550 Stellen. "Das haben wir bei Weitem nicht in Anspruch genommen", erklärte Marcus A. Wassenberg. Nur 159 Mitarbeiter seien gegangen. Stattdessen stellt MTU neue Mitarbeiter ein. Kein Wunder: 2018 fuhr RRPS den größten Umsatz in der Unternehmensgeschichte ein. Die Auftragsbücher für das erste Halbjahr 2019 sind voll. Erst im Dezember gab das Unternehmen bekannt, rund 120 neue Facharbeiter im Metall- und Elektronikbereich zu suchen, um das Auftragsvolumen zu bewältigen. "Wir brauchen Facharbeiter", so Wassenberg, "aber mit anderen Qualifikationen".
Neue Berufe, neue Tätigkeiten für Mitarbeiter
Das bedeutet für viele MTU-ler, mit der Transformation des Unternehmens Schritt halten zu müssen. Die neue Strategie bedeutet auch neue Strukturen bei Berufen und Tätigkeiten. „Wir müssen unsere Mitarbeiter auf die Herausforderung der Digitalisierung und Elektrifizierung vorbereiten. Denn unsere Arbeitsplätze werden künftig moderner, flexibler und digitaler sein", erklärte der Personalvorstand. Unter anderem will das Unternehmen in diesem Jahr etwa 100 bisherige Motorenentwickler zu Elektrofachleuten umschulen. Neu im Programm bei RRPS sind Ausbildungsgänge für Informatik.

Das Unternehmen stelle hohe Anforderungen an die Mitarbeiter. Im Gegenzug wolle RRPS sichere Arbeitsplätze bieten. Über all das spreche man aktuell mit den Sozialpartnern, vom Betriebsrat bis zur Gewerkschaft. Ziel sei eine neue Vereinbarung, die den eigentlich noch ein Jahr gültigen Vertrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung vorzeitig ablösen könnte.
Batteriecontainer im Werk 1 wird Demonstrationsanlage für Kunden
Was der Vorstandsvorsitzende Andreas Schell während der Pressekonferenz mit "intelligenten Lösungen für die Energieversorgung der Zukunft" meinte, mit denen RRPS Profil gewinnen will, zeigte er danach im Batteriecontainer. Der ist ganz neu auf dem Markt und "der erste davon auch schon verkauft", erklärte Schell. Auf dem Werksgelände ist einer aufgebaut. Die riesige Batterie mit 154 Modulen kann über 1000 Kilowattstunden elektrischer Energie speichern, etwa 14 Mal mehr als ein Tesla Modell X, das rund 550 Kilometer rein elektrisch fahren kann. Der Clou: Dieser Batteriecontainer speichert Strom aus unterschiedlichen Quellen – Solar- oder Windenergie, Blockheizkraftwerk, Gas- oder Dieselaggregat – und stellt ihn dank intelligenter Steuerung auf Knopfdruck zur Verfügung.
Strom günstiger und "grüner" bereitstellen
Der Batteriecontainer im MTU-Werk-1 wird Herzstück einer neuen Microgrid-Demonstrationsanlage, in die RRPS fünf Millionen Euro investiert. Der Anbau für die Schaltanlagen und das mit Solarkollektoren bestückte Dach sind gerade im Bau. Microgrids kombinieren regenerative Energie-Erzeugung mit zuverlässigen Stromaggregaten. Solch ein Energiesystem könnte beispielsweise eine Insel oder abgelegene Standorte im Bergbau autark mit Strom versorgen. Der Batteriecontainer könnte aber auch ans Netz angeschlossen werden und Industriebetrieben zu Spitzenzeiten günstiger und "grüner" Strom liefern. "Versorgungssicherheit nur mit Solar- oder Windstrom geht wegen der schwankenden Verfügbarkeit aber nicht", erklärt Projektleiter Armin Fürderer.
Doch die CO2-neutrale Stromversorgung geht. Genau das ist Ziel der MTU. Microgrids und der Batteriecontainer sind "der erste Schritt dahin", so Fürderer. Das Werk 1 könne heute schon ohne Strom aus dem Netz versorgt werden, wenn die Produktion nicht auf Hochtouren läuft.
Vertrag für Hybridantrieb
RRPS hat nach Aussagen von Andreas Schell Anfang dieser Woche den ersten Vertrag für die Auslieferung von neun Hybridantrieben an die "Irish Rail", also die Bahn in Irland, unterschrieben. Daran hängt die Option für die Auslieferung weiterer 600 Hybrid-Powerpacks der Marke MTU. Der Auftrag folgt einem der vier Vorverträge, die RRPS bei der Bahnfachmesse Innotrans mit internationalen Kunden abschließen konnte. Dafür gebe es nach wie vor keine Entscheidung für den Einsatz der Hybridzüge auf der Bodenseegürtelbahn. "Wir haben ein Angebot abgegeben", erklärte RRPS-Vorstand Andreas Schell gestern.